Sonntag, 14. April 2024

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Ausstellung "Going West!"
Der Blick des Comics Richtung Westen

Ob Micky Maus oder Tintin: Viele große Comic-Helden reisten in ihren Geschichten in den Wilden Westen. Eine Ausstellung im Bilderbuchmuseum Troisdorf widmet diesen Abenteuern nun eine eigene Ausstellung.

Von Beatrix Novy | 07.03.2015
    Dass der Wilde Westen zu großen Teilen eine Erfindung der Populärkultur ist, hat sich herumgesprochen, aber das konnte dem Mythos nie schaden. Nichts in der US-amerikanischen Geschichte wurde so eng mit der Identität der Nation verknüpft wie das Going West, das sein eigenes Genre hervorbrachte, den Western. Eine andere spezifisch amerikanische Bildkunst blieb davon natürlich nicht unberührt: der Comic. In den 20er-Jahren, als sich das Genre auf den Unterhaltungsseiten der Tageszeitungen fest etabliert hatte, begannen viele erfolgreiche Zeichner, ihre populären Helden in den Westen zu schicken. Allen voran eine Filmfigur namens Micky Maus.
    Ein Ausschnitt aus Walt Disneys 1929 begonnener Zeichentrickserie Silly Symphonies komprimiert Stereotypen des Western-Genres in rasant überdrehten Szenen: Micky Maus auf dem Planwagen-Treck durch die Wüste, Square Dance und Country Song, Indianer-Angriff, Wagenburg. In den gedruckten Comics aus derselben Zeit wurden allerdings die Western-Motive keineswegs so wörtlich genommen. In Original-Druckvorlagen, alles Leihgaben von meist privaten Sammlern, sind sie hier versammelt: Windsor McCays Little Nemo zum Beispiel, der auch einen Angriff furchterregender Indianer erlebt, aber wie immer rechtzeitig in seinem Bett aufwacht. Andere Begegnungen mit dem Wilden Westen sind touristischer Natur: Die berühmten Katzenjammer Kids gucken sich Kalifornien an, Vater und Sohn aus der Serie Gasoline Alley erleben Wüste, Navajos und Klapperschlangen und kommentieren sie für heutige Begriffe ziemlich langatmig, die kleine Waise Annie lernt auf einer Reise nach New Mexiko die Pueblo-Kultur kennen und raucht eine Friedenspfeife mit Indianerkindern.
    "Der Westen war nicht wild, auch die Indianer sind eher Touristen-Indianer, die sind friedlich, leben im Reservat, die Kinder sind wie andere Kinder, nur das Setting, die Kleidung ist anders," sagt Kurator Bernhard Schmitz. Aber es blieb nicht bei der Perspektive des Ostküsten-Städters. Der lungenkranke Cartoonist James Swinnerton, den sein Verleger Randolph Hearst in die Wüste von Arizona geschickt hatte, entdeckte dort nicht nur die Heilkraft des trockenen Klimas:
    "Für seine Comics begann er sich mit den Indianern zu beschäftigen, er hat Holzfiguren gesammelt, sich mit der Tradition beschäftigt und das in seine Geschichten eingebaut."
    Europäische Helden im Wilden Westen
    Die Ausstellung zeigt einige von Swinnerton gesammelte Holzfiguren der Hopi und seine Landschafts-Skizzen in Öl. Die Grandiosität der Wüsten- und Canyonlandschaften wurde zunehmend zur pathetisch-kunstvollen Kulisse, vor der sich die kleinen Abenteuer der Cartoon-Figuren abspielten. George Herriman, Erfinder der in einen Mäuserich verliebten Katze Krazy Kat, eröffnet hinter seinen skurrilen Tierfiguren grandiose Weite und einsam thronende Felsen unter schwarzen Himmeln, als ginge es um nichts anderes. Mit dem Siegeszug des Westernfilms wuchsen die Comics über die Zeitungsseiten hinaus, wurden oft Teil einer multimedialen Verwertungskette. Bernhard Schmitz:
    "Zeichentrick wird zu Comics, Comics zu Heften und Büchern, die werden zu Spielzeug und daraus kann man wieder einen Film machen."
    Die großen Themen des Westerns schlugen sich nieder in den Bildgeschichten von Tom Mix Hoopalong Cassidy, Bonanza - das Genre produzierte viel Massenware, belanglos gezeichnet, billig produziert, vor allem, wenn es sich an Kinder wandte, denn mit denen glaubt man's ja machen zu können. Lichtblicke kamen nun von der anderen Seite des Ozeans, vor allem aus Belgien und Frankreich, wo Comic fraglos zur Kultur statt zu Schmutz und Schund gezählt wurde. Auch hier reisten die Helden in den amerikanischen Westen - wie im frühen Klassiker Bécassine - oder träumten doch wenigstens, wie Alain Saint Ogans "Zig et Puce" davon. Hergés weit gereister Tintin nahm Partei für die von den Weißen verdrängten Indianer, der Asterix-Zeichner Uderzo erfand Umpapah, und Lucky Luke trat auf den Plan: nun gleich als Western-Parodie.
    "Das verbindet sich mit Traditionen aus der klassischen Unterhaltungsliteratur, das deutsche Phänomen war Winnetou, bei den Franzosen Jules Verne, die Italiener haben Sandokan..."
    Die Metamorphosen des Western-Genres vom sauberen Heldenepos zum realistischen oder pseudorealistischen Geschichtsbild hat auch der Comic mitgemacht. Die Ausstellung im Bilderbuchmuseum zeigt diese Entwicklung umfassend und überzeugend. Spaß macht sie auch.