Dienstag, 23. April 2024

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Ausstellung im Berliner Dom
"Du sollst Dir (k)ein Bild machen!"

Im Berliner Dom beschäftigt sich eine neue Ausstellung mit der Bedeutung von Bildern im Religiösen. Auch wenn das Konzept durch die Ereignisse im Irak nicht beeinflusst wurde, so bekommt das Projekt durch die Zerstörungen historischer Stätten durch den IS eine erschütternde Aktualität.

Von Sigrid Hoff | 08.03.2015
    Im Dom, Berlins größter Kirche, werden Gottesdienste gefeiert, Orgelmusik erklingt, wochentags lassen Touristen im bild-überladenen Hauptraum des neobarocken Gotteshauses die Blicke schweifen, können sich nicht satt sehen. Der angrenzende Andachtsraum der Tauf- und Traukirche ist leer – bis auf eine einzelne Besucherin, die sich von dem Anblick, der sich ihr hier bietet, offenbar nicht schockieren lässt: Die reich dekorierten Wände, Altar, Gemälde Kandelaber sind hinter sechs Meter hohen, grauen Einbauten verschwunden. Gleich gegenüber vom Eingang schaut man auf eine lilafarbene Neonskulptur. "Du sollst dir kein Bild machen", das zweite Gebot, steht dort in hebräischer Schrift. Vom Altarraum sind nur noch zwei Stufen zu sehen. Ein kleines Fenster in der dunklen Wand darüber zeigt wie in einem Schrein eine aufgeschlagene Bibel mit Goldschnitt. Links daneben ist ein 30x30 Zentimeter großes Multiple von Lucio Fontana von 1968 in die Wand eingelassen: ein rosaroter Kunststoff mit einem senkrechten tiefen Schnitt in der Mitte, der - wie ein Wundmal – auseinanderklafft. Und zugleich sexuelle Assoziationen weckt, eine Inszenierung, die provoziert:
    "Ich finde es ganz wunderbar, weil es in unserer Bildbefragung auch behandelt die Frage nach dem Heiligen und dem Profanen, manchmal kann das Profane auch heilig werden. Die Frage ist, ist es eine Provokation oder eine Aufforderung zum Nachdenken."
    Argumentiert Alexander Ochs, der Kurator der Schau. Diese drei Kunstwerke bleiben für den gesamten Ausstellungszeitraum fest installiert. Andere Arbeiten, etwa von Marina Abramovic, Herlinde Koelbl, Micha Ullmann aber auch von Altmeistern wie dem Niederländer Pieter Claesz oder Künstlern der Klassischen Moderne wie Max Beckmann und Hans Arp treten in wechselnden Konstellationen hinzu. Eine spannende Begegnung von alter Kunst und zeitgenössischen Werken im Kirchenraum:
    "Das ist ein Thema, das mich sehr interessiert, das Verhältnis von Glauben und Kunst, das Verhältnis von Spiritualität und Kunst, wo schöpft die Kunst aus welcher Spiritualität, haben die Kirchen als Vertreter der Spiritualität Antworten und Interesse."
    Bunte Sammlung, zu der auch eine Arbeit des chinesischen Künstlers Ai Weiwei gehört
    In der aktuellen Szene ist eine Heiligendarstellung, eine gotische Anna Selbdritt aus dem Bamberger Domschatz, auf einer Stele vor der 1995 entstandenen Fotoarbeit von Chester Higgins platziert, die eine tiefverschleierte dunkelhäutige Muslima zeigt. Daneben sind Scherben einer über 2000 Jahre alten Vase aus der Han-Dynastie aufgehäuft, eine Arbeit des chinesischen Künstlers Ai Weiwei.
    Das Bilderverbot in den Religionen, der Bildersturm zu Luthers wie zu Maos Zeit, dient als roter Faden.
    "Im Zusammenhang dieser Ausstellung sprechen wir von kultureller Zerstörung, nicht nur in China, sondern auch hier, wir stellen die Frage nach unserem Verhältnis zum Bild, das ist die eigentliche Dimension dieser Sache, wie geht man damit um."
    Die Zusammenstellung ist sehr persönlich und folgt keinem kunsthistorischen Kanon. Sie lässt Raum für eigene Assoziationen – aber sie hinterlässt offenbar auch Hilflosigkeit, wie der fast menschenleere Ausstellungsraum zum Wochenbeginn vermuten lässt.
    Beim Domkollegium stieß Alexander Ochs auf ein hohes Maß an Toleranz – man ließ dem Kurator freie Hand. Dompredigerin Petra Zimmermann erhofft sich gerade vor dem Hintergrund des aktuellen, religiös motivierten Bildersturms Denkanstöße durch die Kunst:
    "Ich habe den Eindruck, dass in den aktuellen Debatten, was ist eigentlich die Bedeutung der Religion, bei diesem Bildersturm zu kurz kommt. Da gibt es ein Feuer aus der Religion, was immer auch als zerstörerisches Feuer daherkommt. Ich glaube, dass es nicht ausreicht, auf Dauer nur mit den Mitteln der Aufklärung und Analyse dem begegnen zu wollen. Wir brauchen selber etwas von diesem Feuer im guten Sinn."
    Die Anschläge in Paris, betont Kurator Alexander Ochs, hätten sein Ausstellungskonzept nicht beeinflusst. Es ist eine bittere Aktualität, die sich umso mehr nach den jüngsten Zerstörungen antiker Kunstwerke durch die ISIS im Irak einstellt. Die Kunst lädt dazu ein, sich auf einer anderen Ebene damit auseinanderzusetzen. Sie gibt die Frage nach der Beziehung von Bild und Religion an den Betrachter zurück.