Freitag, 19. April 2024

Archiv

Ausstellung im Maximiliansforum
Kunst und Behinderung

Der Münchner Künstler Johannes Maria Haslinger hat auf einer Reise durch Nepal Fotos, Videos und Sounds von Menschen am Rande der Gesellschaft gesammelt. Seine Kunst gibt Einblicke in ein Leben voller Widerstände und ihrer Bewältigung.

Von Andi Hörmann | 23.07.2019
Auf dem Bild ist der Künstler Johannes Maria Haslinger zu sehen
Der Künstler Johannes Maria Haslinger (Andi Hörmann)
Das Maximiliansforum, Mitten in München: Eine Fußgängerunterführung direkt unter der berühmten Luxusmeile Maximilianstraße, ein kultureller Off-Space mit grauen Bodenfliesen und schummriger Beleuchtung, eine 24 Stunden zugängliche Ausstellungsfläche — aber nicht barrierefrei für Menschen mit Gehbehinderung.
"Das war auch am Anfang eine ganz große Überlegung, ob das möglich ist, das hier zu machen. Weil es ja thematisch quasi… ja, das ist jetzt die Frage: Führt es daran vorbei, oder bringt es das genau auf den Punkt."
Johannes Maria Haslinger steht zwischen zwei schaufensterartigen Ausstellungsräumen. Mit seinen hier gezeigten Arbeiten beschäftigt er sich mit der Frage: "Können die Nepalis durch das Improvisieren, in dem die ein ganz großes Talent haben, Menschen mit Behinderung besser mit einbringen in die Gesellschaft?"
Pragmatischer Einfallsreichtum
Schnell wird klar: Ja. Im Sinne von: Aus der Not eine Tugend machen. Trotzt begrenzter Mittel und Möglichkeiten beobachtete Haslinger in Nepal engagierte Eigeninitiative und pragmatischen Einfallsreichtum.
"In ganz vielen Schulen sind Kinder mit Behinderung einfach mit dabei, ohne dass es einen Lehrplan dafür gibt. Die Lehrer improvisieren halt dann. Wenn jemand blind ist, dann wird — obwohl an die Tafel geschrieben wird — dem das noch mal so erklärt."
Gesellschaftliche Randgruppen
2018 reist Haslinger durch Nepal, fotografiert Straßenszenen und macht Feldaufnahmen von gesellschaftlichen Randgruppen. In den zwei von großen Glasfronten abgetreten Ausstellungsräumen — mit etwa 50 und 100 Quadratmetern — projiziert er die verfremdeten, oft in sepia-farbiger Ästhetik gehaltenen Bilder auf Doppelbett große Leintücher und untermalt sie mit einer Art Remix der mitgebrachten Soundscapes.
"In dem einen Raum sind quasi Stills, also Portraits zu sehen, denen dann auf der Leinwand noch mal die Konturen nach gezogen werden mit Gaffa-Tape, damit das schwarz stehen bleibt. Die fallen dann nach einer Zeit aus und fangen zum Blinken oder Flimmern an. Und dann bleibt quasi nur noch von dem Porträt die Silhouette stehen. Das wird sich dann abwechseln bei den fünf Portraits.
Und in dem anderen Raum… Sollen wir noch mal rüber schauen? In dem Raum haben wir zwei Querformate, Leinwände, auf denen sich Videoclips mit Fotos abwechseln. Bei dem rechts: Das ist eine Anhäufung von ganz vielen Aufnahmen mit Kindern, das ist sehr verspielt. Die Musik dazu ist dann genauso, sehr locker, sehr witzig, da haben auch Kinder rum gealbert. Bei dem links sieht man jetzt lauter Straßenszenen und relativ scharfe Schnitte. Und diese beiden Projektionen laufen asynchron. Die Musik, die läuft unabhängig, dann entstehen immer wieder neue Kombinationen."
Vereinzelt und in Armut
Ausgegrenzte, Bettler, Obdachlose und herumziehende Musikanten in Nepals Hauptstadt Kathmandu - eine Parallel-Gesellschaft, vereinzelt und in Armut. Den Straßenmusikern hat er übrigens immer etwas in den Hut geschmissen. Damals wusste er aber noch nicht, dass er ihre Aufnahmen weiter zu Musik und Kunst verarbeitet.
"Also wenn es möglich war, dass man die antrifft, wenn sie nicht irgendwo in einem Obergeschoss aus einem Fester raus gesungen haben, dann habe ich ihnen natürlich etwas gegeben. Auf jeden Fall!"
Ein echter Augenöffner
Johannes Maria Haslinger arbeitet mit der Ausstellung "we both are free. me and my disability." eine Art "Integration durch Improvisation" in Bild und Ton heraus: So - wie er es in Nepal beobachtete, führt er es in seiner Kunst weiter und schärft den Blick des Betrachters für eine inklusive Gesellschaft trotz extremer Lebensbedingungen.
Ein echter Augenöffner für das doch so wohlhabende München!
Die Ausstellung ist noch bis Ende September im Maximiliansforum in Müchen zu sehen