Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Ausstellung in Berlin
Christbaumschmuck im Spiegel der Zeit

Lametta, Engel oder Essbares: Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin blickt zurück auf die Geschichte des Weihnachtsbaumschmucks. Dabei zeigt sich, dass dieser immer dem Zeitgeschmack unterliegt - und oft auch politisch war, wie Kuratorin Regine Falkenberg im Dlf betonte.

Regine Falkenberg im Gespräch mit Anja Reinhardt | 10.12.2018
    Historischer Glasschmuck hängt am 29.11.2012 im Spielzeugmuseum in Kleßen (Brandenburg) an einem Weihnachtsbaum.
    Früher war mehr Lametta? Stimmt nicht immer, aber auf jeden Fall sah Christbaumschmuck im 19. Jahrundert oft anders aus als heute (picture alliance / Bernd Settnik)
    Anja Reinhardt: Weniger eine Zwangspause, sondern als ganz bewusste Auszeit werden die Weihnachtstage und die Zeit zwischen den Jahren empfunden. Und er gehört zur als Accessoire unbedingt dazu: Der Weihnachtsbaum. In vielen Familien hat das Schmücken des Weihnachtsbaums deswegen auch etwas sehr Zeremonielles - und die Frage danach, wie geschmückt wird, ist von großer Bedeutung. Seit dem 16. Jahrhundert gibt es Weihnachtsschmuck, zumindest ist er ab da überliefert. Und spätestens mit der Emanzipation des Bürgertums hat der behängte Christbaum im Haus seinen festen Platz – gerade auch heute in nicht mehr ganz so christlich geprägten Zeiten.
    Im Deutschen Historischen Museum gibt es passend zur Jahreszeit eine Ausstellung die sich mit der Geschichte des Christbaumschmucks vom 19. Jahrhundert bis heute befasst. Zusammengestellt hat die Ausstellung die Kuratorin Regine Falkenberg, mit der ich auch über den Titel der Schau gesprochen habe, der lautet: "Engel, Hakenkreuz, Felsendom", soll damit gleich im Titel klar werden, dass es beim Weihnachtsschmuck nicht einfach nur christliche Symbolik geht, sondern auch um politische?
    Regine Falkenberg: Genau. Es geht auf jeden Fall um auch etwas Politisches. Die Frage ist ja immer wieder, hat der NS-Staat und hat die DDR etwas dazu beigetragen, dass der Weihnachtsbaum-Schmuck mit einer entsprechenden Symbolik ausgestattet wurde. Und das sind immer natürlich auch zentrale Fragen, die man sich stellt, vor allen Dingen angesichts der Fülle gerade des NS-Schmucks, der zurückgeblieben ist. Es gibt eine ganze Reihe von Runen auch, die ja im NS-Staat eine besondere Bedeutung hatten, weil sie dann verwiesen auf das ganze Altgermanische und ganz weit zurück, so dass man es kaum noch nachvollziehen kann. Damit hat man dann versucht, die Bevölkerung einfach auch von dem christlichen Fest abzubringen, und das war besonders wichtig mit Beginn des Zweiten Weltkrieges. Als der Zweite Weltkrieg anfing, hat das Reichspropaganda-Ministerium noch mal eine Kampagne versucht, über die SS, wie wir wissen, den Julschmuck zu installieren. Das waren Kugeln, die in Thüringen, in Lauscha produziert worden sind.
    Reinhardt: In Thüringen! Jul kommt ja eigentlich eher aus dem Skandinavischen.
    Falkenberg: Aus dem Skandinavischen – genau. Alles war recht so, um jetzt nicht unbedingt Weihnachten ein Fest werden zu lassen, wo man dann auch Angehörigen möglicherweise dachte, überhaupt über den Sinn und Unsinn von Krieg, von Sterben, von Gewalt nachdenken sollte. Das sollte irgendwie auch damit ein bisschen unterbunden werden.
    Essbarer Schmuck am Baum
    Reinhardt: Wir haben jetzt sehr viel über den Nationalsozialismus gesprochen. Sie haben ganz kurz die DDR auch erwähnt. Aber wenn wir jetzt noch mal ein bisschen weiter zurückgehen: Vor den modernen Staatsverfassungen, da wurde sehr viel über Rituale transportiert, politische oder soziale Haltung. Betraf das eigentlich damals auch schon den Christbaumschmuck?
    Weihnachtsfest, Eduard Geselschap, 1855/60 - Ein Kunstwerk, das in der Ausstellung "Engel, Hakenkreuz, Felsendom – Christbaumschmuck vom 19. Jahrhundert bis heute" im Deutschen Historischen Museum zu sehen ist.
    Weihnachtsfest im 19. Jahrhundert, gemalt von Eduard Geselschap (Deutsches Historisches Museum)
    Falkenberg: Wenn es Ihnen um soziale Haltung geht, würde ich sagen, auf jeden Fall. Denn die Handwerker waren die ersten, die sich einen Baum zu ihren Zusammenkünften um die Weihnachtszeit geschmückt haben, den dann die Kinder abschütteln durften. Die waren geschmückt mit Äpfeln, mit Datteln, manchmal sogar auch mit Käse, mit Essbarem, mit Gebäck. Das durfte dann nach der Zusammenkunft verzehrt werden.
    Dieser Brauch eines geschmückten Baums, den gibt es dann auch in Kaufmannsgilden. Die Quellen sind sehr disparat. Es ist noch nicht sehr gut erforscht und noch nicht sehr gut im großen Zusammenhang erforscht.
    Weihnachtliches Grün wurde auch schon viel früher als jetzt im 16. Jahrhundert an die Häuser und an die Ställe der Tiere gehängt, weil das einfach auch bedeutete, dass man wieder an den Zyklus der Natur glaubte und auch wieder sah, dass es ein neues Frühjahr und dass es wieder einen Sommer geben würde, die Bäume schlagen wieder aus und das Grau wird wieder austreiben.
    Christbaumschmuck als Konsumgut
    Reinhardt: Was aber sicherlich ganz gut erforscht ist – Sie haben eben auch schon ganz kurz darüber gesprochen -, das ist der Weihnachtsbaum-Schmuck, der ja auch gekapert wurde für Ost- und Westdeutschland, um da auch noch mal die Geisteshaltung, die Ideologie zu verdeutlichen. Das ist uns ja auch durchaus noch in Erinnerung. Aber warum war das ausgerechnet der Weihnachtsbaum, der da so instrumentalisiert wurde?
    Falkenberg: In der DDR, muss man dazu sagen, hat es nicht funktioniert. Wenn man sich Fotos anguckt, dann sieht man einfach auch, dass an Traditionen festgehalten wurde und dass auch immer wieder derselbe Schmuck geringfügig erweitert wurde. Aber die großen Veränderungen, die kamen eigentlich erst wirklich in den 50er-, 60er-Jahren mit dem großen Kommerz, oder in den 70er-Jahren sogar erst, als dann wirklich der Baumschmuck richtig kommerzialisiert wurde und gesagt wurde, es ist wichtig, den Baum in Violett zu schmücken und nicht in Grün, sondern jetzt ist wieder Rot und so weiter, und dass die Kerzen eine bestimmte Farbe haben sollten. Das ist eigentlich ein Ausdruck davon, dass man den Christbaum-Schmuck entdeckt hat als Konsumgut.
    Keine Zeit mehr fürs Lametta-Bügeln
    Reinhardt: Aber inwiefern wird denn der Weihnachtsbaum und der Weihnachtsschmuck heute immer noch instrumentalisiert? Wenn ich jetzt zum Beispiel an Loriots berühmten Satz denke, früher war mehr Lametta, dann stimmt das ja insofern, als dass deutlich weniger Lametta verkauft wird und dass das auch damit zusammenhängen könnte, dass die Leute über Nachhaltigkeit nachdenken.
    Falkenberg: Genau. Das ist auch der Fall, dass das mit einem wachsenden Umweltbewusstsein auch zu tun hat, dass vielleicht auch das Lametta, was man versucht hat, aus Kunststoffen oder nicht mehr aus Aluminium oder Blei herzustellen, auch nicht mehr so schön aussah, dass es einfach auch nicht mehr so gut wirkte, und dass es in der Tat dann auch irgendwann mal aus der Mode gekommen war und man vielleicht auch gar keine Zeit mehr hatte, jedes Lametta-Fädchen zu bügeln, wieder an den Baum zu hängen, ordentlich einzupacken. Dazu muss man dann auch schon die Kapazität haben innerhalb einer Familie, der man dann auch noch ein gutes Essen vorsetzen musste, die Geschenke stimmen sollten – das vielleicht dann einfach auch eine Überforderung zunehmend in der modernen Zeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.