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Ausstellung in München
Francis Kéré – der engagierte Architekt

Francis Kéré hat in seiner Heimat Burkina Faso eine Schule gebaut. Selbst hat er nie eine Schule besucht. Neben unzähligen sozialen Bauprojekten in Afrika und auf der ganzen Welt, entwickelt der Star-Architekt heute Installationen für Museen und Biennalen. Die Ausstellung "Radically Simple" im Architekturmuseum in München zeigt seine bisherigen Werke.

Von Julian Ignatowitsch | 17.11.2016
    Heimatdorfs Gando in Burkina Faso
    Die Schule, die Francis Kéré in seinem Heimatdorf Gando in Burkina Faso gebaut hat. (Daniel Schwartz)
    Der Architekt Francis Kéré steht vor dem großflächigen Modell seines Heimatdorfs Gando in Burkina Faso. Voller Enthusiasmus zeigt er auf sein Geburtshaus, auf Häuser, in denen sein Onkel und seine Tante wohnen – und dann breitet er die Hände über dem Gebäude der Grundschule aus, sein Projekt, das zum Anlaufpunkt für all die kleinen, verstreuten Anwesen geworden ist.
    "Die Idee, die Dinge im Baubereich besser zu machen, ist schon in der Kindheit entstanden, da habe ich bei Verwandten gewohnt in der Stadt, denn damals gab es noch keine Grundschule in Gando, ich musste das Dorf verlassen", sagt Francis Kéré.
    Kindheitserlebnisse treiben Kéré noch heute an
    Das Heimatdorf verlassen, um in die Schule zu gehen, müssen die Kinder heute nicht mehr – dank Kéré. Der Grundschulkomplex mit Bibliothek, Lehrerunterkünften und zwei großen Schulgebäuden, den er seit 2001 nach und nach aufgebaut hat, bietet heute 500 Schülern Platz. Direkt nebenan entsteht gerade eine Oberschule. Kéré haben die Erlebnisse seiner Jugend so geprägt, dass er sie bis heute als Antrieb für seine Arbeit nimmt und immer wieder an den Ausgangspunkt seines Lebens zurückkehrt:
    "Einer der Aufgaben, die ich auch mitmachen musste, war es Material heranzuschaffen, für die Renovierung der anfälligen Lehmhäuser. Wenn sie als Siebenjähriger Kies transportieren müssen mit einem Eselkarren, anstatt zu spielen, wie andere Kinder, dann wollen sie die Dinge besser machen.
    Das andere Erlebnis war die Schule, auf die ich ging. Da saßen wir mit mehr als 100 Kindern in einem Klassenraum, der so heiß war, dass man sich nicht konzentrieren konnte."
    Radikal und erfindungsreich
    Kéré hat es von einem mittellosen Kind in einem der ärmsten Länder der Welt zum internationalen Star-Architekten geschafft. Über ein Stipendium konnte er in Deutschland studieren, heute lebt er in Berlin. Seine Gebäude vereinen Baukunst und soziales Engagement auf gleichsam radikale wie einfache Weise, deshalb auch der Titel der Schau "Radically Simple".
    Radikal ist Kéré, weil er sich nicht von Sachzwängen und Behörden einschüchtern lässt, weil er seine Visionen einfach in die Tat umsetzt, weil er als noch nicht mal fertig studierter Architekt zurück nach Afrika ging, um dort eine Schule zu bauen, wo viel zu lange keine stand. Einfach sind seine Bauten im Hinblick auf die Materialien, die er verwendet, die Fertigungswege, die er oftmals selbst erfindet, und die Menschen, die mithelfen.
    Francis Kéré: "Ich versuche, dass was am Ort vorhanden ist, einzusetzen. Und ich kombiniere Materialien vor Ort, um gut klimatisierte Räume zu schaffen. Ich versuche, dass sich die Menschen vor Ort an den Bauprozessen beteiligen, so dass wir Wissen transferieren."
    Hybride Architektur: Zwischen westlicher Bildung und afrikanischer Tradition
    Kéré, ein Architekt des Volkes. An Stelle von Strohdächern hat er wasserabweisende Wellblechdächer nach Burkina Faso gebracht, er mischt Lehm mit Beton, um die Stabilität der Wände zu erhöhen, er hat durch ein schräges, offenes Dachsystem mit Löchern in der darunterliegenden Decke ein so simples wie geniales, noch dazu natürliches und kostengünstiges Belüftungssystem entwickelt. Utopie und Pragmatismus gehen bei ihm Hand in Hand. Eine hybride Architektur geprägt von westlicher Bildung und afrikanischer Tradition.
    Dabei hat er neben seinen unzähligen Projekten in Afrika – Schulen, Krankenstationen, Waisenhäuser oder das Operndorf "Remdoogo", das er mit dem verstorbenen Regisseur Christoph Schlingensief verwirklichte – mittlerweile auch zahlreiche Aufträge im Rest der Welt, derzeit zum Beispiel im Hafen von Zhousan, im Gewerbegebiet von Mannheim oder an der Berliner Volksbühne. Außerdem fertigt Kéré Installationen für Museen und Biennalen. Geld, das sagt er ganz offen, verdiene er in Europa und Amerika, nicht in Afrika.
    Seine Leidenschaft und Energie sind ansteckend
    Die Schau dokumentiert Kérés Schaffen kleinteilig und detailliert. Mit (fast zu) viel Text, Modellen, Materialbeispielen und eindrucksvollen Bildern des Fotografen Daniel Schwartz. Man sollte den Architekten unbedingt in einem der Videos reden hören, wenn man ihn schon nicht seine Installationen heraufklettern oder die Ausstellungsstücke aus der Verankerung ziehen sieht, wie bei der Pressevorführung. Seine Leidenschaft und Energie sind ansteckend. Also, was ist sein großer Traum?
    Francis Kéré: "Der Traum von Francis Kéré ist, dass er es schafft, weitere Bauten zu bauen, die beispielhaft Menschen inspirieren, insbesondere in Afrika. Und dass man sich selber engagiert und in seinem Bereich die Innovation herbeiführt."