Donnerstag, 28. März 2024

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Ausstellung "The Land In-Between" im Frankfurter Städel
Von sichtbaren und unsichtbaren Grenzen

Fotografin Ursula Schulz-Dornburg erkundet seit den frühen 1970er Jahren Europa, Asien und den Nahen Osten. Dabei interessiert sie sich vor allem für Relikte alter Kulturen und für "Grenzlandschaften". Ihre Fotoserien sind Zeugnisse vergangener politischer Systeme und gegenwärtiger Konflikte.

Von Christian Gampert | 06.07.2018
    Gyumri – Erevan (aus der Serie: Transit Orte, Armenien), 2004
    Gyumri – Erevan (aus der Serie: Transit Orte, Armenien), 2004 (Ursula Schulz-Dornburg)
    Irgendwo in einer fernen, leeren Landschaft steht etwas herum. Ein verlassenes Bahnhofs-Gebäude in der Wüste im Nahen Osten, eine ehemalige Versuchsanlage für Atomtests in Russland , eine antike Grabstätte, ein verwitterter Tempel. Oder einfach eine Haltestelle. Die Bushaltestellen, die Ursula Schulz-Dornburg zwischen 1997 und 2011 in Armenien aufgenommen hat, sind zwar nominell "Transit Orte", wie es der Titel der Serie verheißt. Aber man hat nicht das Gefühl, dass die wenigen Menschen, die dort in kompletter Depression und Einsamkeit warten, von A nach B wollen. Sie sind vielmehr verloren in der weißen Weite der Landschaft und in diesen brutalistischen Beton-Skulpturen, die angeblich vor Wind und Wetter schützen sollen, in Wahrheit aber Denkmäler einer längst vergangenen Zeit sind.
    Die Vergangenheit als religiöse Verheißung
    Das ist der wirkliche Transit, der da stattfindet, an diesen Haltestellen und in Ursula Schulz-Dornburgs Bildern überhaupt: zwei Zeitebenen stoßen aufeinander, etwas sehr Altes wird lakonisch auf seine Gegenwärtigkeit befragt. Die Vergangenheit ist noch da, als sozialistisches Projekt, als religiöse Verheißung, als technologischer Traum; aber die Architekturen, die das repräsentieren, sind zerbröckelt, zerschlissen, oft auch halb zerstört.
    Unfassbare fremde Schönheit
    Die Trauer, die einen beim Anblick untergegangener Kulturen, nicht mehr genutzter Tempel oder auch von Haltestellen ergreift, die im Grunde schon Ruinen sind, wird kompensiert durch die unfassbare, fremde Schönheit dieser Orte, die von der Fotografin wie minimalistische Skulpturen inszeniert sind. Ursula Schulz-Dornburg war Ende der 1960iger Jahre, nach ihrem Studium, in New York, wo sie Dan Flavin und Laurence Weiner kennenlernte. In ihrem Wohnort Düsseldorf arbeiteten die Bechers. Sprich: sie reiste immer mit einem klaren Konzept nach Asien und in den Nahen Osten.
    Kurator Martin Engler: "Es geht in diesen Arbeiten auch um eine Erweiterung des Fotografischen. Es geht nicht nur ums Einzelbild, sondern um eine Bilderzählung, um etwas Filmisches, eine Serie. Bei den Bechers gibt es eine Typologie, die immer sehr streng gefügt ist. Bei Ursula Schulz-Dornburg sind es auch Raster, aber die werden offen gelassen. Da ist eine andere politische Haltung dahinter, auch eine andere Art und Weise, wie die Geschichten erzählt werden."
    Steinbetten und Steinaltäre
    Schulz-Dornburg hat 1969 zunächst, man höre, Abenteuerspielplätze fotografiert, dann den Palace Pier in Brighton, dann Landschaften im Jemen. Die erste wirklich gültige, signethafte Arbeit ist 1974 eine Restaurant-Fassade am Markusplatz, aus den Fenstern wehen opernhaft-optimistisch die Vorhänge wie Fahnen. Dann kommen die großen Recherche-Reisen, und obwohl diese Fotos keine Ethnologie sind, sondern Kunst, ist die Botschaft immer auch: schaut, ich war da. Ich bin lange Wege gegangen, um die Steinbetten und Steinaltäre zu entdecken, die frühchristliche georgische Mönche im 7.Jahrhundert an der (heutigen) Grenze zu Aserbeidschan in Höhlen schnitten und bauten. Um den Sonneneinfall in dunklen Kapellen am Jakobsweg tagelang zu verfolgen. Oder um in Palmyra Grabeingänge, Steinquader und den Baal-Tempel zu fotografieren, ein einsames Artefakt, kurz bevor der Islamische Staat kam.
    Hingestrichelte Steppen, schuppige Böden
    Schulz-Dornburgs Bilder sind Zeugnisse einer Fluchtbewegung, meist aus der europäischen Kultur hinaus – um etwas Wahres, Zeichenhaftes, optisch Einmaliges zu entdecken und es in seiner ganzen Widersprüchlichkeit stehen zu lassen. Die Barytabzüge der Fotos wirken manchmal wie gezeichnet, hingestrichelte Steppen, schuppige Böden in der Taiga, feiner Sand in den Wüsten. Menschen kommen bei Ursula Schulz-Dornburg kaum vor, es geht eher um das, was Menschen getan, produziert, hinterlassen haben. Aber alles ist vom Verschwinden bedroht, bleicht, ähnlich wie bei dem Fotografen Elger Esser, quasi im Bild schon aus. Und steht dann als nackte Struktur in karger, manchmal verseuchter Landschaft.
    Wer sich die Zeit nimmt, kann in Schulz-Dornburgs Bildern vom Berg Ararat viele verschiedene Winde sehen, vom heißen Wind bis zum Tornado, schwarze Wolken über dem schneebedeckten Vulkan. Die Fotografin hat im Grunde einen poetischen Ansatz - der sich in dieser wunderbaren Ausstellung erst nach und nach zu erkennen gibt.