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Ausstellung "Urban Movements"
Kaleidoskop der Jugendkultur

Urbane Alltagskunst, Musik und Mode: Das Dortmunder U zeigt mit der Ausstellung "Urban Movements" ein buntes und multimediales Sammelsurium urbaner Ausdrucksformen junger Menschen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit erheben die Macher nicht. Junge Kunst soll hier, unabhängig von ihrer Qualität, sichtbar und hörbar werden.

Von Panajotis Gavrilis | 22.04.2014
    Das leuchtende Dortmunder U bei Nacht.
    Das Dortmunder U, Zentrum für Kunst und Kreativität. (picture alliance / dpa - Rolf Vennenbernd)
    In der Mitte des Ausstellungsraums im Dortmunder U schmirgelt die 16-jährige Schülerin Rosina Makri mit einem Schleifpapier über ihre Stencil-Motive. Mit schwarzer und grüner Farbe hat sie mehrere Figuren auf eine durchsichtige Kunststofffolie draufgesprüht.
    "Ich versuche das so ein bisschen auszusehen lassen, als ob das so benutzt ist und vorher habe ich halt Stencils draufgemalt. Das ist die "Mona Lisa" hier und das soll jemand darstellen, so einen Arbeiter. Und dann statt einem Kopf eine Handgranate, also was Politisches so."
    Rosina Makri schaut zufrieden auf die Plexiglas-Scheibe mit ihren Motiven. Sie soll eine Rückwand einer Bushaltestelle darstellen.
    Urbane Alltagskunst
    Ein bisschen zugetaggt, mit Kratzspuren, eingravierten Liebesbotschaften - daneben ein schwarz-weißer Aufkleber mit dem Schriftzug "Kein Mensch ist illegal".
    Rosina Makri hat zusammen mit anderen Jugendlichen aus NRW das Haltestellenhäuschen unter künstlerischer Anleitung für die Ausstellung aufgebaut und ganz nach ihrem Geschmack gestaltet.
    Ein Stück selbst gemachter, urbaner Alltagskunst.
    "Das ist so interessanter, als so eine ganz normale weiße, die steht überall, die ist ganz normal. So eine bunte, die hat so was eigenes."
    Was ziehen Jugendliche an, welche Musik hören sie?
    Womit identifizieren sie sich, was inspiriert sie?
    Und überhaupt: Jugendkultur, was ist das eigentlich?
    Rosina Makri hat ihre ganz eigene Vorstellung davon:
    "Mittlerweile hört niemand mehr ja so was Klassisches, sondern eher so Hip-Hop und Rap und so was und Graffiti, Streetart - was irgendwie auch moderner halt ist. Es hat ja nichts mehr was damit zu tun, was früher so alles war."
    Doch wie bringt man die unterschiedlichen Bewegungen zusammen, die alle Teil der Jugendkultur sind?
    Spannende Spuren
    Und wie präsentiert man sie in einem Museum, in einem geschlossenen Raum? Vor allem spielerisch, meint Mechthild Eickhoff, Leiterin des Zentrums für kulturelle Bildung U2:
    "Wir machen das ja auch nicht museal. Wir machen das ja sehr auswählend. Nicht historisch vollständig, nicht kunsthistorisch. Sondern wir machen das so, wie es uns im Grunde auch vor die Füße fällt und wo wir denken, da in Gesprächen mit Jugendlichen ergeben sich spannende Spuren."
    Den spannenden Spuren ist die Kuratorin der Ausstellung, Susanne Henning, gefolgt. Bei ihrer Suche stieß sie unter anderem auf das Dortmunder Elektro-Duo "aniYo Kore".
    Sie führt die Besucher zu einer Wand, die mit mehreren Dutzend selbstgestalteten, bunten Platten-Covern der Band geschmückt ist. Zwischen den Cover-Unikaten hängt ein Bildschirm, auf dem Schattenspiele in Sepiafarben als Teil ihres Musikvideos flackern.
    Direkt daneben liegen drei-löchrige grell-grüne, neon-gelbe und pinke Wollmützen auf dem Boden. Susanne Henning zieht eine Mütze auf den Kopf - nur noch ihre Augen und ihr Mund sind durch die eingeschnittenen Löcher zu sehen. Es wird schnell klar, welche Assoziationen hier geweckt werden sollen:
    "Pussy-Riot-Mützen? Nicht Teil einer Jugendkultur? Ich behaupte doch. Also nicht einer deutschen, aber einer russischen auf jeden Fall. Und das ist genau das, warum wir uns entschlossen haben, die mit hier reinzubringen. Weil: Was ist, wenn Jugendliche sagen: 'Oh das finde ich eigentlich ganz gut, ich setze die mal auf und geh damit mal jetzt auf die Straße'?"
    Auf der Straße und auch maskiert sind die Graffiti-Sprayer, die in einer Videoinstallation zu sehen sind. Ein 15-Jähriger hat sie bei ihren nächtlichen Aktionen gefilmt und seinen Teil zu der Ausstellung beigesteuert.
    "Damit gibt man denen auch die Möglichkeit, sich super zu fühlen, sich gut zu fühlen. Sie sind ja unheimlich stolz, sich hier selbst wiederzufinden."
    Die Kuratorin steuert auf eine halbierte grüne Tischtennisplatte zu - nicht wegzudenken von Schulhöfen und Spielplätzen, wurde sie hier zu einer akustischen Improvisations-Spielwiese umfunktioniert.
    "Urban Movements" zeigt ein buntes und multimediales Sammelsurium urbaner Ausdrucksformen junger Menschen.
    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit
    Doch viele Ausdrucksformen der Jugendkultur lassen sich nicht ohne Weiteres in einem geschlossenen Raum ausstellen. Sie kann sich voranging draußen, auf der Straße entfalten, meint auch Mechthild Eickhoff, Leiterin der U2:
    "Klar, da gehört es hin, da kommt's her, da soll's auch bleiben. Da wollen wir gar nicht eingreifen. Wir wollen das gar nicht belehren und sagen 'So ist das jetzt und schaut euch das mal an liebe Erwachsenen, was die Jugendlichen so Schönes machen.' Überhaupt nicht. Sondern: Wir finden es spannend, was passiert damit, wenn wir es reinholen. Genau in so einem Bau, wie dieser einer ist. Was passiert damit."
    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und fernab von Profikunst zeigt die "Urban Movements" in ihrer zweiten Auflage die nicht greifbare Vielseitigkeit der Jugendkulturen auf. Sie bietet einen Raum, in dem junge Kunst, unabhängig von ihrer Qualität, sichtbar und hörbar wird.
    Dabei kommt es auch auf den Versuch an, meint die Schülerin Rosina Makri:
    "Die Jugend ist ja jetzt auch nicht gleich. Sie ist ja individuell und deswegen, denk ich mal, dass jeder etwas anderes hier vermissen würde."