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Ausstellungen in Oldenburg
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Vom Trickfilm bis zur Graphic Novel: In Oldenburg setzen sich derzeit gleich drei Museen mit der Entwicklung von Comics auseinander. Die Zeichnungen neuer Comic-Autorinnen gehören hier zu den interessantesten Werken.

Von Oliver Ristau | 02.02.2018
    Eine Mitarbeiterin des Horst-Janssen-Museums geht an Bildern aus dem Comic "Hans Fallada - Der Trinker, 2015" von Jakob Hindrichs vorbei. Comics in der Kunst, sogenannte Graphic Novels, sind Spiegelbilder der Gesellschaft. Geschichte und Trends dieser aktuellen Kunstform sind Thema in den drei Oldenburger Museen Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Horst-Janssen-Museum und Stadtmuseum.
    Drei Oldenburger Museen widmen derzeit der Geschichte und den Trends des Comics Ausstellungen (Carmen Jaspersen/ dpa )
    Betritt man das Edith-Russ-Haus, fällt einem sofort das Flackern der allgegenwärtigen Monitore auf, die Videokunst aus animierten und computerspielartigen Sequenzen des Iren David O'Reilly zeigen. Dessen Trickfilme voll niedlicher Figuren kippen ständig ins Morbide. Überstrahlt wird alles von gleißenden Leuchtstoffröhren, die eine mit Science-Fiction-Bildern bestückte Installation des aus Ägypten stammenden Street-Art-Künstlers Ganzeer schmerzhaft genau ausleuchten.
    "Wir machen ja eigentlich zeitgenössische Kunst und Medienkunst, aber wir hatten eben auch ein großes Interesse, etwas zu Animationsfilmen zu machen: Wie arbeiten bildende Künstler mit Animationen? Und insofern hatten wir das Gefühl, das ist wirklich etwas Interessantes, da können wir zusammen dran arbeiten."
    Meint Marcel Schwierin, Kurator und einer der beiden Leiter des Edith Russ-Hauses über den Impuls, gemeinsam mit zwei anderen Museen in Oldenburg ein Ausstellungsprojekt zu Graphic Novels zu erarbeiten. Nun ist der Trickfilm natürlich kein Comic. Doch die im Edith-Russ-Haus zu betrachtende Auswahl bezieht ihr Spannungsfeld gerade aus der Fortführung des Comics mit anderen Mitteln.
    Das ist bei Victoria Lomaskos konventionell aufgehängten Bildfolgen aus dem russischen Alltag noch relativ leicht nachvollziehbar, bei Künstlern wie dem Israeli Amir Yatziv, der virtuelle Grundrisse von Konzentrationslagern mit Computerspiel-Ausschnitten aus Ego-Shootern mixt, geht es allerdings mehr um die zehnte Kunst - das Computerspiel.
    Micky-Maus- und Snoopy-Telefon als Sammlerstücke
    Zum Wesentlichen, nämlich der neunten Kunst, führt "Die Geschichte des Comics" im Stadtmuseum. Anhand von Comic-Originalseiten von Carl Barks oder Will Eisner, Sammlerstücken wie dem berühmten Micky-Maus-Telefon der Deutschen Post und dem amerikanischen Gegenstück, dem Snoopy-Telefon, wird die Entwicklung des Comics dargestellt, vor allem durch die Comic-Hochburg Belgien, und dem Pendant in Übersee, den USA.
    "Im deutschen Fall muss man natürlich eine Ausnahme machen. Das ist jetzt nicht so, dass Comics von Hansrudi Wäscher etwa weltweit Erfolg hatten, aber natürlich müssen wir hier auch einen Blick auf die deutsche Szene werfen, die ja dann eben auch, aufgrund der Brüche in der allgemeinen Geschichte im 20. Jahrhundert eben auch einen ganz besonderen, spezifischen Weg gegangen ist."
    Erläutert Andreas von Seggern, der Leiter des Stadtmuseums. Allerdings zeigt die Schau überwiegend bereits bekannte Objekte und Künstler. Weibliche Comic-Künstlerinnen wie Marie Duval, Miterfinderin und Gestalterin der englischen Comic-Figur Ally Sloper sucht man vergebens. Und das obgleich sie im späten 19. Jahrhundert eine der ersten im europäischen Comic tätigen Frauen war. Auch dominieren - abgesehen vom Krazy-Kat-Erfinder George Herriman - Künstler mit weißer Hautfarbe. Und der aus Japan seinen weltweiten Erfolgszug angetretene Manga kommt nur am Rande vor. Das ist schade, denn er verpasste in den 90er-Jahren weltweit langweiligen Comics eine Frischzellenkur und ebnete Künstlerinnen wie zum Beispiel Olivia Vieweg den Weg dorthin, was nun im Horst-Janssen-Museum unter der Bezeichnung "Aktuelle deutsche Graphic Novels" zu sehen ist.
    Ein Mitarbeiter des Horst-Janssen-Museums schaut sich Bilder aus dem Comic "Nick Cave. Mercy on me, 2017" von Reinhard Kleist an. Comics in der Kunst, sogenannte Graphic Novels, sind Spiegelbilder der Gesellschaft. Geschichte und Trends dieser aktuellen Kunstform sind Thema in den drei Oldenburger Museen Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Horst-Janssen-Museum und Stadtmuseum.
    Der Comic "Nick Cave. Mercy on me, 2017" von Reinhard Kleist ist ebenfalls Teil der Ausstellung im Horst-Janssen-Museum (Carmen Jaspersen/ dpa )
    Tickfilme, Comics, Graphic Novels
    "Die Zeichner selbst nennen sich Comiczeichner und Comiczeichnerinnen, die können oft mit dem Begriff gar nicht viel anfangen", sagt Jutta Moster-Hoos, wissenschaftliche Leiterin des Horst-Janssen-Museums über Graphic Novels und "und jetzt ist uns auch klar geworden, dass es eher ein Begriff ist, der benutzt wird, um zu erklären: Das ist jetzt nicht lustig, notwendigerweise, das ist jetzt eher ein Buch als ein Heft, und es sind anspruchsvollere Inhalte, vielleicht Zeichnungen, Literaturadaptionen, es geht um mehr und manchmal Tiefschürfenderes. Und wir haben den Begriff benutzt, wohl wissend, dass es vielleicht eine Hilfskonstruktion ist - wir reden über Comic."
    Comic in seinen unterschiedlichen Ausprägungen, seien es nun Anna Haifischs im nervösen Strich geführte Auseinandersetzungen mit dem modernen Kunstbetrieb oder Isabel Kreitz mit der in detailreichen Bleistiftzeichnungen umgesetzten Comic-Chronik der Haarmann-Morde nach einem Skript von Peer Meter. Im Horst-Janssen-Museum ist der Frauenanteil glücklicherweise hoch, und von den ersten Entwürfen über Tuschezeichnungen und Farbgebung bis zum Endprodukt sind die Arbeitsweisen der Künstler und Künstlerinnen gut nachvollziehbar; wer mag, kann zusätzlich in von ihnen beantworteten Fragebögen stöbern.
    Die Ausstellungen:
    "Die Geschichte des Comics" vom 3. Februar bis 2. April 2018 im Stadtmuseum Oldenburg
    "Aktuelle deutsche Graphic Novels" vom 3. Februar bis 6. Mai 2018 im Horst-Janssen-Museum
    "Die Neunte Kunst - Unwanted Stories" vom 1. Februar bis 1. April 2018 im Edith-Russ-Haus für Medienkunst