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Australische Wahl zwischen Not und Elend

Der Labour-Regierungschef Kevin Rudd und sein Herausforderer Tony Abbot von den Konservativen stehen sich als Kandidaten bei der Parlamentswahl gegenüber. Viele Australier sind unentschlossen, betrachten dies als Wahl zwischen Not und Elend.

Von Andreas Stummer | 31.08.2013
    Wahlkampf in Australien ist kurz und schmerzlos. Nach vier Wochen ist alles vorbei. Für Inhalte ist da kaum Zeit. Ob politisch links oder weiter rechts – jeder zielt auf die Mitte. Labour-Regierungschef Kevin Rudd genauso, wie sein Herausforderer.

    Der Chef der Konservativen ist Oppositionsführer Tony Abbott, 55. Der erklärte Fitness-Fanatiker will Australien auf Vordermann bringen. Heraus aus einer Krise, die keine ist. Weniger als sechs Prozent Arbeitslosigkeit, Top-Kreditrating - Australien geht es gut, auch wenn die Wirtschaft nach 20 Jahren ungebremstem Wachstum ein wenig auf der Stelle tritt. Die Australier fragen sich: Was kommt nach dem Rohstoffboom? "Keine der Parteien hat darauf eine Antwort", sagen die Meinungsforscher Rebecca Huntley und John Utting. Deshalb habe Australien 2013 auch die Qual der Wahl.

    "Labor und die Konservativen haben sich in vielen Bereichen so angenähert, dass es schwer ist, überhaupt zwischen beiden Parteien zu unterscheiden. Australier machen sich nach langer Zeit wieder ernstlich Sorgen um ihre Zukunft. Deshalb wollen sie einen Regierungschef, der sie durch diese unsichere Zeit führt."

    Parteipolitik ist Nebensache. Diesmal geht es nur um die Spitzenkandidaten. Um Persönlichkeit, wer steht für was, wem kann man trauen? Kevin Rudd oder Tony Abbott? Doch beide sind nicht gerade populär. Not gegen Elend.

    "Soll ich ehrlich sein? Beide sind schamlose Lügner, denen niemand traut", sagen zwei Wähler in Penrith im Westen von Sydney. "Ich weiß nicht, wen wir wählen sollen. Noch einmal drei Jahre Kevin Rudd? Und ich frage mich, ob Tony Abbott überhaupt das Rückgrat hat ein guter Premierminister zu sein."

    Seit er 2007 die Konservativen abgelöst hat, gilt Premier Rudd als Kevin 007, Tony Abbott nennt jeder nur "Dr. No". Drei Jahre lang hat er als Oppositionsführer stur zu allem Nein gesagt. Was Labor, trotz einer nur hauchdünnen Mehrheit, durchgesetzt hat – all das will Tony Abbott bei einem Wahlsieg wieder abschaffen. Labors Bildungsreform, Australiens Emissionshandel und CO2-Steuer, denn Klimawandel, Zitat Abbott, sei "absoluter Blödsinn". Genauso, wie Kevin Rudds Bergbausteuer, die internationalen Minenkonzernen mehr Geld für australische Rohstoffe abverlangte. Doch viele Australier wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Seit Abbott bei einem Fernsehinterview offen zugegeben hat, dass man jedes seiner Worte zweimal umdrehen müsse.

    ""Politiker werden an dem gemessen, was sie sagen. Doch in der Hitze der Diskussion gehen wir manchmal weiter als bei einem sorgfältig vorbereiteten, abgelesenen Statement. Es zählt nicht, was ich in einer Debatte sage: Die einzige, absolute Wahrheit steckt nur in diesen exakt ausformulierten Bemerkungen."

    Protestmarsch in den Straßen von Melbourne. Tausende Demonstranten fordern eine humanere Flüchtlingspolitik. Von beiden Großparteien. Es sei unmenschlich, Zehntausende Asylbewerber ins Ausland abzuschieben und dort – auf unbestimmte Zeit und hinter Stacheldraht – einzusperren. Als Abschreckung, damit nicht noch mehr kommen.

    Doch Labor und die Konservativen sind sich einig: Für Bootsflüchtlinge, die mit Hilfe von Menschenschmugglern durch die Hintertür nach Australien wollen, gilt, betreten verboten.

    Kevin Rudd machte deutlich: Bootsflüchtlinge werden ab sofort ins Dritte-Welt-Land Papua Neuguinea abgeschoben. Und das für immer. Aus den Augen aus dem Sinn.

    Tony Abbott verspricht, nicht nur die Flüchtlingsboote zu stoppen. Er will sie mithilfe der Marine auf hoher See zum Umdrehen zwingen, Flüchtlingskonvention hin oder her. Die australischen Grünen sehen rot. Ginge es nach Parteichefin Christine Milne, dann sollten sich Asylbewerber frei und in Australien aufhalten dürfen, solange ihre Anträge bearbeitet werden. Doch obwohl sich Kevin Rudd und Tony Abbott in ihrer Flüchtlingspolitik gegenseitig rechts außen überholen, bleiben Christine Milnes Grüne in Wählerumfragen links liegen.

    ""Es scheint, dass Grausamkeit in Australien Stimmen bringt. Eine unmenschliche Linie gegen Flüchtlinge ist dort populär, wo die Wahl entschieden wird. Australier sind für Fairness bekannt. Wir sollten Kevin Rudd und Tony Abbott zeigen, was wir von ihnen halten und diesen Wettlauf nach unten nicht mitmachen."

    Die Grünen wären froh, wenn sie – wie vor drei Jahren – mehr als zehn Prozent der Stimmen bekämen. Nach Umfragen liegen Labor und die Konservativen Kopf an Kopf. In der australischen Presse aber ist die Wahl längst entschieden. Jedenfalls in den Zeitungen, die von Rupert Murdoch herausgegeben werden. Murdoch kontrolliert 70 Prozent des australischen Printmarktes und er will einen Regierungswechsel.

    "Werft die Labor-Bande raus", titeln seine Boulevardzeitungen seit Beginn des Wahlkampfs. Kommendes Wochenende wird sich herausstellen, ob Australiens Wähler auch kein Blatt vor den Mund nehmen.