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Großbritannien
BDI: Harter Brexit ist noch nicht vom Tisch

Ende Januar tritt Großbritannien aus der EU aus. Unternehmen haben aber weiter keine Klarheit, wie es weitergeht. Ein Handelsabkommen fehlt noch, die zu klärenden Themen sind zahlreich. Großbritannien ist künftig ein wirtschaftlicher Konkurrent außerhalb des Binnenmarkts.

Von Theo Geers | 28.01.2020
Port of Rotterdam Authority was flying flyers with information about parking spaces and other regulations regarding Brexit on ferries from DFDS in Vlaardingen.
Nicht bereit für den Brexit: Die Übergangsphase bis Ende 2020 wird laut Industrie nicht reichen für ein Handelsabkommen. (www.imago-images.de / Hollandse Hoogte)
Großbritannien geht - und die Unsicherheit bleibt. Zumindest für die deutsche Wirtschaft. Denn die Übergangszeit bis Ende des Jahres, in der die EU und Großbritannien ihre neuen Beziehungen regeln müssen, ist für ein umfassendes Abkommen viel zu kurz. Der BDI fordert deshalb, die Übergangszeit zu verlängern, so Geschäftsführer Joachim Lang:
"Es ist klar, dass die knappe Zeit nicht für ein Übergangsabkommen reichen wird. Die Verhandler brauchen mehr Zeit. Ich halte es für einen schweren Fehler, dass die britische Regierung eine Verlängerung kategorisch ausschließt."
Harter Brexit noch nicht vom Tisch
Damit läuft die Forderung nach einer längeren Frist ins Leere. Schlimmer noch: Die Gefahr, dass es dann Ende des Jahres doch noch zu einem ungeordneten, harten Brexit kommen könnte, ist weiter groß, denn es ist keineswegs sicher, dass Brüssel und London zusammenfinden. Eigentlich wollen beide Seiten die kommenden Monate nutzen, um ein möglichst umfassendes Abkommen über ihre künftigen Wirtschaftsbeziehungen abzuschließen. Wie wichtig so ein Abkommen wäre, zeigt ein Blick auf die betroffenen Jobs:
"Die Zahl der Arbeitsplätze, die mit Großbritannien direkt und indirekt zusammenhängen, ist eine halbe Million. Und wir gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent unmittelbar betroffen sein könnten - bei deutschen Unternehmen hier und dort."
Zugang zum Binnenmarkt, Freizügigkeit für Arbeitnehmer, der Luftverkehr, Finanzdienstleistungen, Datenaustausch, Sozialstandards, Umwelt - die Liste der Themen ist aber so lang, dass ein Abkommen mit dieser Breite in der Kürze der Zeit utopisch ist. Ausgehandelt werden kann daher bestenfalls ein Basisabkommen, für das die deutsche Wirtschaft als Minimum den Verzicht auf Zölle und Einfuhrquoten fordert.
Sorge vor umfairem Wettbewerb
Außerdem müssten sich beide Seiten in die Hand versprechen, faire Wettbewerbsbedingungen anzustreben. Denn das ist die andere große Furcht. Schließlich muss Großbritannien die Nachteile, die sich aus dem Austritt aus der EU ergeben, durch Vorteile an andere Stelle ausgleichen. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang:
"Ihr eigenes Wunschbild einer erfolgreichen Zukunft haben sie ja beschrieben mit dem Bild eines Singapur-Europas. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass ein Teil des neuen Geschäftsmodells darin besteht, durch Abweichen und Verringerung von Standards es attraktiver zu machen zu ihnen zu kommen als in der EU zu sein."
Die deutsche Wirtschaft erwartet hier deshalb von der EU ein hartes und geschlossenes Auftreten. Wer von den europäischen Regeln und Standards abweichen wolle, dürfe nicht den besten Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt bekommen. Heißt übersetzt: Je mehr Großbritannien sich zum billigen Jakob machen sollte, desto höher würden im Gegenzug die Hürden für den Zugang zum EU-Binnenmarkt. Umgekehrt: Je mehr britische Normen denen der EU ähneln, desto leichter würde der Zugang.