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Auswirkung von Düngung auf die Qualität von Lebensmitteln

Nicht nur die Frage, ob gentechnisch verändertes Saatgut verwendet wird oder nicht, bestimmt die Qualität der Nahrungsmittel aus der Landwirtschaft. Denken wir zum Beispiel an Meldungen über Acrylamid in Chips oder über Pestizidrückstände in Erdbeeren, dann wird schnell klar, das auch die Pflanzenernährung, also die Bodenbeschaffenheit und Düngung, weitgehend das Produkt mitbestimmen, dass wir am Ende essen, oder eben auch weiterverarbeiten, wie im Falle der Kartoffeln zu Chips.

Von Carolin Hoffrogge | 03.09.2004
    Dazu kommt: Mit der Komplexität der modernen Lebensmitteltechnologien steigen auch die Anforderungen an das pflanzliche Ausgangsmaterial. Wie muss die Pflanzenernährung also heutzutage aussehen, damit hochwertige gesunde Nahrungsmittel hinten raus kommen? Das ist das Thema der Jahrestagung der Gesellschaft für Pflanzenernährung, die zur Zeit an der Universität Göttingen stattfindet.

    Die Düngung von Kartoffeln oder Weizen auf dem Feld kann später über die Bekömmlichkeit der jeweiligen Speisen auf dem Teller entscheiden. Erinnern wir uns an Acrylamid. Ein Reizwort, spätestens, seitdem schwedische Wissenschaftler diesen krebserregenden Stoff vor zwei Jahren in Pommes Frites und Kartoffelchips in hoher Konzentration fanden. Durch das Frittieren der Kartoffel, besonders in Fett über 180 Grad Celsius, entsteht das giftige Acrylamid.

    Die Hersteller ließen ihre Produkte aus den Regalen nehmen, die Pflanzenkundler bekamen viel zu tun. Mit Hochdruck gingen sie dem Acrylamid in ihren Labors auf den Grund. So auch Elke Pawelzik, Professorin für Agirkulturchemie an der Universität Göttingen. Für die Bildung des Acrylamids wird eine Aminosäure verantwortlich gemacht, sie heißt Asparagin:

    Asparagin kommt in jeder Pflanze vor, in jeder Zelle, wird aber vor allem bevorzugt akkumuliert bei einer überoptimalen Stickstoffversorgung. Und da gibt es auch wieder Sortenunterschiede. Aber es ist die Aminosäure, die identifiziert wurde als die an der Acrylamidbildung beteiligt.

    Die Bildung von Acrylamid hängt unmittelbar mit der Düngung von Stickstoff zusammen. Pflanzt der Landwirt im März die Kartoffeln, düngt er den Boden vorher mit Gülle, also mit Stickstoff. Nach zwei Wochen bekommen die Knollenfrüchte noch einmal mineralischen Dünger, in dem auch neben Kalium und Phosphor zum größten Teil Stickstoff enthalten ist, so Professorin Pawalzik. All das geschieht, weil die Pflanze den Stickstoff braucht, um zu wachsen.

    Sie nimmt den Stickstoff auf und muss ihn ja jetzt in organische Substanz verwandeln. Sie fängt bereits in der Wurzel an, diese Stickstoffverbindung in bestehende Aminosäuren einzubauen. Dann transportiert die Pflanze diese Stickstoffverbindung zum Ort des Verbrauches, also dort, wo dann am Ende Proteine synthetisiert werden sollen, also das kann im Blatt sein, das ist im Stängel und bei der Kartoffel ist es dann am Ende auch in der Knolle.

    In der Knolle sitzt die Kraft, denn die Eiweiße, die durch die Aminosäuren gebildet werden, machen die Kartoffel für uns als Nahrungsmittel so wertvoll. Und diese Kraft hat sie durch die Stickstoffdüngung. Aber durch zuviel Stickstoff bildet die Knolle auch einen hohen Zuckergehalt. Dieser macht neben der Aminosäure Asparagin die Vorstufe des Acrylamid aus. Deshalb hat Pflanzenkundler Joska Gerendas von der Universität Kiel die Düngung der Kartoffel mit Kalium genauer unter die Lupe genommen und herausgefunden:

    Dass durch eine steigende Kaliumzufuhr die Gehalte an Zuckern zurückgehen. Außerdem ist herausgekommen, dass bei einer vermehrten Stickstoffdüngung die Gehalte an freien Aminosäuren zunehmen. Durch die Kombination beider Faktoren ergab sich, wenn ich eine hohe Kaliumversorgung habe und eine geringe bis mittlere Stickstoffversorgung, habe ich also den geringsten Gehalt an den Vorstufen und den geringsten Gehalt an Acrylamid in den Pommes Frites, die daraus hergestellt wurden.

    Aber auch die Verbraucher können bei falscher Lagerung der Kartoffel einen entscheidenden Fehler begehen. Gerendas Empfehlung lautet: die braunen Früchte sollten im Keller gelagert werden, denn im Kühlschrank haben sie nichts zu suchen:

    Die Kartoffelknolle reagiert auf eine Kaltlagerung mit der Bildung von freien Zuckern, also Glukose und Fructose. Im Prinzip benutzt sie das als Frostschutzmittel, das ist sozusagen die biologische Zielsetzung der Kartoffelknolle. Deswegen sollte man zu Hause auch auf keinen Fall die Speisekartoffeln im Kühlschrank lagern, wenn man daraus zum Beispiel Bratkartoffeln herstellen will. Weil man dann eben sehr hohe Gehalte hat an Fructose und Glucose, das sind Vorstufen von Acrylamid erzeugt. Und natürlich entstehen auch zu Hause in der Bratpfanne dann Acrylamid.

    Auch wenn Weizen keine krebserregenden Stoffe in der Verarbeitung mit sich bringt, ist auch hier die genau abgestimmte Düngung das A und O der gesunden Frucht. Professor Meinolf Lindhauer leitet das Institut für Getreide, Kartoffel und Stärketechnologien bei der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Detmold. Durch die Düngung mit Stickstoff – ganz egal, ob organisch durch Gülle oder mineralisch durch Kunstdünger -, beeinflusst die Backfähigkeit von Weizen:

    Die Backfähigkeit des Weizens beruht auf bestimmten Klebereiweißen und deren Funktionalität bei der Teigbildung und beim Backen ist entscheidend. Die lässt sich in einem gewissen Maße durch Düngung beeinflussen, primär durch die Stickstoffdüngung.

    Ähnlich wie bei den Kartoffeln wandelt der Weizen den Stickstoffdünger in Eiweiße um. Dabei ist das Klebereiweiß, das so genannte Gluten wichtig. Da der ökologisch erzeugte Weizen keinen mineralischen und nur wenig organischen Stickstoff in Form von Mist oder Gülle auf dem Feld erhält, helfen sich die Ökobauern mit einem genetischen Vorteil der verschiedenen Weizenarten.

    Meinolf Landhauer: Der Weizen ist ganz klar abhängig von der Stickstoffernährung. Wobei man dann bei jeder unterschiedlichen Sorte die unterschiedlichen Ansprüche prüfen muss. Wie unter welchem Boden das optimale Düngungssystem liegt. Es ist erfahrungsgemäß so, das die hochbackfähigen Sorten ertragsgeringer sind in der Regel aber ein hohes Stickstoffaneignungsvermögen haben und auch sehr viel Stickstoff aufnehmen können und zum Teil auch müssen, um einen hochwertigen Kleber bilden zu können. Und im ökologischen Anbau greift man gerne auf solche hochbackfähigen Weizen zurück, die schon ertragsschwächer sind, aber in der Lage sind, auch mit relativ weniger Stickstoff, hochfunktionale Kleber bilden und dadurch erreicht man, dass man auch im ökologischen Anbau Weizen herstellen kann, die eine befriedigende Backfähigkeit besitzen.

    Der Ökobäcker muss ein größeres handwerkliches Geschick mitbringen, so Meinolf Landhauer. Er muss sich mit der Teigführung bei Brötchen, Kräckern oder Brot besser auskennen als sein Kollege in der herkömmlichen Backstube.