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Auto-Mensch-Schnittstelle
Eine technische Herausforderung

Die Entwicklung selbstständig fahrender Autos ist auf dem Vormarsch. Das Fahren an sich klappt auch bereits gut. Wenn solch ein 'Geisterauto' dem Fahrer allerdings die Kontrolle zurückgibt, sind das Momente höchster Konzentration. VW tüftelt derzeit an einer verlässlichen Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Mensch.

Von Maximilian Schönherr | 06.03.2015
    Ein Lenkrad
    Wenn der Fahrer innerhalb des mehrstufigen Prozesses des Übergangs in den manuellen Steuermodus überhaupt nicht reagiert, hält das Auto an. (dpa / picture alliance / Maximilian Schönherr)
    Ein Forschungsfahrzeug auf der Autobahn Braunschweig-Wolfsburg. Der Wagen fährt seit einer Viertelstunde mit 130 km/h selbstständig, wechselt dauernd die Spuren, blinkt, verlangsamt, beschleunigt. Der Verkehr ist dicht. Ich sitze am Steuer, habe nichts zu tun. Es gab vor ein paar Minuten eine unangenehme Situation, weil der Wagen stark bremste, ohne ersichtlichen Grund; und einmal zog er für meinen Geschmack sehr dicht an einem Lkw vorbei, vielleicht weil der rechte Radarsensor unter den Achsen durch sah.
    Für das Entwicklerteam sind das keine Probleme mehr, sondern nur letzte Feinheiten. Denn eigentlich ist dieser Wagen bald reif für die Serie. Er darf aber erst in Serie gehen, wenn der Gesetzgeber und die Versicherungen das autonome Fahren für bestimmte Autobahnabschnitte zulassen.
    (Einspielung eines Gongs)
    Dieser Gong ist das erste akustische Signal seit dem Beginn der Fahrt. Es sagt mir, aufwachen, gleich wird was passieren.
    "Unsere 'Rückholung', wie wir es immer gern nennen, in die manuelle Fahrt, startet im Grunde mit einer Sprachausgabe, die dem Benutzer sehr sanft sagt, dass sich der pilotierte Modus bald deaktivieren wird und das Fahren wieder übernommen werden soll."
    Ina Petermann-Stock leitet bei VW in Wolfsburg den Bereich HMI beim automatischen Fahren. HMI steht für Human Machine Interface, also Mensch-Maschine-Schnittstelle, und damit das, was der Fahrautomat mit dem Fahrer an Informationen austauscht.
    Die mehrstufige 'Rückholung'
    "Danach startet im Grunde eine orange Eskalationsphase, also eine erste Phase der Rückholung, vor allem über die LED-Leiste, die wir unterhalb der Windschutzscheibe integriert haben."
    Der pilotierte, automatische Fahrmodus wird in 15 Sekunden enden. Weil das Fahrzeug deutscher Serienfabrikation bis vor kurzem in der Wüste von Nevada herumkurvte, spricht es englisch mit mir.
    "Wir tauchen dann nach der Sprachausgabe in eine Sound-Modulation ein: Es startet sehr sanft ein Sound, der dann intensiviert wird, wenn der Fahrer nicht übernimmt. Denn dann tauchen wir in eine rote Phase der Rückholung, wo der Fahrer immer noch ein bisschen Zeit hat. Der Sound eskaliert, das Licht verfärbt sich in einen roten Modus. Wenn der Fahrer dann immer noch nicht reagiert, würde das Auto in einen sicheren Nothalt übergehen."
    Das ist in meinem Fall nicht nötig, denn ich habe längst das Lenkrad berührt. Das reicht, um die Automatik abzuschalten. Ich fahre ganz normal selbst weiter.
    Vertrauen ins Auto aufbauen
    Ina Petermann-Stock kümmert sich nicht um die automatische Fahrtechnik, sondern ausschließlich darum, wie der Fahrer damit umgeht. Das Auto ist ein handelsüblicher, mit der autonomen Technik nur angereicherter Mittelklassewagen. Von der Mensch-Maschinen-Schnittstelle, also der Bedienbarkeit her, ist er ein Debakel – viel zu kompliziert, viel zu viele Lichter und Knöpfe. Das betrifft auch die meisten Modelle der Konkurrenz. Aber die Benutzerführung rein für das autonome Fahren ist vorbildlich gelöst. Ina Petermann-Stock hat dafür kleine interne Studien mit Probanden angestellt und alles auf das Wesentliche reduziert. Das Display in der Mittelkonsole, wo die Entwickler in den letzten Jahren immer mehr Informationen hineinpressten, spielt hier keine Rolle. Reduktionsmus ist die Devise. Was muss der Fahrer schon wissen, wo er sich doch eigentlich entspannen soll?
    "Vertrauen aufbauen ist auch ein ganz wichtiges Thema beim automatischen Autofahren. Am Anfang ist es einfach neu, und man muss lernen, was das Auto plant, was es tut, und dem Ganzen vertrauen und sich letztlich auch fallen lassen, was ja auch Ziel wäre."
    Programmtipp:
    Am Sonntag sendet "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Automobile Selbstfindung
    8. März 2015, ab 16.30 Uhr im Deutschlandfunk