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Autobauer in der Coronakrise
Daimler will noch mehr Personal abbauen

Der Automobilkonzern Daimler muss in der Coronakrise noch stärker sparen als geplant. Personalvorstand Wilfried Porth räumte ein, dass damit auch der Verlust von weiteren Arbeitsplätzen verbunden sei. Weit mehr als die anvisierten 15.000 Stellen müssten abgebaut werden.

Von Thomas Wagner | 11.07.2020
Autohalde Daimler-Benz -Werk Insel Gruen in Germersheim Mercedes-Benz Global Logistics Center Luftbild vom 06.05.2020 Peter Sandbiller *** Car dump Daimler Benz plant Insel Gruen in Germersheim Mercedes Benz Global Logistics Center Aerial view from 06 05 2020 Peter Sandbiller
Autohalde im Daimler-Benz -Werk Insel Gruen in Germersheim (imago images / Peter Sandbiller)
Dass die bisher angekündigten Sparmaßnahmen bei Daimler, nämlich 1,4 Milliarden Euro weniger Personalkosten und ein Abbau von bis zu 15.000 Stellen, das also all dies wahrscheinlich nicht reichen wird, konnte man bereits Mitte der Woche erahnen. Da hatte Vorstandschef Ola Källenius auf der virtuellen Hauptversammlung auf einen Einbruch beim Verkauf von PKW um 19 Prozent hingewiesen.
"Deswegen schärfen wir unseren Kurs nach. Eine weitere Maßnahme haben wir vor wenigen Tagen kommuniziert. Wir planen, die Kapazitäten unseres globalen Produktionsnetzwerkes an die zu erwartende Marktsituation anzupassen", sagte Källenius.
Das böse Wort von den betriebsbedingten Kündigungen
Und zwar, wohlgemerkt, nicht nur im Management und in der Verwaltung, sondern auch in der Produktion - in welchem Ausmaß, dass ließ Källenius offen - vor drei Tagen. Heute dagegen legte Personalvorstand Wilfried Porth mit einer Konkretisierung nach, die es in sich hat: 1,4 Milliarden Euro Einsparungen am Personal - das reiche bei Weitem nicht, ließ der Manager in einem dpa-Interview wissen. Und: Weit mehr als die anvisierten 15.000 Stellen müssten abgebaut werden.
BAU // 23.05.2017, Deutschland, Stuttgart, Fußball 2. Bundesliga VfB Stuttgart: Wilfried Porth (Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Daimler AG sowie Aufsichtsratsmitglied des VfB Stuttgart) | Verwendung weltweit
Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth (picture alliance / Pressefoto Baumann / Alexander Keppler)
Bisher war bei Daimler immer davon die Rede, den Personalabbau durch Altersteilzeit, Frühpensionierung oder Abfindungen bei freiwilligem Ausscheiden stemmen zu können. Seit Anfang Juli machten 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von solchen Angeboten Gebrauch. Doch weit mehr als 15.000 Beschäftigte müssten freiwillig ausscheiden, so Personalvorstand Porth heute. Ansonsten, und dann folgt das böse Wort, seien betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr auszuschließen – ein Paukenschlag, dem aber möglicherweise noch viele weitere folgen werden.
Forscher: Branche muss Kapazitäten anpassen
"Wir werden viele von diesen Mitteilungen noch sehen, denn die Autoindustrie in Europa muss ihre Kapazitäten anpassen. Wir müssen mit Kapazitätsabbau und damit mit Mitarbeiterfreisetzungen rechnen. Wir gehen davon aus, dass das in Deutschland gut 100.000 Arbeitsplätze kostet in den nächsten fünf Jahren", so Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des "Car Center Automotive Reserach" in Duisburg, auf Anfrage des Deutschlandfunks.
Dass Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth heute erstmals von der Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen sprach, erscheint im Übrigen äußerst brisant. Schließlich hat der Konzern mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung getroffen, die – so sieht es jedenfalls der Betriebsrat - bis zum Ende des Jahrzehntes Kündigungen ausschließt. Ein Sprecher des Betriebsrates verwies dann auch am Vormittag auf Anfrage des Dlf auf eben diese Vereinbarung. Im Übrigen müssten nun intensive Gespräche mit dem Vorstand geführt werden.
Anders geht es wohl auch nicht, glaubt Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffer: "Alle Autobauer sind in den tiefroten Zahlen. Wir werden in den nächsten Jahren abbauen müssen. Da führt kein Weg dran vorbei. Und deshalb, glaube ich, macht es Sinn, dass die Betriebsräte, die IG-Metall, die Autobauer sich an einen Tisch setzen, um Lösungen zu finden. Denn Protest alleine reicht jetzt wirklich nicht aus!"