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Automaten im Seniorenalltag

Technik. - Die Mehrheit der Senioren will in der eigenen Wohnung bleiben und nicht in ein Heim umziehen. Meist ist nur ein wenig Hilfestellung nötig, damit das Wohnen alleine auch im Alter gelingt. Dabei kann moderne Technik helfen, wie auf einer zweitägigen Konferenz für intelligente Assistenzsysteme in Berlin deutlich geworden ist.

Von Wolfgang Noelke | 28.01.2009
    Einen schweren Gehörschutz über den Ohren, darüber ein Helm, durch dessen Visier sie nur gelblich und verschwommen die Umgebung wahrnimmt und dicke, stachelige Handschuhe erschweren den Kontakt zur Außenwelt. Melanie Mora ist froh, den sogenannten "Age Explorer", jenen dicken, mit Gewichten beschwerten Overall nach dem Test wieder ausziehen zu dürfen. Die junge und sportliche Sprecherin des VDE erlebte plötzlich die Welt einer 75-jährigen Frau:

    "Mich hat das Ganze nachdenklich gestimmt. Ich konnte mich jetzt so in meine Oma rein versetzen. Das hätte ich nie gedacht. Ich verstehe jetzt, warum sie solche Sachen macht, dass sie zum Beispiel die Treppenstufen Schritt für Schritt geht."

    Der sogenannte "Age Explorer" hilft zunächst mal jungen Ingenieuren, die Lebenswelt jener alten Menschen kennenzulernen, für die sie unterstützende Produkte entwerfen. Unterstützende Technik bedeutet nicht in jedem Fall, eine Wohnung komplett zu vernetzen, mit Kameras und Sensoren auszustatten, die jede Lebensregung registrieren, sondern es sind die kleinen Hilfsmittel des Alltags. Professor Elisabeth Steinhagen-Thiessen hat an der Berliner Charité den Lehrstuhl für Geriatrie:

    "Viele Patienten, die bei uns nach einem Schlaganfall entlassen werden, brauchen zu Hause noch weitere, zum Beispiel krankengymnastische Therapie. Die krankengymnastische Therapie bekommen Sie maximal zweimal pro Woche. Das ist für die meisten Patienten zu wenig. Wenn wir ihnen aber eine technische Hilfe geben, zum Beispiel mittels eines Laptops, einer Webcam oder mit einem Laptop alleine und mit Sensoren und ihnen die Möglichkeit geben, alleine Krankengymnastik zu Hause zu machen - und zwar dann immer, wenn sie wollen, und so viel, wie sie wollen - und wenn wir das telemedizinisch auch noch überwachen können, dann haben wir hier erstens die Möglichkeit einer starken Erhöhung der Frequenz der krankengymnastischen Therapie für den Patienten und zweitens sparen wir Ressourcen."

    Dass die überwiegend älteren Patienten zusätzlich zu ihren gesundheitlichen Problemen auch noch Furcht vor der Computertechnik bekommen, hält Elisabeth Steinhagen-Thiessen für ein Gerücht. Der berührungsempfindliche Bildschirm und die zu berührenden Symbole bereite ihren Patienten keine Probleme:

    "Gerade derjenige Patient, der hochbetagte, dem schon etwas passiert ist, ist hochmotiviert, hier sich solche Hilfe zu holen. Sie können das bei mir in der Klinik sehen: Wir haben ein Durchschnittsalter in der Klinik, das bei 81 Jahren liegt. Und es sind nicht gerade die Jüngeren, die diese Technik beherrschen, es sind vielfach die Älteren."

    Die AAL steht unter der Thematik: einfach nützlich, steuerbar müssen die Hilfsmittel sein und vernetzbar. Beispielsweise wird ein intelligenter Rollator, nicht mehr nach vorn rollen, wenn die Sensoren spüren, dass sich jemand darauf stützt. Unfälle lassen sich dadurch vermeiden, auch wird das Wägelchen nicht mehr am Türrahmen hängen bleiben, wenn die schlecht sehenden Senioren die Kurve schneiden. Der Rollator "sieht" Hindernisse und steuert daran vorbei.

    Ein Navigationssystem, das mit winzigen, in Möbeln, Wänden und Teppichen integrierten RFID-Chips, auch innerhalb der Wohnung funktioniert, weiß, wo Brille und Schuhe liegen. Es erinnert alte Menschen auch daran, ihre Medikamente zu nehmen. Und die sind in der Durchdrückfolie, dem sogenannten Blister bereits individuell verpackt - genau in der Reihenfolge, wie sie eingenommen werden sollen. Auch hier kommt RFID-Technik zum Einsatz. Professor Wolfgang Wahlster, Leiter des Zentrums für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken:

    "Wir sind heute so weit, dass wir das Öffnen der Blisterpackung [registrieren]. Das geht tatsächlich über RFID-ähnliche Funktionen, denn durch das Öffnen der Blister wird einfach ein Schaltkreis unterbrochen. Das kann man auch sehr preiswert durch gedruckte Elektronik, die mit einem Ink-Jet-Drucker auf die Packung aufgebracht wird, was ja auch preiswert ist. Beim Schlucken haben wir noch ein Problem. Mit dem Chip in der Tablette, das wird im Moment noch nicht realisierbar sein, wird aber in fünf bis zehn Jahren auch nicht ausgeschlossen sein. Wir können heute technisch so kleine Mikrochips herstellen, dass es prinzipiell auch gehen möge."