Freitag, 29. März 2024

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Automobilclub von Deutschland zur Verkehrsplanung
"Rücksichtnahme ist von allen Seiten zu beachten"

Die Zukunft in den Städten gehöre sowohl Auto- als auch Radfahrern, so Herbert Engelmohr, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland im Dlf. Auch wenn die PKW-Benutzung auf Kurzstrecken nicht sinnvoll sei, könnte der Staat das kaum verbieten. Ebenso wenig könnte man Menschen vorschreiben, ein Fahrrad zu benutzen.

Herbert Engelmohr im Gespräch mit Christoph Heinemann | 01.03.2019
Ein Fahrradfahrer fährt zwischen Autos vorbei, die sich an einer Einfallstraße von Frankfurt am Main im Berufsverkehr stauen.
Wem gehört die Zukunft in den Städten: Auto- oder Fahrradfahrern? (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
Christoph Heinemann: Man stelle sich kurz vor, im Jahr 2018 wären in Deutschland 3.265 Menschen durch Terroranschläge ums Leben gekommen. Vermutlich würde sich die politische Landschaft in Deutschland deutlich verändern. Im vergangenen Jahr sind 3.265 Menschen ums Leben gekommen – auf deutschen Straßen. Eine Zunahme um 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist die schlechte Nachricht. Die etwas bessere: es handelt sich immer noch um den drittniedrigsten Stand seit dem Jahr 1950. Darauf weist das Statistische Bundesamt hin. Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Unfälle mit Radfahrerinnen und Radfahrern um 11,4 Prozent. Das liegt zum Teil an E-Bikes. Landesinnenminister Herbert Reul begründet das aber außerdem damit, dass immer mehr Menschen auf das Rad umsteigen. Das sei zwar gut, die Zunahme der Unfälle bereite allerdings große Sorgen. Die Wochenzeitung "Die Zeit" beschrieb das Verhältnis zwischen Auto und Radfahrern vor ein paar Jahren als Straßenkampf und als Krieg. Darüber wollen wir sprechen. Herbert Engelmohr ist Sprecher des Automobilclubs von Deutschland, guten Morgen!
Herbert Engelmohr: Guten Morgen!
Heinemann: Herr Engelmohr, wie erleben Sie das Verhältnis zwischen Auto- und Radfahrern?
Engelmohr: Das Verhältnis ist so, dass beide Seiten im Verkehr hohe Aufmerksamkeit walten lassen müssen, weil das Unfallgeschehen, von dem das Statistische Bundesamt jetzt die neuesten Zahlen vorgelegt hat, spielt sich ja innerorts ab. Fahrradunfälle passieren zu über 90 Prozent innerorts, und da sind die Verkehrsverhältnisse sowieso schon so unübersichtlich, eng zum Teil, jedenfalls in den größeren Städten. Von daher sind alle Verkehrsteilnehmer, die mit Fahrzeugen unterwegs sind, aufgerufen, hier natürlich sehr aufmerksam zu fahren.
Radfahrer aufgrund des fehlenden Schutzes gefährdeter
Heinemann: Haben Sie schon einmal Straßenkampfszenen erlebt?
Engelmohr: Nein. Also so weit würde ich jetzt nicht gehen, das Verhältnis so zu beschreiben zwischen Autofahrern und Fahrradfahrern, aber natürlich ist es so, dass Radfahrer aufgrund des fehlenden Schutzes rundrum deutlich gefährdeter sind und hier die Rücksichtnahme, die ja sowieso das oberste Gebot in der Straßenverkehrsordnung ist, natürlich auch da von allen Seiten zu beachten ist.
Heinemann: Warum steht der weitaus meiste Platz auf Straßen den Autos zur Verfügung?
Engelmohr: Weil sich die Verkehrspolitik schon seit Jahrzehnten daran ausgerichtet hat. Also das ist jetzt der Versuch, das ohne große Wertung mitzuteilen. Von daher sind die Verkehrsverhältnisse so, wie sie sich momentan darstellen – Sie hatten es ja schon angesprochen –, mit momentan ansteigenden Anteilen am Fahrradverkehr, und hier machen ja auch die öffentlichen Stellen einiges, damit sich dieser Anteil auch weiter erhöht.
Heinemann: Herr Engelmohr, welches Verhältnis bei der Straßenraumaufteilung hielten Sie für angemessen?
Engelmohr: Also das lässt sich abstrakt so nicht beschreiben, weil es natürlich immer stark von den örtlichen Verhältnissen abhängt. Schon allein eine Straße kann schmal oder breit sein. Dementsprechend hat man die Möglichkeit, hier Fahrradwege unterzubringen oder eben nicht. Auch Kreuzungsbereiche, die sich ja häufig als sehr unfallträchtig erweisen …
Heinemann: Entschuldigung, aber Sie stellen den Fahrradweg infrage. Warum nicht den Zugang fürs Auto?
Engelmohr: Es gibt ja die Möglichkeit, hier Fahrradstraßen einzurichten. Das würde dann der Kommune obliegen, das einzurichten. Also von daher, das hängt stark von den örtlichen Verhältnissen ab, was da machbar ist und welche Verkehrsbeziehungen auch die Verkehrsplanung da haben will.
"Sowohl das Auto hat seine Berechtigung als auch das Fahrrad"
Heinemann: Welchem Verkehrsträger sollte denn die Zukunft in den Städten gehören?
Engelmohr: Ich denke mal, das wird auf einen Mix der verschiedenen Verkehrsträger hinauslaufen. Sowohl das Auto hat seine Berechtigung als auch das Fahrrad, natürlich auch der öffentliche Personennahverkehr, und man sollte natürlich auch nicht vergessen, dass im Nahbereich das Zufußgehen immer noch relativ viel genutzt wird. Also von daher wird es ein Mix von allen Verkehrsträgern sein.
Heinemann: Wenn eine Person mit dem Auto fährt in der Stadt, kurze Strecken, dann muss man etwa tausend Kilo in Bewegung setzen, um die eigenen, sagen wir mal, 80 Kilo zu transportieren. Kann man sich das auf Dauer erlauben?
Engelmohr: Also das muss der Einzelne entscheiden, ob er das tut.
Heinemann: Muss das nicht der Staat, muss das nicht die Gesellschaft, muss das nicht der Staat regeln?
Engelmohr: Also wenn man Autobenutzung erlaubt, dann kann man schlecht eingreifen und sagen, ein Auto darf erst ab zehn Kilometern benutzt werden. Also insoweit ist das dann auch schon eine Sache der jeweiligen Verkehrsführung. Natürlich ist es so, dass auf Kurzstrecken das Auto nicht unbedingt das Ökonomischste oder Sinnvollste ist, aber das wird man kaum behördlich regeln können.
Heinemann: Der allgemeine Deutsche Fahrrad-Club fordert jetzt Tempo 30 in den Städten und nach US-Vorbild abgetrennte Radwege, sogenannte protected bike lanes. Könnten Sie damit leben?
Engelmohr: Also wenn es sich einrichten lässt, ja. Also die vielerorts in Planung befindlichen Radschnellwege sind ja zum Beispiel oder werden getrennt geplant von den Kraftfahrzeugen. Also wenn Platz dafür ist, ist das sicher sinnvoll, um auch hier den einzelnen Fahrzeugen den Raum zu geben, den sie brauchen.
"Das wird man nicht am grünen Tisch entscheiden können"
Heinemann: Herr Engelmohr, wenn man es einrichten kann haben Sie gerade gesagt. Jetzt noch mal die Frage nach der Priorität: Wieso sollte man da nicht sagen, wenn man es einrichten kann, könnten vielleicht auch noch Autos fahren. Also erst bauen wir aber mal für das Fahrrad die Stadt aus.
Engelmohr: Also das würde ich hier jetzt von der örtlichen Situation abhängig machen und auch von den Verkehrsbeziehungen. Frankfurt zum Beispiel ist eine Pendlerstadt, also mit hoher Anzahl von Leuten, die von außerhalb kommen. Denen vorzuschreiben, hier mit einem Fahrrad zu kommen, würde ich jetzt persönlich relativ schwer halten. Vor allem auch Größe der Straße, Größe der Stadt, da spielen viele Faktoren eine Rolle. Das wird man nicht am grünen Tisch entscheiden können, sondern immer bezogen auf die örtliche Situation.
Heinemann: Klingt nach weiter so.
Engelmohr: Das ist nicht gesagt. Also viele Kommunen und viele Entscheidungsträger denken ja momentan stark über ihre Verkehrsplanung nach, und ich denke mal, da wird sich auch in den nächsten Jahren die Diskussion noch deutlich intensivieren.
Heinemann: Kennen Sie eine Stadt, die die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer ausgewogen berücksichtigt hat?
Engelmohr: Also die wird wahrscheinlich noch gefunden werden müssen. Natürlich gibt es Ansätze, hier andere Verkehrsträger außerhalb des Autos, dem angesprochenen, nach vorne zu bringen, aber jedenfalls eine Ideallösung, denke ich mal, hat momentan noch keiner gefunden.
Heinemann: Herbert Engelmohr, der Sprecher des Automobilclubs von Deutschland. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Engelmohr: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.