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Autonome Autos im Test
Vorausschauendes Fahren fällt dem Bordcomputer schwer

Automatisiertes Fahren soll den Verkehr sicherer machen und helfen, Staus zu vermeiden. Doch bis Pkw-Fahrer das Steuer komplett abgeben dürfen, wird es wohl noch dauern. Ein Mangel bisher: Fahrerlose Autos können heikle Situationen im Straßenverkehr noch nicht erkennen.

Von Andrea Hoferichter | 26.10.2018
    Selbstfahrende Autos, die von Uber Technologies getestet werden, in Pittsburgh, Pennsylvania
    Bis fahrerlose Autos zum Alltag gehören, kann es noch dauern (Imago / Kyodo / MAXPPP)
    Micha Lesemann vom Institut für Kraftfahrzeuge an der RWTH Aachen: "Das ist so eine Häuserfassade, die haben wir jetzt mit einer Plane ausgestattet, damit man eben auch erkennen kann, was es denn sein soll. Damit ist es ein bisschen augenscheinlicher für den Menschen. Aber fürs Fahrzeug ist es natürlich egal, wie’s aussieht, da geht’s einfach nur darum: Kann man da durchschauen oder nicht? Kann die Funkwelle dadurch oder nicht, und das sind die Unterschiede, die da relevant sind."
    Autonome Autos haben eben keine Augen, sondern Kameras, Laser- und Radarsensoren. Getestet wird hier zum Beispiel, ob sie damit Schulkinder hinter parkenden Autos erkennen können, oder was hinter einer Hausecke an einer Kreuzung passiert, etwa ob dort gerade ein Fußgänger die Straße überquert.
    Im Idealfall kommunizieren Fahrzeuge miteinander
    Auch Vernetzungssysteme können geprüft werden, denn im Idealfall kommunizieren die Fahrzeuge miteinander, mit Ampeln und Verkehrsdiensten. So können sie auch Situationen vorhersehen, die außerhalb der Sensorenreichweite liegen. Genutzt wird das Verkehrstestgelände von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und von Organisationen, die am Ende die Produkte bewerten, zum Beispiel vom europäischen Verband für Fahrzeugsicherheit Euro NCAP.
    "Also wenn dann ein Test hier stattfindet, ist es üblicherweise so: Der Kunde richtet sich ein, er bringt eben seine Apparaturen mit, die er braucht, um diese Tests durchzuführen. Und im städtischen Bereich sind das dann oftmals diese Dummys, die auf sogenannten Plattformen unterwegs sind. Das sind also, ich sag‘ mal, Trägersysteme, kleine Fahrzeuge, auf denen, die dann bewegt werden, da kann man dann zur Not auch drüberfahren, der Dummy fliegt dann an die Seite. Aber da er aus Schaumstoff ist oder ähnlichen Materialien, macht ihm das nichts aus, man steckt ihn einfach wieder drauf und dann kann man den nächsten Test fahren."
    Ob Fußgänger, Fahrradfahrer, Fahrzeuge oder Tiere, Dummys gibt es von praktisch allen Verkehrsteilnehmern. Und um möglichst viele Situationen nachstellen zu können, lässt sich die simulierte Stadt auch umbauen. Ampeln können verschoben, Straßenzüge und Gebäudeattrappen verändert werden, und die zurzeit leuchtend weißen Fahrbahnmarkierungen lassen sich durch künstlich abgenutzte ersetzen, die nur schwer zu erkennen sind. Der Vorteil der kontrollierten Bedingungen gegenüber Tests im echten Stadtverkehr: Sie sind nicht nur ungefährlicher, sondern auch reproduzierbar.
    Alles "abgetestet"?
    "Das heißt, ich möchte immer wieder die gleiche Situation unter sehr gleichen Bedingungen erzeugen, weil ich dann natürlich sehen kann, ist meine Entwicklung besser oder schlechter als vorher. Und wenn man dann soweit hier gekommen ist, dass man sagt, jetzt bin ich sicher, jetzt habe ich alles abgetestet, was ich in diesen standardisierten Situationen finde, dann gehe ich raus in den öffentlichen Verkehr, in die öffentlichen Testfelder, und da habe ich natürlich echte Situationen", sagt Lesemann.
    Bis fahrerlose Autos zum Alltag gehören, kann es aber noch dauern. Schließlich müssen sie nicht nur vorausschauend fahren können, sondern auch sozusagen vorausdenkend. Und daran hapert es noch. Zum Beispiel können sie noch nicht erkennen, dass Gefahr im Verzug ist, wenn Kinder am Straßenrand spielen oder ein herrenloser Hund umherstreift. Und selbst für das nächste Entwicklungsziel der Fahrzeugbranche, die sogenannte Automatisierungsstufe drei, ist noch Arbeit nötig. Dann soll sich der Fahrer zumindest zeitweise anderen Dingen zuwenden dürfen.
    "Das heißt, ich darf den Blick von der Straße nehmen, darf mir ein Buch nehmen, darf E-Mails bearbeiten, einen Film gucken, darf vielleicht sogar ein bisschen wegdösen. Dann muss ich aber trotzdem in der Lage sein, in endlicher Zeit, die Fahraufgabe wieder zu übernehmen. Man ist der Meinung, dass das heutzutage mindestens zehn Sekunden sein müssen und dann kann man sich leicht vorschnellen, je nach Geschwindigkeit, wie weit ich denn in zehn Sekunden fahre und wie weit das Fahrzeug dann eben vorausschauen muss. Und das ist sicher dann eine große Herausforderung, die die Technik auch lösen muss."