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Autonome Rennwagen
Mehr als 200 km/h ohne Mensch im Cockpit

Es war das erste autonome Autorennen der Welt: Auf dem legendären Oval von Indianapolis haben neun Roboterwagen um die beste Zeit gekämpft. Ein Team der TU München gewinnt schließlich das Rennen. Auch, weil der Konkurrenz bei aller Technik ein menschlicher Fehler unterläuft.

Von Frank Grotelüschen | 25.10.2021
Sportliche Großereignisse werden in den USA gern mit der Nationalhymne eröffnet – so auch das erste autonome Autorennen der Welt. Es ist Samstag Mittag, neun fahrerlose Rennautos warten auf ihren Einsatz. Im Wesentlichen sind sie baugleich und unterscheiden sich nur in ihrer Software. Es ist letztlich ein Wettstreit der Programmierer – der beste Algorithmus gewinnt.
Eines der Teams – TUM Autonomous Motorsports – kommt von der TU München. Anderthalb Jahre lang haben sich Alexander Wischnewski und seine Leute vorbereitet, haben programmiert und sind zahllose Computerrennen gefahren. Im Sommer dann flog das Team in die USA und nahm seinen Wagen in Empfang. "Wir hatten dann Zugriff auf unser Auto so Ende August und haben dann angefangen, unsere eigenen Sachen zu implementieren", sagt Wischnewski.

Rennen direkt gegeneinander noch zu riskant

Der Wagen steckt voller Sensorik – Kameras, Radar, Laser, GPS und ein Bordcomputer. Eigentlich war geplant, die neun Roboterautos direkt gegeneinander fahren zu lassen. Das aber schien dem Veranstalter, dem Industriekonsortium Energy Systems Network, dann doch zu riskant: Die Technik schien noch nicht reif genug, die Gefahr von Kollisionen schlicht zu hoch.
Deshalb entschied er sich kurzfristig für einen anderen Modus: Jeder Wagen soll für sich alleine fahren, und das Team, das zwei Runden am schnellsten absolviert, kassiert die Siegprämie – eine Million Dollar.
"TUM autonomous motorsport on the track now, the German team", kommentiert der Live-Reporter.

Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h

Das Rennen läuft, zunächst die Ausscheidung: Die neun Wagen fahren nacheinander, die besten drei schaffen es ins Finale. Die Münchener sind gleich als zweites dran.
"Top speeds there on the front straightaway, up over 130 miles per hour."
Allzu anspruchsvoll ist der Kurs nicht, ein Oval mit vier langgezogenen Kurven. Das Tempo stimmt: "128,447."
Der Rennwagen hat die 5 Meilen mit einer Geschwindigkeit von knapp 207 km/h bewältigt. Das reicht für die besten Drei. "Wichtig war im ersten Lauf vor allen Dingen, sich für das Finale zu qualifizieren und dann im Finale noch mal ein gutes Stück schneller zu fahren", erklärt Wischnewski.
Von den neun Teams kommen nur vier in die Wertung. Die anderen drehen sich auf der Strecke, touchieren die Bande oder kriegen ihren Wagen gar nicht erst in Gang. In der Pause tüfteln die Münchener noch mal an ihren Algorithmen. "Eine signifikante Änderung zum ersten Run war, dass wir auf den Geraden noch mal deutlich mehr Geschwindigkeit freigegeben haben und dadurch wirklich spürbar Rundenzeit rausholen konnten."

Unfall der Konkurrenz

Das Finale beginnt mit Polimove, einem Team aus Italien. Das Auto ist vielversprechend unterwegs, doch dann: "Problems for Polimove! Hard impact into the outside safer barrier just when things were starting to look positive."
Das Auto rauscht schräg gegen die Wand, der Frontspoiler bricht. Der Grund: "Wir haben zwei GPS-Geräte an Bord, das System ist also doppelt ausgelegt. Doch schon nach einer halben Runde haben wir das erste GPS verloren. Und dann, vor dem Crash, ist das zweite ausgefallen. Also waren wir praktisch blind."
Als nächstes die Münchener – und ihr Wagen liefert. Er schafft die zwei Runden mit einem Tempo von 219 km/h.
"That is a new record for autonomous race cars at the Indianapolis Motor Speedway."

"Fehler passieren, wenn es beim Programmieren schnell gehen muss"

Zum Schluss der Sieger der Qualifikation, das Team EuroRacing aus Italien, Polen und der Schweiz. In der ersten Runde ist der Wagen auf Rekordkurs, der Sieg scheint klar. Doch dann: "The car has back down to under 90 miles per hour."
Das Auto verliert an Speed, die zweite Runde absolviert es eher gemütlich. "Wir hatten eine unglaubliche Geschwindigkeit drauf, großartig. Doch offenbar haben wir vergessen, dass wir nicht nur eine, sondern zwei schnelle Runden drehen müssen. Solche Fehler passieren, wenn es beim Programmieren schnell gehen muss. Und im Moment tut dieser Fehler wirklich weh", so das Team.
Ein simpler Programmierfehler entscheidet das Rennen zugunsten der Münchener – und beschert ihnen das satte Preisgeld von einer Millionen Dollar.
"Wir haben ein bisschen gebraucht, bis wir das so realisiert haben, gerade mit dieser Situation mit EuroRacing zusammen. Aber ich glaube, wir können unglaublich stolz darauf sein, was wir als Team erreicht haben." Jetzt ist erstmal Urlaub angesagt nach all dem Stress, meint Alexander Wischnewski.
Erst dann will sich das Team überlegen, in was genau es die Million investieren wird – wahrscheinlich in den Traum, irgendwann ein richtiges Rennen mit Roboterautos zu fahren, also nicht auf Zeit, sondern gegeneinander.