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Autonomes Fahren
Neue Leuchtsignale für selbstfahrende Autos

Im Straßenverkehr kommunizieren Menschen durch Blinken, Handzeichen oder mittels akustischer Signale. Aber was passiert, wenn auf den Straßen automatisierte Fahrzeuge unterwegs sind? Dieser Frage gehen Verkehrsforscher in Braunschweig nach und setzen dabei vor allem auf neue Lichtsignale.

Von Andrea Hoferichter | 30.10.2019
Forscher des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Braunschweig untersuchen mit VR-Technik die Kommunikation zwischen Fußgängern und autonomen Fahrzeugen
Studienteilnehmerin testet Interaktion mit automatisierten Fahrzeugen im Virtual Reality Labor des DLR (Marek Kruszewski / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR))
Ein Kellerraum am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Braunschweig: Ich trage eine schwarze, kastenförmige VR-Brille, die mich in eine virtuelle Stadt versetzt. Eine Art Geisterstadt, denn außer mir ist hier niemand zu sehen. Die DLR-Forscherin Anna Schieben erklärt, was mich erwartet.
"Also Sie sind ein Fußgänger, der am Straßenrand steht. Und die Idee ist, dass Sie entscheiden müssen, ob Sie die Straße überqueren möchten oder nicht. Und Sie werden unterschiedliche, automatisiert fahrende Fahrzeuge mit unterschiedlichen Lichtsignalen sehen. Und in den Studien befragen wir dann unsere Teilnehmer, ob sie dieses Lichtsignal für geeignet empfinden, was sie interpretiert haben, ob es intuitiv verständlich ist zum Beispiel."
Neuartige lichtbasierte Kommunikation im Straßenverkehr
Das erste Auto, das meinen Weg kreuzt, hat ein bläuliches Lichtband um die Frontscheibe. Es blinkt immer langsamer während das Auto abbremst und schließlich zum Stehen kommt - und wieder schneller als der Wagen wieder losfährt. Das verstehe ich gut. Ein anderes Signal ist ein Lichtpunkt in der Windschutzscheibe, der in meine Richtung zeigt und mir folgt, als ich die Straße überquere. Als Zeichen, dass ich gesehen werde. Auch das kann ich deuten. Nur als sich ein Auto mit einer Art Lauflicht an der Frontscheibe nähert, bleibe ich irritiert am virtuellen Straßenrand stehen.
"Also ich weiß nicht, wie Ihre Empfindung ist. Ich habe den Eindruck, dass Sie dieses Signal irgendwie gar nicht gut verstanden haben?"
In der Tat, ich verstehe überhaupt nicht, was das Auto mir sagen möchte.

"Das ist ein sehr schönes Ergebnis, das würden wir im Fragebogen so auch abfragen."
Drei Studien mit jeweils 20 Probanden hat Anna Schiebens Team schon durchexerziert. Die Tests sind Teil des EU-Projekts "Interact", an dem auch Unternehmen und Forscher aus Großbritannien, Griechenland und Italien beteiligt sind. Um geeignete Signale zu entwickeln, haben die Wissenschaftler zunächst untersucht, wie die Kommunikation zwischen Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmern aktuell funktioniert. Dazu waren sie in Athen, München und Leeds unterwegs.
"Wir haben zum einen Personen mit einer Blickbewegungskamera im Fahrzeug fahren lassen, um einfach mal zu verstehen: Worauf achtet ein menschlicher Fahrer? Wir haben andererseits tatsächlich Studenten und Wissenschaftler an den unterschiedlichen Stellen der Straßen positioniert, die dann auch teilweise hinter den Fußgängern hergelaufen sind und gefragt haben, ob sie bereit wären, ein Interview zu geben. Wir haben weiterhin Videobeobachtungen aus der Vogelperspektive gemacht und sogenannte Lidar-Sensoren eingesetzt, um die Fußgängerbewegungen auch messtechnisch zu erfassen."
Leuchtsignale müssen intuitiv sein
Erstaunlich fand die Verkehrsforscherin, dass Gesten und Mimik eher selten zum Einsatz kamen. Stattdessen achteten die Fußgänger vor allem auf die Geschwindigkeit der Autos. Das erklärt vermutlich auch mein Favoriten-Lichtsignal, bei dem die Blinkfrequenz mit dem Fahrtempo korrespondiert. Dennoch ist offen, welches Signal das Rennen machen wird. Als Nächstes wollen die Wissenschaftler die Lichtsignale in der echten Welt ausprobieren, wo die Sonne schon mal blenden oder Regen die Sicht trüben kann. Und sie werden die virtuelle Stadt komplexer gestalten und dort weitere Probanden auf die Straße gehen lassen.
"Eine Straßensituation, wo Sie allein auf der Straße stehen, ist ja extrem selten. Was passiert, wenn wir uns mit Älteren oder mit Kindern beschäftigen? Was passiert, wenn wir möglicherweise Personen mit Einschränkungen, also Sehbehinderungen oder Hörbehinderungen, mit reinnehmen. Ist das dann noch verständlich? Was bräuchten wir dann zusätzlich? Oder funktioniert es zum Beispiel für diese Personen gar nicht und man muss sich was ganz Neues überlegen?"
Unklar ist bisher auch, wie ein autonomes Fahrzeug überhaupt erkennen kann, dass ein Mensch die Straße überqueren möchte. Auch das ist Teil des Forschungsprojektes. Immerhin: Die Farbe der Lichtsignale, mit denen selbstfahrende Autos künftig kommunizieren sollen, steht inzwischen fest. Geleuchtet wird in einem kühlen Cyan, einer Art Türkis. Die Farbe sei von keinem Hersteller weltweit anderweitig belegt und tauge deshalb zum internationalen Standard, sagt Anna Schieben. Die eigentlich naheliegenden Ampelklassiker Rot und Grün hingegen fielen durch.
"Da hat man große Probleme im Straßenverkehr, weil manche Personen das auf sich projizieren, also sagen, wenn das Auto grün leuchtet, kann ich gehen. Andere sagen aber: Nein, wenn das Auto grün leuchtet, möchte das Auto fahren - also aus dieser Autoperspektive eher gedacht. So dass da sehr große Verwirrung entsteht und Rot-Grün für uns dann ausgeschieden ist."