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Autonomie ist nicht genug

Südtirol, seit 1972 weitgehend selbstverwaltet, gehört zu den reichsten Regionen Italiens. Doch in den letzten Jahren ist die Unzufriedenheit über den Zustand der Autonomie gewachsen. Das zeigt auch das Erstarken der Oppositionsparteien, die separatistische Tendenzen verfolgen.

Von Henning Klüver | 25.04.2013
    Eine Bahnhofsdurchsage in Bozen, der Landeshauptstadt von Südtirol. Hauptstadt eines Landes – so wird sie von denen bezeichnet, die Deutsch sprechen zwischen Brenner und Salurn. Bolzano sagen die Italiener und sprechen vom Hauptort der Provinz Bozen. Da wird nicht nur eine sprachliche Nuance hörbar, sondern da deutet sich ein anderes Selbstverständnis an. Formal gesehen sind aber die beiden Sprachen im Land beziehungsweise in der Provinz gleichgestellt. Und am Bahnhof bleiben bei Lautsprecherdurchsagen unterschiedliche Nuancen ohnehin ganz aus.

    Debatte um Autonomie

    Die Gleichstellung der Sprachen, die Verteilung von öffentlichen Stellen nach einem Proporz auf der Grundlage des Verhältnisses der Sprachgruppen zueinander, die weitgehende Selbstverwaltung unter anderem bei der Raumordnung, der Landwirtschaft, im Fremdenverkehr, bei der Energieversorgung, im Kommunikations- und Transportwesen ist das Ergebnis eines Autonomiestatutes, das international als vorbildlich angesehen wird. Doch in Südtirol selbst ist diese Autonomie ins Gerede gekommen.

    "Und es herrscht jetzt so eine Stimmung vor, rette sich, wer kann. Und da machen sich natürlich alle jene breit, die sagen, los von Italien, los von diesem Schuldenstaat, richten wir uns einen neuen, schnuckeligen, kleinen Staat ein, wo wir unseren Reichtum ausleben können."

    Brigitte Foppa, Sprecherin der Grünen Südtirols.

    "Unser großes politisches Ziel ist der Freistaat Südtirol, ein unabhängiger Freistaat Südtirol, wo sich die drei Volksgruppen auf absoluter Augenhöhe begegnen können."

    Ulli Mair, Parteivorsitzende der Südtiroler Freiheitlichen.

    "Ich glaube, die Alternative ist eher eine interregionale, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die auch ethnische Implikationen haben kann, aber nicht Verschiebungen der Staatsgrenzen."

    Es wird gern und viel diskutiert südlich des Brenners. Es geht dabei um den Zustand der Autonomie, das heißt um den Grat der Selbstbestimmung des mehrheitlich von der deutschen Sprachgruppe bewohnten Landes. Knapp 70 Prozent der 511.000 Einwohner fühlen sich heute der deutschen Sprachgruppe zugehörig, 25 Prozent der italienischen und etwa fünf Prozent der ladinischen, die vor allem in den Tälern der Dolomiten verwurzelt ist. Bis zum Ersten Weltkrieg hat Südtirol wie das südlich angrenzende italienischsprachige Trentino zum Kaiserreich Österreich gehört. 1919 wurde es im Friedensvertrag von Saint-Germain zusammen mit dem Trentino dem Königreich Italien zugesprochen. Zur Zeit des Faschismus begann eine brutale Unterdrückung der deutschsprachigen Bevölkerung und ihrer Kultur.

    Vom ersten zum zweiten Autonomiestatut

    Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Provinzen Bozen und Trient in einer Region zusammengefasst, der die römische Regierung eine erste Autonomie gewährt. Jedoch bleibt die deutsche Sprachgruppe innerhalb dieser Region eine Minderheit, während Rom die Zuwanderung von Menschen aus dem Süden Italiens nach Südtirol fördert. Unmut in der deutschsprachigen Bevölkerung macht sich breit, und die Angst vor dem Verlust der Identität als Volksgruppe wächst. Es gibt Protestaktionen mit teilweise terroristischen Begleiterscheinungen. Auf internationalen Druck einigen sich dann die Regierungen von Rom und Wien auf ein Paket von Maßnahmen, das 1972 zum zweiten Autonomiestatut führt. Dadurch erhält die Provinz mit dem jetzt offiziellen Namen Bozen-Südtirol eine weitgehende Selbstverwaltung.

    "Damals war es noch sehr schick, Südtiroler zu sein, die Identität war geschützt, nicht mehr gefährdet. Auf der anderen Seite war auch ein bisschen italienische Soße mit drauf, die Leute sprachen eben zwei Sprachen und nicht nur eine wie die 'armen' Nordtiroler. Die italienische Mode, die italienische Küche, man kann zum Wochenende nach Toskana und Venedig fahren. Das war einfach schick."

    Der Rechtswissenschaftler Francesco Palermo gehört der italienischen Sprachgruppe an. Der 43-Jährige leitet eine Forschungsabteilung der Europäischen Akademie Bozen, der EURAC.

    Durch die neuen Rahmenbedingungen wird von 1972 an auch der ethnische Konflikt entschärft. Es bildet sich ein friedliches Nebeneinander der Volksgruppen heraus. Südtirol entwickelt sich zu einer der reichsten Regionen Italiens. Wichtigste Wirtschaftszweige sind der Tourismus, das Baugewerbe und neuerdings vor allem der Dienstleistungsbereich. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 33.500 Euro pro Kopf liegt Südtirol heute in Italien an zweiter Stelle hinter der Lombardei. Auch im Vergleich der Arbeitslosenquote schneidet die Provinz mit rund 3,3 Prozent gut ab – im gesamten Land beträgt sie fast zehn Prozent.

    Italiens Wirtschaftskrise bedroht Südtiroler Wohlstand

    Aber auch in Südtirol wächst die Zahl der Arbeitssuchenden. Sie hat gerade zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder die Marke von 8000 überschritten. Über die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird zudem leicht übersehen, dass die Einkommen und Renten in Südtirol erheblich niedriger sind als im benachbarten österreichischen Bundesland Tirol – und die Steuern höher. Und: Die wirtschaftliche Krise Italiens bedroht inzwischen auch den Südtiroler Wohlstand. Francesco Palermo:

    "Heutzutage ist es plötzlich nicht mehr so schick, einen italienischen Pass zu haben. Dann entstehen die ganzen Diskussionen, über einen österreichischen Pass - ja oder nein? Wollen wir noch Teil dieses Staates sein, wenn der Staat heruntergeht?"

    Die Selbstverwaltung scheint in einer Krise. Mit Trommelschlag und im Fackelschein marschieren im vergangenen Frühjahr 5000 Südtiroler Schützen in einem sogenannten Freiheitsmarsch durch Bozen zum Landhausplatz. Auf der Abschlusskundgebung wird ein Manifest verabschiedet, das die Loslösung Südtirols vom italienischen Staat fordert.

    "Als heimatliebende Menschen sagen wir nochmals laut und deutlich, wir wollen die Freiheit für unsere Heimat!"
    Der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Elmar Thaler, hält eine feurige Rede. Er macht zugleich deutlich, dass sich dieser Freiheitswillen nicht nur auf Heimatliebe gründet, sondern auch auf ganz materielle Gründe:

    "Es gibt eigentlich nichts mehr, was uns bei Italien hält. Italien kann sich keine autonomen Regionen mehr leisten. Und wir umgekehrt, können uns kein Italien mehr leisten."

    Solche Aussagen nimmt Eva Klotz von der kleinen national-konservativen Partei "Süd-Tiroler Freiheit" auf. Die 62-jährige Landtagsabgeordnete will das Autonomiestatut überwinden und setzt sich schon seit vielen Jahren für eine Volksabstimmung in Südtirol ein.

    "Wir werden nie alle unsere Probleme lösen, aber wir lösen alle ohne Rom leichter, alle. Ohne die römischen Vorgaben, ohne die römische Bevormundung, ohne das Damoklesschwert, dass Rom diese Autonomie handhaben kann wie ein Gummiband."

    Rom braucht Geld, die Schulden wachsen Italien über den Kopf. Tatsächlich hat sich die römische Regierung zuletzt unter Ministerpräsident Mario Monti ziemlich unsensibel in die Zuständigkeiten des Landes Südtirol eingemischt und zum Beispiel mehr Steuern einbehalten, als ihr eigentlich zusteht. Darin sieht auch Ulli Mair, die Parteiobfrau der rechts-populistischen Gruppierung "Die Freiheitlichen", einen Beweis für die Verwässerung der Autonomie:

    "Also, in allen Belangen, ob es jetzt im Sanitätsbereich ist, wo uns die Regierung Italiens vorschreibt, wo wir zu sparen haben, ob das dann auch in Südtirol Sinn macht, ist eine andere Frage, das interessiert nicht. Im Schulbereich müssen wir, was die Lehrerausbildung usw. anbelangt, auch die staatlichen Vorgaben übernehmen. Auch was die gesamte Familienförderung anbelangt, sind wir an den Staat gebunden, eben weil wir nicht die steuerlichen Entlastungen selbst umsetzen können. In der Einwanderungsfrage sind uns absolut die Hände gebunden, wir dürfen nicht auf das ohnehin schon sensible Gebiet in Südtirol Rücksicht nehmen, wir konnten nie einen Aufnahmestopp verlangen. Und die Frage ist, wie lange lässt sich das ein Volk noch gefallen."

    Erstarken der rechts-populistischen Gruppierung "Die Freiheitlichen"

    Die oppositionelle Partei, die nach dem Vorbild der österreichischen Freiheitlichen entstanden ist, bildet heute mit fünf Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion im Südtiroler Landtag nach der regierenden Südtiroler Volkspartei mit 18 Abgeordneten und noch vor der Berlusconi-Gruppierung PDL, dem sozialdemokratischen Partito Democratico, den gemischtsprachigen Grünen, der Süd-Tiroler-Freiheit von Eva Klotz sowie drei weiteren kleine Gruppen. Eva Klotz und Ulli Mair, die sich gern voneinander absetzen, beschreiben ihre politischen Ziele:

    "Wir wollen die Durchführung des Selbstbestimmungsrechtes. Das heißt also eine freie Abstimmung, wie sie in vielen Teilen der Welt in den letzten 20 Jahren erfolgt ist, wo die Modelle der Zukunft zur Wahl stehen. Es gibt drei gängige Modelle: Verbleib bei dem Staat, bei dem man ist, die Angliederung an einen anderen Staat, in unserem Fall das naheliegende Österreich, oder Gründung eines unabhängigen Staates. Das sind die drei Modelle."

    "Unser großes politisches Ziel ist der Freistaat Südtirol, ein unabhängiger Freistaat Südtirol, wo sich die drei Volksgruppen auf absoluter Augenhöhe begegnen. In meinen Augen ist das ein absolutes Friedensprojekt."

    "Aber das ist, glaube ich, eine ziemlich oberflächliche Diskussion. Südtirol ist letztendlich viel zu klein und viel zu irrelevant, um die internationalen Beziehungen zu beeinflussen. Wenn Italien runtergeht, dann geht Südtirol mit runter. Natürlich ist es leicht, Teil eines Staates zu sein, wenn es diesem Staat relativ gut geht. Wenn Italien dann im Vergleich zum deutschsprachigen Raum so schlecht steht, dann kommen auch natürlich alte Probleme wieder raus."

    Der Jurist Francesco Palermo bleibt mit seiner Einschätzung nicht allein. Ihn unterstützt Brigitte Foppa, Stadträtin in Bozen und Sprecherin der Grünen in Südtirol.

    "Vor allem aber fehlt der emotionale Bezug zur Autonomie. Also, die Menschen sehen das nicht als das ihre an. Eher so als Hilfsinstrument, als Excel-Tabelle unseres Zusammenlebens. Aber nicht als etwas, das uns hilft im Alltag miteinander zurecht zukommen."

    Die Grünen von Brigitte Foppa konnten bei der letzten Landtagswahl 2008 immerhin 5,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Sie bilden die einzige politische Gruppierung, die nicht einer der beiden großen Sprachgruppen zuzuordnen ist, und sind deshalb besonders hellhörig in Fragen des Zusammenlebens.

    "Es gibt eine ethnische Unzufriedenheit. Einerseits auf der individuellen Ebene in den Städten, wo die Menschen sich auch begegnen, da ist ein starkes Bedürfnis nach einem besseren Zusammenleben da. Auf institutioneller Ebene ist man weiterhin sehr starr und zieht sich zurück auf Positionen, wo es nur um den Schutz der eigenen Sprachgruppe geht. Und dann gibt es noch eine weitere Gruppierung, die hauptsächlich in den Dörfern außerhalb der Städte zu finden ist, wo man nur noch als Deutsche unter sich ist, und da kommen wieder ganz neue Vorurteile auf gegen die Italiener. Das erstaunt mich auch immer wieder, dass das in unserem Zeitalter noch so möglich ist, so eine tiefe innere Ablehnung, die man historisch begründet, aber die meistens von ganz jungen Leuten ausgeht."

    Wer mit dem Bus durch Bozen fährt, kann das Gefühl bekommen, dass man innerhalb weniger Minuten große Distanzen zurücklegt. Das Zentrum ist eindeutig tirolerisch, kleinstädtisch geprägt. Doch kaum hat der Bus die Brücke über die Talfer, einem Nebenfluss des Eisacks, überquert, ändert sich die Anmutung. Es überwiegt der Eindruck einer modernen, lebendigen Großstadt der Lombardei oder Venetiens. Während der Fahrt kann man nachvollziehen, dass in Bozen über 100.000 Menschen wohnen und 70 Prozent von ihnen zur italienischen Sprachgruppe gehören. Die Eindrücke ändern sich dann wieder am südlichen Stadtrand, wo die Siedlungen ins Umland ausfransen und die Industriegebiete liegen.

    In einem ausschließlich von Deutschen besuchten Lokal in der Galvani-Straße trinkt Philipp, ein Sprecher der Jugendorganisation der Süd-Tiroler Freiheit, einen Espresso. Der 21-Jährige arbeitet als Automechaniker in diesem Industriegebiet, wohnt jedoch wie die meisten seiner Mitstreiter außerhalb Bozens. In der Jugend herrsche eine Umbruchstimmung, sagt er:

    "Früher gab es nur die Südtiroler Volkspartei, und jeder hat die Südtiroler Volkspartei auch gewählt. Und die Jugend von heute hinterfragt mehr. Sie ist auch viel unzufriedener und auch in Punkt auf die Arbeitslosigkeit, auf die Perspektiven. Momentan in Italien und speziell auch in Südtirol als Junger ist es sehr schwer, eine Arbeit zu finden. Man fühlt sich einfach nicht heimisch, kann man sagen, in unserem Land, durch diese fremde Sprache und diese fremde Kultureinwirkung."

    Doch legt Philipp wert darauf, dass sich seine politisch-nationale Einstellung nicht gegen die italienische Sprachgruppe richtet.

    "Ich habe nichts gegen die Italiener, weil die Italiener können ja gar nichts dafür, dass wir momentan in dieser Lage sind, sondern die Regierung, die uns Tag für Tag sagt, wir müssen so viel Geld hinunterschicken, ihr müsst das machen, ihr müsst jenes machen. Ich hab nur Hass auf den Staat."

    Wenn auf den Veranstaltungen besonders im ländlichen Raum wie in Andrian das Lied "Dem Land Tirol die Treue" angestimmt wird, dann wird nicht nur Nostalgikern warm ums Herz.

    Regierende Südtiroler Volkspartei SVP als Hüterin der Autonomie

    Die regierende Südtiroler Volkspartei SVP kann diese Kräfte, die in den letzten Jahren immer stärker und vor allem auch lauter geworden sind, nicht länger ignorieren. Denn die deutschsprachigen Oppositionsparteien, die der Autonomie kritisch gegenüberstehen und separatistische Tendenzen verfolgen, repräsentieren immerhin rund 21 Prozent der Wählerstimmen.

    "In jedem Fall rührt's auch daher, dass wir jetzt wie ganz selbstverständlich bestimmte Rechte leben, auch über eine lange Zeit, und diese Rechte auch in Anspruch nehmen, aber auf der anderen Seite das Gefühl bei dem einen oder anderen da ist, verstärkt von den Zeiten der Krise, dass wir als Volksgruppe vielleicht doch nicht so abgesichert sind, dass wir auf 100 Jahre sagen können, dass wir als Volksgruppe überleben."

    Die 58-jährige Martha Stocker ist stellvertretende Vorsitzende der Südtiroler Volkspartei. Die christlich-konservativ ausgerichtete SVP wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Sammelpartei der deutschen Sprachgruppe gegründet. Seitdem bestimmt sie die Südtiroler Politik. Die Partei betrachtet sich als Hüterin der Autonomie. Sie hat über 50.000 Mitglieder. Aber bei der letzten Landtagswahl ist sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte in der Wählergunst unter 50 Prozent gerutscht. Die SVP will jetzt vor der kommenden Landtagswahl im Herbst in die Offensive gehen:

    "Die Autonomie hier stärker noch auszubauen, das ist unsere Zielsetzung, und das haben wir mit dem Wort Vollautonomie umschrieben. Das fängt an bei größeren Zuständigkeiten, die wir uns wünschen im Finanzbereich. Die Zielsetzung ist, dass wir irgendwann soweit kommen, die Steuern selber festzulegen. Und darüber hinaus gibt es eine Reihe von Beispielen in anderen Ländern, dass auch die Polizeigewalt zu einem großen Teil Länderangelegenheit ist. Und das sind einige Beispiele, wo wir uns vorstellen, dass die Autonomie in diese Richtung ausgebaut und verstärkt werden muss."

    Nach diesen Vorstellungen sollen bei Rom nur noch die Kompetenzen für Außenpolitik, Verteidigung, Währung und Gerichtsbarkeit verbleiben.

    "2019 sind es 100 Jahre, dass wir zusammenleben. Wir müssen zugeben, dass das nicht einfach war, für die deutschen Südtiroler, diese Annexion damals, das war ungerecht. Aber inzwischen haben wir eine Minderheit richtig geschützt. Wenn jemand nach Südtirol kommt, kann nicht den Eindruck haben, dass die deutsche Minderheit in Gefahr ist."

    Aldo Mazza kam vor 40 Jahren von Salerno nach Bozen. Hier baute er gemeinsam mit anderen eine Sprachschule auf und gründete den kleinen Verlag Alphabeta. Darin hat er jetzt ein eigenes Buch unter dem Titel "Zusammenbleiben ist eine Kunst" veröffentlicht. Seine These: Die Autonomie habe den ethnischen Konflikt weitgehend befriedet, aber sie sei nur in ein Nebeneinander der Volksgruppen gemündet.

    Einwanderer aus anderen europäischen und außereuropäischen Ländern machen sich im Land bemerkbar. 2011 zählten die Behörden mehr als 44.000 zugewanderte Bürger, das entspricht 8,7 Prozent der ansässigen Südtiroler Bevölkerung.

    Wenn in Bozen von der Domkirche Maria Himmelfahrt die Mittagsglocken läuten, Menschen die Sonne auf den Bänken am Rande des Walther-Platzes genießen, Kinder spielen und Touristen fremder Länder sich begegnen, dann scheint hier die Welt noch heil. Das kleine, reiche Südtirol aber verändert sich schneller, als Postkartenansichten glauben machen oder die von gestern klingenden Trommelschläge der Schützenverbände befürchten lassen. Heimat, kulturelle Identität bleiben wichtige Werte. Im Wettbewerb der europäischen Regionen muss Südtirol jedoch aufpassen, sich nicht immer nur mit sich selber zu beschäftigen, sondern eine moderne zukunftsorientierte Region zu werden, die Grenzen überwindet, ohne neue zu ziehen.