Freitag, 19. April 2024

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Autor Günther Weisenborn
Jung, wild und ungemein produktiv

In der Weimarer Republik feierte der Schriftsteller Günther Weisenborn zum Beispiel mit dem pazifistischen Drama "U-Boot S 4" Erfolge, arbeitete mit Brecht, Weill und Eisler zusammen. Er bezog Stellung gegen die Nationalsozialisten - und entging nur knapp der Hinrichtung. Zu seinem 50. Todestag gibt es ein Revival.

Von Christiane Kort | 15.03.2019
Günther Weisenborn, Vater des Dokumentarfilmers Christian Weisenborn
Der Autor Günther Weisenborn wurde von den Nazis verhaftet und zunächst zum Tode verurteilt (Edition Salzgeber / Christian Weisenborn)
Anlässlich seines 50. Todestags präsentierte Regisseur Carsten Ramm, Intendant der Badischen Landesbühne, in der Berliner Akademie der Künste Archivmaterial und unveröffentlichte, aber sehr heutig wirkende Texte. Vertont von Kurt Weill, ist der lange verschollene Song "Choral vom weißen Käse" typisch für Weisenborns Wirken:
1930 musste sich Joseph Weißenberg, ein selbsternannter Wundertäter, der vorgab, mittels Quarkauflagen alle Krankheiten heilen zu können, vor Gericht verantworten, weil ein von ihm behandeltes Mädchen erblindete. Unter seinen zahlreichen Anhängern betrieb Weißenberg auch Propaganda für die Nazis, auf deren Seite er sich gestellt hatte.
Günther Weisenborn schrieb darüber den ironisch-kritischen "Choral vom weißen Käse", der in der berühmten Roten Revue 1931 in Berlin uraufgeführt wurde, gesungen von Lotte Lenya.
"Bist du ein Mensch, so bist du auch verletzlich"
Unter dem Titel "Wir sind ja sooo zufrieden" bezogen Künstler damals gemeinsam Position gegen die erstarkenden Nationalsozialisten und forderten die unentschiedenen Sozialdemokraten heraus.
"Auf der Bühne standen Helene Weigel, Valeska Gert, Blandine Ebinger, Lotte Lenya, Gerhard Bienert, Ernst Busch, der Utmann-Chor und die Fichte-Sprechchöre. Unter den Autoren waren Brecht, Bernhard von Brentano, Ernst Ottwald, Erich Weinert und Günther Weisenborn. Die Musik stammte von Hanns Eisler, Friedrich Hollaender und Kurt Weill", zählt Carsten Ramm während der Lesung in der Akademie der Künste die beindruckende Reihe der Mitwirkenden auf. Zur Künstler-Creme gehörte damals selbstverständlich auch Günther Weisenborn, ein junger, wilder und ungemein produktiver Autor.
Nerv der Zeit getroffen
1928 hatte er mit "U-Boot S 4" seinen ersten großen Erfolg. Sein pazifistisches Drama traf genau den Nerv der Zeit, die von der Wirtschaftskrise, der schwachen demokratischen Regierung und dem erstarkenden Nationalsozialismus geprägt war. Immer wieder legte Günther Weisenborn sprachmächtig und präzise den Finger auf die brennenden Themen. Zu seiner klaren Haltung fand der Autor, Jahrgang 1902, früh durch Jugenderfahrungen, erklärt Carsten Ramm:
"Die Erlebnisse, die er im Rheinland gemacht hat, das Einfallen der englischen Soldaten, beschreibt er, das Auseinanderfallen einer Gesellschaft, dass auch innerhalb einer Gesellschaft plötzlich ein Gegeneinander anfängt, all das beschreibt er ziemlich präzise."
Und Weisenborn ziehe seine Schlüsse daraus, so Ramm:
"Wir sind eigentlich eine relativ orientierungslose Generation, das kann doch nicht sein, wir müssen doch irgendwo für das Richtige etwas tun. Und das ist die Entscheidung, die er gefällt hat, dass man für ein solidarisches, ein mitmenschliches Miteinander aufstehen und auf die Straße gehen muss."
Erst Rückkehr, dann Widerstand
Zweimal emigrierte der Schriftsteller, einmal nach Argentinien, später, schon während der Nazizeit, nach New York. Beide Male kehrte er zurück, auch nach Hitler-Deutschland, wo seine Bücher bereits 1933 verbrannt worden waren. Aus Not schreibt er unter Pseudonym. 1941 gelingt es ihm, Dramaturg am Schiller-Theater zu werden.
Weisenborn schließt sich dem Widerstandskreis um Harro Schulze-Boysen an und führt ein Doppelleben. 1942 fliegt die später als "Rote Kapelle" bekannte Gruppe auf, viele Mitglieder werden verurteilt und hingerichtet. Weisenborn und seine Frau werden ebenfalls verhaftet, sein Todesurteil in eine Zuchthausstrafe umgewandelt.
1945 entgeht er in letzter Minute der doch noch geplanten Hinrichtung. Über all dies schreibt Günther Weisenborn, er gibt Zeugnis über den Widerstand und ist damit unmittelbar nach dem Krieg sehr erfolgreich. Sein Stück "Die Illegalen" ist neben Wolfgang Borchardts "Draußen vor der Tür" das meistgespielte Theaterstück, und seine 1948 erschienene Autobiographie "Memorial" wird in West- und Ostdeutschland ein Bestseller.
Zunächst in BRD und DDR gemocht
Um Annäherung zwischen Ost und West bemüht, gerät er zwischen die Fronten des Kalten Krieges und wird letztlich von ihnen zerrieben, resümiert Carsten Ramm. Günther Weisenborns gestochen scharfe Texte lesen sich heute jedoch aufrüttelnd aktuell:
"Weisenborn hat für mich eine Vorbildfunktion. Er ist nicht im literarischen Elfenbeinturm steckengeblieben, sondern hat gesagt: Ich muss aktiv werden. Und dieses 'Ich muss aktiv werden' in einer Welt, die ganz anderes mit uns machen will, ist, glaube ich, auch heute von uns gefordert."