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Autoren "riskieren, dass man sie bei ihrer Heimreise verhaftet"

Zum Abschluss der Jahrestagung des deutschen PEN in Ingolstadt hat PEN-Generalsekretär Herbert Wiesner an die Verfolgung von Autoren und Künstlern in autoritären Regimen erinnert. Angesichts des 2012 stattfindenden Jahres der chinesischen Kultur in Deutschland forderte Wiesner die Bundesregierung dazu auf, mehr auf die Einhaltung der Menschenrechte zu pochen.

Herbert Wiesner im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 08.05.2011
    Doris Schäfer-Noske: Seit der Verhaftung des chinesischen Künstlers Ai Weiwei stellen Museen und Galerien weltweit unbeirrt seine Kunstwerke aus. Gestern wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste in Berlin gewählt, und auch bei der Jahrestagung des deutschen Schriftstellerverbandes P.E.N. in Ingolstadt spielte sein Schicksal eine Rolle. Zentrales Thema war nämlich die Verfolgung von Autoren und Künstlern in autoritären Regimen. Frage an Herbert Wiesner, den Generalsekretär des deutschen P.E.N., Herr Wiesner: Wer hat denn auf der Tagung über die Lage in China berichtet?

    Herbert Wiesner: Es gibt ein unabhängiges chinesisches P.E.N.-Zentrum. Die Präsidentin Frau Tienchi Martin-Liao lebt in Köln, war mit einem Herrn Martin, einem deutschen Wissenschaftler, verheiratet, und mit der stehen wir in engem Kontakt. Wir machen ja alle unsere Aktivitäten seit etwa einem halben Jahr in Richtung China mit ihr zusammen. Also das ist jetzt eine Kooperation. Es war auch hier der Präsident des weißrussischen P.E.N. und es war hier der Präsident des deutschsprachigen schweizerischen P.E.N., also wir versuchen so eine internationale Verknüpfung.

    Schäfer-Noske: Seit der Verhaftung Ai Weiweis gibt es ja weltweit Solidaritätsaktionen. Die chinesische Führung hat sich allerdings eine Einmischung des Auslandes verbeten. Was können denn solche Aktionen, womöglich auch Resolutionen in China überhaupt bewirken?

    Wiesner: Wir haben in diesem Falle keine Resolution an die Adresse der Volksrepublik geschickt, sondern ich habe einen Brief an unsere Bundeskanzlerin geschrieben. Es steht uns ins Haus für 2012 ein ganzes Jahr der chinesischen Kultur in Deutschland, und uns erscheint dies sehr gefährlich, denn da werden wir wieder das erleben, was wir schon so häufig erlebt haben, dass es Reisebeschränkungen gibt, dass dieser nicht kommen darf, jener nicht hinreisen darf, siehe Tilman Spengler, siehe in umgekehrter Richtung Liao Yiwu, und wir haben nicht gesagt, dass wir kein chinesisches Kulturjahr in Deutschland wollen, aber wir sind doch sehr dafür, dies noch mal ganz genau abzuklopfen, ob denn hierbei eine Wahrung der bürgerlichen Rechte und der Menschenrechte gewährleistet ist.

    Schäfer-Noske: Sie haben Weißrussland schon angesprochen, es ging ja auch noch um den Iran und um die Türkei. Wie unterscheidet sich denn die Lage in diesen drei Ländern aus Sicht der Autoren?

    Wiesner: In Weißrussland fühlen sich die Intellektuellen und die Autoren natürlich sehr unterdrückt, sie sind es ja auch. Aber sie sind auch so mutig inzwischen, so verzweifelt mutig, dass sie hier zum Beispiel ganz offen sprechen und es riskieren, dass man sie bei ihrer Heimreise verhaftet. Das muss man ja immer im Kopf behalten, welche Risiken die eingehen. In der Türkei ist es so, dass ja nun Nevin Berktas, das ist die Frau, die über 20 Jahre unter furchtbaren Bedingungen in Haft gesessen hat, nun freigelassen wurde, und sie war hier in Ingolstadt und hat uns berichtet. Und der andere Fall ist die Soziologin und Schriftstellerin Pinar Selek, die ja nun unsere Stipendiatin ist – wir haben ja diese sechs Stipendien für Flüchtlinge aus allen möglichen Ländern –, Pinar Selek lebt in Berlin und sie hat uns berichtet davon, dass ihr Freispruch erneut bestätigt ist, aber das Kassationsgericht behält sich vor, wiederum das Verfahren zu verlängern, was also ganz furchtbar ist. Über den Iran, da haben wir ja jetzt eine direkte Bezugsperson, das ist unsere Stipendiatin in Nürnberg, das ist eine Frauenrechtlerin und die hat einen recht ergreifenden Vortrag über den Kampf der Frauen um ihre Menschenrechte, um ihre Freiheit gehalten.

    Schäfer-Noske: Sind denn solche Stipendien auch eine Möglichkeit, um Autoren zu schützen vor autoritären Regimen?

    Wiesner: Nein, wir können nur über diplomatische Kanäle versuchen, diese Personen aus diesen Ländern herauszuholen und in Sicherheit zu bringen. Wir können natürlich nicht zum Beispiel in Libyen jemanden schützen, wie sollen wir das machen? Aber wir haben eine Resolution verabschiedet, in der wir die Öffentlichkeit bitten, doch zunächst einfach nur mal zur Kenntnis zu nehmen, dass ein berberisch-libyscher Dichter verschleppt und gefoltert wurde, und dass das offizielle Gaddafi-Fernsehen, sage ich mal, von diesen Folterszenen sogar Aufnahmen gesendet hat, die sozusagen ermuntern, so mit den Gegnern des Regimes umzugehen. Also das ist schon mehr als zynisch.

    Schäfer-Noske: In Ingolstadt hat sich der deutsche P.E.N. zu seiner Jahrestagung getroffen. Das war ein Gespräch mit dem P.E.N.-Generalsekretär Herbert Wiesner.