Freitag, 19. April 2024

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Autorin Maren Gottschalk
"Biografien sind wie Verwandten-Besuche"

Das Schreiben einer Biografie sei wie ein Treffen mit Verwandten, sagte die Journalistin Gottschalk im Dlf: "Man interessiert sich für sie, man lernt sie sehr gut kennen, man findet bewunderungswürdige Dinge, aber auch Sachen, die einen nerven, die man aber hinnehmen muss."

Maren Gottschalk im Gespräch mit Ute Wegmann | 11.11.2017
    Eine Frau schreibt mit einem Kugelschreiber auf ein Blatt Papier.
    Oft müsse sie monatelang recherchieren, bevor sie mit dem Schreiben beginne, erzählte die Biografin Maren Gottschalk im Dlf (imago / Westend61)
    Ute Wegmann: "Erzähltes Leben" heißt eine Reihe, die der Verlag Beltz & Gelberg 1983 ins Leben rief. Es handelt sich um Biografien bedeutender Persönlichkeiten aus der Politik oder Kultur. Hannah Arendt ist dort vertreten, ebenso Franz Kafka, Ulrike Meinhof, Albert Einstein, Martin Luther und Erich Kästner.
    Auch die Journalistin und promovierte Historikerin Maren Gottschalk hat in dieser Reihe veröffentlicht und sich im Laufe der letzten Jahre mit sehr unterschiedlichen Menschen beschäftigt. Neben den SchriftstellerInnen Astrid Lindgren und Pablo Neruda, und den KünstlerInnen Frida Kahlo und Andy Warhol schrieb sie auch die Lebensgeschichte Nelson Mandelas und Sophie Scholls.
    Angefangen hat alles mit einem Sammelband "Der geschärfte Blick. Sieben Journalistinnen und ihre Lebensgeschichte" im Jahr 2001.
    Zeitchronologisch aufgeführt beginnen Sie mit Janet Flanner, über Marion Gräfin Dönhoff und Ruth Weiss und enden bei Alice Schwarzer. Später entstand ein Sammelband über Königinnen.
    Liegt Ihr Interesse mehr bei den Frauen als bei den Männern?
    Gottschalk: Das ist ein Zufall, weil mein erster Auftrag bei Beltz war, über die Journalistinnen zu schreiben, weil ich als unbekannte Journalistinnen in einem Adressverzeichnis als Spezialgebiet "Frauenporträts" angegeben hatte. Und deswegen hat man mich gefragt. Mein Interesse ist natürlich bei den Frauen, denn da gibt es noch so viel zu erforschen oder neu zu erzählen, aber ich interessiere mich als Historikerin und Journalistin genauso für Männer.
    "Für Andy Warhol habe ich schwer gekämpft"
    Wegmann: Nun haben Sie eben gesagt, Sie sind gefragt worden. Werden Sie immer gefragt oder Kriterien, nach denen Sie selber eine Person auswählen, der sie sich widmen wollen?
    Gottschalk: Das war unterschiedlich. Ich wurde wegen Astrid Lindgren gefragt, habe aber selber das Thema Nelson Mandela vorgeschlagen. Sophie Scholl kam vom Verlag, und für Andy Warhol habe ich schwer gekämpft, dass der Verlag es umsetzt.
    Wegmann: Sie sind 1962 geboren, studierten Geschichte und Politik in München und leben jetzt in Leverkusen. Sie schreiben, Sie arbeiten für den WDR in der Zeitzeichen Redaktion. Was sind Sie mehr: Journalistin, Historikerin oder Autorin?
    Gottschalk: Also, ich bin alles gleichzeitig, gedrittelt, die Schichten liegen übereinander. Es ist mir sehr wichtig als Journalistin, den Menschen klar zu machen, was an der Geschichte für uns heute wichtig ist, den aktuellen Bezug herzustellen. Es ist mir als Autorin wichtig, schön zu erzählen, spannend zu erzählen.
    Als Historikerin ist mir wichtig, dass alles sehr korrekt, gegebenenfalls mit Fußnoten, angegeben ist. Und diese Mischung hinzukriegen, ist eine glücklich machende Aufgabe.
    Wegmann: War das ein oder andere Zeitzeichen eine vorbereitende Kurzform für eine Biografie?
    Gottschalk: Muss ich drüber nachdenke. Eher umgekehrt. Ich hab mal ein Zeitzeichen über eine Person gemacht, über die ich ein Buch gemacht habe. Wobei ich gar nicht gerne Zweitverwertungen mache. Wenn ich ein Buch geschrieben habe, sät es nicht einfach darüber ein 15-minütiges Zeitzeichen zu machen, denn ich weiß dann viel zu viel. Aber wenn das Buch eine Zeit zurück liegt, dann geht das wieder.
    "Ich beginne erstmal, alles zu lesen"
    Wegmann: Biografisches Schreiben beginnt zwangsläufig mit Recherche. Bereits erschienene Bücher, Artikel, Zeitungsinterviews, falls möglich Zeitzeugen. Wie gehen Sie vor? Wie arbeiten Sie sich heran?
    Gottschalk: Ich beginne erstmal alles zu lesen, was es so gibt über die Person. Von der Person. Es ist mir wichtig, zuerst die Quellen zu lesen und dann erst die anderen Biografien. Damit ich eigene Eindrücke entwickeln kann. Dann muss ich vom Schreibtisch weg, muss Orte sehen, die mit den Personen zu tun haben. Orte, wo sie gelebt haben, gespielt haben. Häuser. Menschen, die die Personen gekannt haben. Dazu gehört auch immer das sinnliche Wahrnehmen.
    In Mexiko das mexikanische Licht, das Essen, die aztekischen Tempel. Bei Lindgren war ich in Smaland in den Wäldern, in denen Ronja Räubertochter vielleicht rumgetobt ist. Ich versuche das Land, mit allem in mich aufzunehmen. Eine wichtige Inspirationsquelle für mich.
    "Drei Jahre braucht es schon"
    Wegmann: Das klingt nach sehr viel Aufwand. Vor allem durch die Reisen. Wie lange arbeiten Sie an einer Biografie. Sie haben ja alle den Umfang von ca. 200-250 Seiten?
    Gottschalk: Also, das ist nicht einfach zu sagen, ich mache ja parallel meine anderen Arbeiten und Lesereisen, dadurch zieht sich das natürlich länger hin. Ungefähr ein Jahr recherchiere ich, dann schreibe ich ein Jahr, und dann geht es ins Lektorat und hin und her. Drei Jahre braucht es schon.
    Wegmann: Sie haben über Astrid Lindgren und Sophie Scholl geschrieben, über die schon sehr viel publiziert wurde. Wie unterscheiden sich Ihre Lindgren und Scholl Biografien von den vorangegangenen?
    Gottschalk: Bei Lindgren ist das einfach: Mir sind ein paar Familiengeheimnisse bei meiner Recherche in den Schoß gefallen, die zwar einige Leute wussten, die aber niemand ausgesprochen hat, solange sie noch lebte.
    Nun schrieb ich das Buch, als sie schon tot war, und ich fand es wichtig, diese Dinge auch zu nennen, durchaus mit Respekt und nicht sensationslüstern ausgeschlachtet. Aber ich konnte dann beobachten, beim 100. Geburtstag, als ich viel bei Podiumsdiskussionen saß, dass BiografInnen immer noch die Dinge ansprechen wollten, die ich genannt hatte. Insofern war ich die Erste. Jetzt werden die Tagebücher veröffentlicht, aber trotzdem merkt man durchaus den Versuch, zurückzugehen zu dem heilen Lindgren-Bild. Das ist noch nicht akzeptiert, dass man auch auf die dunklen Seiten dieses Lebens guckt.
    "Es hat mich gewundert, dass das vorher niemand gemacht hat"
    Die schwedische Kinderbuch-Autorin Astrid Lindgren in ihrem Landhaus in Furusund in Schweden im Sommer 1987.
    Das Leben von Astrid Lindgren war nicht immer so idyllisch, wie das Leben ihrer Figuren in ihren Büchern. (picture alliance / dpa / Jörg Schmitt)
    Wegmann: Haben Sie das in den Quellen entdeckt oder durch Zeitzeugen erfahren?
    Gottschalk: Das kam durch Zeitzeugen, die waren auch ganz froh, hatte ich den Eindruck, die Geschichten mal zu erzählen, das Schweigegelübde hat ja lange gehalten und ist auch eine Belastung für die Menschen. Und aus den Quellen konnte man ein paar Ungereimtheiten herausfiltern und das hat mich gewundert, dass das niemand vorher gemacht hat. Zeitliche Lücken, der Altersunterschied zwischen ihren Kindern usw. An den Quellen merkte man, hier wird etwas zugedeckt.
    Wegmann: Es ging bei alle dem vor allem um ihren Sohn.
    Gottschalk: Ja, es ging um den unehelichen Sohn, darum, dass er in einer Pflegefamilie war, nicht die Bullerbü-Kindheit hatte, die Tochter Karin hat das alles offen gesagt. Es ging um ihren Mann Sture, der sie betrogen hat. Es ging um den Alkoholismustod des Vaters und des Sohnes. Diese Geschichten machen Lindgren kein Stück kleiner, aber helfen zu verstehen, wie ihre Leben war, was sich ja auch in ihrer Literatur teilweise wiederspiegelt.
    "Diese kleinen historischen Verortungen sind das Allerschwierigste"
    Wegmann: Man findet in all Ihren Büchern eine starke historische Verortung. Ist das Ihr Ansatz, der Ansatz der Historikerin, den Menschen aus seiner Zeit heraus, in seiner Zeit vorzustellen?
    Gottschalk: Ja, anders geht es gar nicht. Wenn man Nelson Mandela verstehen will, muss man wissen, wann war die Apartheid? Wie ist das entstanden? Wann sind überhaupt die Weißen nach Südafrika gekommen? Das ist für alle Leser, ob junge oder erwachsene, immer wichtig, zu sehen, in welchem zeitlichen Rahmen bewegt sich die Figur. Das darf nicht zu weit wegführen, auch wenn ich manchmal denke, da könnte ich jetzt noch 20 Seiten drüber schreiben.
    Aber es geht ja darum, das so knapp und kurz zu erzählen, dass man das einordnen kann und dann wieder zu der Figur zu kommen. Diese kleinen historischen Verortungen sind das Allerschwierigste in den Büchern.
    "Es wäre schön, man hätte mehr Bilder"
    Wegmann: Sie haben eben schon erwähnt, Sie waren in Mexiko. "Die Farben meiner Seele" heißt die Lebensgeschichte der großen mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo, bekannt durch ihre farbenprächtigen Selbstporträts. "Factory Man" heißt die Biografie über Andy Warhol, einem der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Popart-Bewegung.
    In beiden Biografien wird doch recht spärlich nur Bildmaterial verwandt. Bei Frida Kahlo fatalerweise findet man nur schwarz-weiße Bilder. Kann die Lebensgeschichte eines bildenden Künstlers, der so stark mit Farben gearbeitet hat, ohne umfassendes Werkmaterial transparent gemacht werden?
    Gottschalk: Das glaube ich schon. Das ist heutzutage kein Problem. Alle Bilder hätte man sowieso nicht zeigen können. Wenn man jetzt ein Bild anschauen will, klappt man Laptop oder Smartphone auf und schaut sich das Bild an. So mache ich das bei Musikerbiografien, da höre ich mir das auf YouTube an. Es wäre schön, man hätte mehr Bilder, aber das ist heute kein Problem mehr, weil man sich im Netz alles anschauen kann.
    Wegmann: Ist das denn eine Sparmaßnahme des Verlags oder auch Ihre Entscheidung?
    Gottschalk: Nein, das ist eine Geldfrage. Wenn e s nach mir ginge, hätte ich viel mehr Bilder hineingepackt, auch bei Andy Warhol viele kleine Vignetten. Ich würde da ganz schwelgerisch Bilder einbauen, wenn es sich finanziell machen ließe.
    Wegmann: Wir hören an dieser Stelle einen Auszug aus: "Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol." Maren Gottschalk ist heute Gast im Büchermarkt.
    Gottschalk: In meinem Warhol-Buch habe ich zwischen jedem Kapitel ein "Blitzlicht", da beleuchte ich immer eine Arbeit, eine spezielle Situation im Leben.
    "Die Bücher sind All-age-Bücher"
    Wegmann: Die Historikerin und Journalistin Maren Gottschalk schrieb die Lebensgeschichte des Popart-Künstlers Andy Warhol. Diese Reihe bei Beltz & Gelberg ist angelegt für junge Leser.
    Schreiben Sie für Jugendliche anders als für Erwachsene?
    Gottschalk: Nein, die Bücher sind All-age-Bücher. Sie richten sich an junge ebenso wie an erwachsene Leser, in meinen Lesungen sitzen auch Junge und Erwachsene. Und der Tonfall ist kein anderer. Das Einzige, was ich mir überlege, für Jugendliche, wie viel historischen Hintergrund kann ich voraussetzen. Die Erwachsenen, das merke ich, sind sehr glücklich über die historischen Einordnungen und sagen keineswegs, das hat mich gelangweilt.
    Insofern ist es wichtig, das Leben zu erzählen, dass es Spaß macht, dass man es so runterlesen kann, dass natürlich alle wichtigen Namen auftauchen, man aber nicht immer wieder auf neue Namen stößt, und dass auch Fußnoten drin sind, dass man Zitate nachverfolgen kann. Es soll auf jeden Fall eine lesbare Biografie sein, die Spaß macht zu lesen.
    "Verehren muss man die Person gar nicht"
    Wegmann: Man ist ja doch lange mit einer Person beschäftigt. Muss man einen Menschen oder seine Kunst oder sein Handeln sehr verehren, um sich einer solchen intensiven Auseinandersetzung auszusetzen?
    Gottschalk: Verehren muss man die Person gar nicht als Biografin, denke ich. Man soll sich für sie interessieren. Es ist ein bisschen wie mit Verwandten: Man interessiert sich für sie, man lernt sie sehr gut kennen, man findet bewunderungswürdige Dinge, aber auch Sachen, die einen nerven, die man aber hinnehmen muss. Man muss sich immer wieder an die Person heranwagen.
    "Mit Wertungen muss man sicherlich sehr dosiert umgehen"
    Wegmann: Sie bemühen sich natürlich um Sachlichkeit und Objektivität. Und dennoch rutschen hin und wieder Wertungen in die Sätze: So heißt es über den jungen Neruda: "Dort (im ersten eigenen Zimmer) genießt er seine Freiheit und bleibt halbe Tage faul im Bett liegen." (S.30)
    Oder ein paar Zeilen weiter: "Die chaotischen Lebenskünstler spielen leidenschaftlich Billard ..."
    Wie viel persönliche Wertung und Stellungnahme verträgt eine Biografie?
    Gottschalk: Damit muss man sicherlich sehr dosiert umgehen. Für mich ist es wichtig, dass ich über weite Strecken als Biografin zurücktrete, dass der Leser vergisst, dass es mich gibt, damit er selber das Gefühl hat, er lernt diese Person kennen, liest ihre Gedanken. Aber zwischendurch, denke ich, darf und muss ich zeigen, dass ich mich engagiere, dass ich bei einer bestimmten Frage anderer Meinung bin als andere BiografInnen, dass ich auch rätsele über Sachverhalte. Also ich darf zwischendurch sichtbar, auch mit meiner Meinung, aber nur dosiert, sodass ich den Lesern nicht verstelle, selber einen Zugang zu der Person zu finden.
    "Es gibt schon eine Menge Überraschungen"
    Der amerikanische Künstler und Underground-Filmer Andy Warhol hält sich zur Premiere seines neuen Films "Trash" am 17.02.1971 in München auf.
    Andy Warhol in München 1971 (dpa)
    Wegmann: Hin und wieder sind Sie auch ein Stück weit wie Kolumbus unterwegs. Gab es für Sie mal eine richtig große Überraschung?
    Gottschalk: Es gab immer wieder Überraschungen, bei allen Büchern. Bei Andy Warhol war ich vor allem überrascht, dass er Vater werden wollte gegen Ende seines Lebens, das hat mir der Archivar in Pittsburgh, das stand auch nirgends.
    Ich war auch von seiner Ernsthaftigkeit überrascht, wie er seine Arbeit betrieben hat. Man hatte ja immer das Gefühl, es war alles locker, aber das war nur die Show. Er war ein ganz emsiger, getriebener Mensch, der seine Arbeit extrem ernst genommen hat.
    Wenn man sich ganz ernsthaft auf die Suche nach der Person begibt, den Heldenmythos mal verlässt, auch bei Sophie Scholl, wenn man das Ikonenhafte, was wir oft um die Menschen herumbauen, hinter sich lässt, dann entdeckt man natürlich auch wie bei Sophie Scholl, eine komplizierte Persönlichkeit, ganz viel Selbstquälerisches. Insofern gibt es schon eine Menge Überraschungen.
    Wegmann: Was war die beeindruckendste Reise?
    Gottschalk: Das war sicherlich Mexiko. Oder Mexiko und Chile. Die beiden Reisen waren sicherlich ähnlich exotisch für eine Europäerin. Weil die ganze Welt, die Frida Kahlo ausgemacht hat, die Verbindung zwischen der politischen Haltung und den alten indigenen Bräuchen und Kulturen, das ist so stark zu spüren in dem Land, das kann man von hier aus auch gar nicht schreiben, ohne dort gewesen zu sein.
    "Gezweifelt, ob ich das Buch überhaupt schreiben kann"
    Wegmann: Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, seine Lebensgeschichte erscheint im März 2018. Sie führen uns damit in ein Mainz um 1400. Wie schwierig ist es, über jemanden zu schreiben, von dem so gut wie nichts bekannt ist. Nicht mal sein genaues Geburtsdatum?
    Gottschalk: Ja, das war tatsächlich die größte Herausforderung in meinem Historikerinnen-Dasein, weil wir so wenig über ihn wissen, aber so viel über ihn wissen wollen. Ich hab am Anfang gezweifelt, ob ich das Buch überhaupt schreiben kann. Aber es ist tatsächlich so, seine Erfindung ist so phantastisch, so weltverändernd, so unglaublich genial, dass das trägt, und es hat auch mein Interesse getragen. Man muss dann schon auch Theorien aufstellen, natürlich nicht zu viel Phantasien. Das war eine besondere Balance, sich in der Zeit auszukennen, zu gucken, was ist plausibel, und auf die wenigen historischen Quellen, die wir haben, zurückzugreifen.
    Wegmann: Welche Quellen gibt es denn überhaupt?
    Gottschalk: Das sind hauptsächlich Rechtstreitigkeiten, das hat Historiker früher dazu gebracht, zu sagen, der war ein Streithammel, der hat sich mit allen angelegt. Das ist natürlich Unsinn. Solche Quellen sind nur besonders oft erhalten, weil sie in Archiven lagern. Urkunden meist. Persönliche Aufzeichnungen und Briefe schrieb man in dieser Zeit nicht, insofern gibt es auch gar nichts mehr zu entdecken.
    Die wichtigste Quelle ist diese Erfindung. Und das, was er als Unternehmer davor schon erfunden hat. Er hat ja Pilgerspiegel verkauft. Und insofern ist er eine ganz spannende Figur. Man kann ihn tatsächlich auch entdecken.
    Wegmann: Was sind Pilgerspiegel?
    Gottschalk: Pilgerspiegel sind kleine Anstecknadeln, Souvenirs, die man angesteckt hat, wenn man sich Heiligtümer hat zeigen lassen. In Aachen zum Beispiel. Gutenberg hat einen Pilgerspiegel erfunden, hat noch eine kleine metallene Scheibe eingelegt, die hat bei der Besichtigung des Heiligtums die heilige Aura aufgenommen, um davon zu Hause noch weiter zu zehren. Das war im Mittelalter eine beliebte Methode, um sich das Heil in den Alltag zu holen.
    "Die Queen würde mich reizen"
    Wegmann: Wenn Sie die WAHL hätten, wen würden Sie gerne aus der Jetztzeit porträtieren?
    Gottschalk: Das ist eine schwierige Frage, darüber muss ich kurz nachdenken. Ich glaube, Anthony McCarten, den Schriftsteller, der ist zwar noch zu jung und lebt noch, aber ich finde ihn einen der spannendsten Autoren, die es gibt, und ich lese seine Bücher sehr gerne. Und die Queen würde mich interessieren, obwohl es über sie natürlich schon unheimlich viel gibt. Elisabeth, die Zweite. Doch, die Queen würde mich reizen.
    Wegmann: Dann hoffen wir, Beltz & Gelberg kommt irgendwann auf Sie zu.
    Alle Angaben zu den Büchern und das gesamte Gespräch können Sie auch im Internet nachlesen unter Deutschlandfunk. de
    Die Historikerin und Journalistin Maren Gottschalk war heute Gast im Büchermarkt.
    Vielen Dank für das Gespräch.
    Wir sprachen über:

    "Der geschärfte Blick. Sieben Journalistinnen und ihre Lebensgeschichte", 353 Seiten

    "Jenseits von Bullerbü. Die Lebensgeschichte von Astrid Lindgren", 212 Seiten

    "Die Farben meiner Seele. Die Lebensgeschichte der Frida Kahlo", 221 Seiten

    "Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol", 251 Seiten
    Alle Bücher sind im Verlag Beltz & Gelberg erschienen.
    Es brennt das Leben. Die Lebensgeschichte des Pablo Neruda, 190 Seiten, Kitab-Verlag
    Alle bibliografischen Angaben finden unter www.deutschlandfunk.de. Dort kann man die Sendung auch noch einmal anhören.