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Ayad Akhtars "Junk" in Hamburg
Aus Schulden wird Geld

Was passiert, wenn ein Stahlmagnat kein Geld mehr verdient und auch der Wechsel in die Pharmasparte keine Gewinne bringt? Dann kommt es zur feindlichen Übernahme. "Junk" am Hamburger Schauspielhaus taucht in die Welt des gar nicht wunderbaren Großkapitals ein - und bleibt leider nur an der Oberfläche.

Von Michael Laages | 16.04.2018
    Der Schauspieler Samuel Weiss sitzt im Schneidersitz auf einer dunklen Bühne im bei der deutschsprachigen Erstaufführung von Ayad Akthars "Junk" am 15.04.2018 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg.
    Der Schauspieler Samuel Weiss bei der deutschsprachigen Erstaufführung von Ayad Akthars "Junk" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, April 2018 (imago stock&people)
    Er gehört zu den wichtigsten amerikanischen Dramatikern der Gegenwart – Ayad Akhtar, Sohn pakistanischer Eltern und in New York groß geworden; seit "Geächtet", in deutscher Sprache erstaufgeführt vor gerade mal zwei Jahren, können sich die Bühnen hierzulande verlassen auf genau fokussierte dramatische Analysen der brennenden Themen der Zeit, wenn "der neue Akhtar" auf dem Spielplan steht. Jetzt trägt "der neue Akhtar" den Titel "Junk", und tatsächlich ist die Rede von Ramsch, von Müll – und der zentralen Rolle, die der vor geraumer Zeit zu spielen begann in der US-amerikanischen Wirtschaft. "Junk Bonds", Ramsch-Anleihen, analysiert Akhtar als Vorform der "junk politics" von heute; und des Präsidenten, der sie beispielhaft abschreckend verkörpert.
    Robert, Bob, Merkin, die zentral handelnde Figur in "Junk", hat ein gut erkennbares Vorbild in der Wirklichkeit.Ob zum Beispiel eine altmodische Stahlfirma noch Geld verdient mit dem ursprünglichen Produkt oder ob sie sich längst so weit auf fremdes Terrain vorgewagt hat, dass die ursprüngliche Geschäftsidee zum Klotz am Bein zu verkommen droht, und was all das für die Beschäftigten bedeutet – all das interessiert den Aktionär, den "Shareholder", tendenziell eher nicht. Er will nur wissen, wie groß die Rendite ist, die der eigene Anteil abwirft. Egal wie und mit welchen Mitteln.
    Die Charaktere gleichen Karikaturen
    Die Firma, die Ayad Akhtar entworfen hat für "Junk", dieses Schlachtengemälde wie für den Wirtschaftsteil der Zeitung, produzierte ehedem Stahl; und nur Stahl. Schon der Vater des Patriarchen Thomas Everson hatte allerdings begonnen, die Produktpalette zu erweitern; und seinerseits in die Pharma-Produktion investiert. Dort macht Everson nun Gewinn, beim Stahl nur Verlust. Befeuert vom Geld-Jongleur Merkin,wird Everson zum Ziel einer "feindlichen Übernahme" durch die Firma von Israel Peterman. Die interessiert sich weder für Stahl noch für Medikamente; Peterman hat Geld verdient in der Unterhaltungsindustrie. Und mit Bowlingkugeln.
    Akhtar, der mal mitgespielt hat in einem Film über solch miese Geschäft, verwendet viel Energie auf die möglichst detailgetreue Abbildung des kompletten Prozesses; und legt damit den Kern, die Spur des Scheiterns. Denn ziemlich bald spielt das Theater nicht mehr mit - sobald nämlich nur noch schwer erträgliche Karikaturen die Szene bevölkern. Speziell das Personal rund um den Finanz-Gangster Merkin spottet jeder Beschreibung – wahrscheinlich schon im Text, erst recht aber in Glogers Inszenierung, die diese Spiel-Hüllen fatalerweise, und ziemlich verzweifelt, aufzumöbeln versucht auf Deubelkommraus.
    Maskuline Leistungsschau
    Ähnliches gilt aber auch bei den vielen Anwalt-Partien für Angriff und Verteidigung, erst recht bei den Frauen, fahrigen Einsprengseln in diesem durchweg maskulinen Tableau: etwa der Bilanz-Strategin hinter Merkin oder der Journalistin, die am Enthüllungsbuch über die Affäre arbeitet und sich zum bösen Ende schmieren, besser: kaufen lässt von Merkins Anwälten. Keiner also, der nicht auf irgendeine Art verkommen wäre – in einem verkommenen Land. Aber: "This is not America" lässt Gloger David Bowie singen.
    Gloger gibt der Story zunächst viel Tempo – wenn alle in Reihe auf der Bühne sitzen und per Licht-Segment zu handelnden Figuren werden. Recht lange geht das gut. Nicht auszudenken, wenn die Regie es bei diesem Bild belassen hätte – aber dann wird offen vor Marie Roths bühnenfüllender Wand gespielt, die später nach hinten umkippen kann; allerdings nur, damit Alt-Unternehmer Everson von ihr hinten in den Tod springen kann. Und die Manuskriptseiten der Enthüllerin flattern schließlich von dieser Wand herab … sehr schön. Aber da ist auch die Fabel längst zerflattert, außerhalb der strengen Form vom Beginn und im Gewimmel der teilweise ziemlich belanglosen Figuren, die, nebenbei bemerkt, auch ziemlich viel Gefälle im Schauspielhaus-Ensemble sichtbar werden lassen.
    Wirtschaft als Bühnenstoff
    Nur Samuel Weiss als aasiger Merkin und Ernst Stötzner als wunderbar weltfremder Alt-Unternehmer Everson bleiben in Erinnerung; schon kaum noch Götz Schubert als "Weißer Ritter" also möglicher Retter für die Stahlfirma, dem Akhtar perfiderweise den offenen Rassismus des aktuellen Amerika in den Mund legt. Ganz schwer tut sich das Stück darüber hinaus mit den betont jüdischen Charakteren des Stückes …
    Taugt also Wirtschaft im Grunde nicht für die Bühne? Gemach - immerhin gibt es Vorbilder von Belang: "Hanglage Meerblick" von David Mamet, das Stück, das witzigerweise da anfängt, wo Akhtar jetzt aufhört: am Beginn der Immobilienkrise, die die Welt 2008 fast lahm legte. Oder "In the Company of men", die "Männergesellschaft" von Edward Bond – das aber sind Theatertexte, die gerade einen "Fall" bebildern wollen, wie beispielhaft auch immer das gemeint sein mag für all den "Junk", den politischen Müll, der derzeit in Amerika regiert. So sonderbar das klingen mag – Akhtar wollte in die Tiefe gehen und blieb doch nur an der Oberfläche.