Freitag, 29. März 2024

Archiv


Babies kommen immer größer und dicker zur Welt

Babys, so will es ein Vorurteil, sollen möglichst groß und kräftig sein, und deswegen lautet eine der ersten Fragen bei einem neu geborenen Erdenbürger auch meist: Wie groß, wie schwer? Inzwischen scheinen Babys aber so groß und so dick zu werden, dass es für die gebärenden Mütter zu einem Problem wird.

Von William Vorsatz | 26.09.2006
    Bei seiner Geburt hatte die Mutter richtig kämpfen: Denn Elias ist ein Wonneproppen. Damit liegt er voll im Trend. Noch vor zwei Jahrzehnten kamen Kinder im Schnitt mit dreieinhalb Kilogramm zur Welt. Jetzt wiegen sie bei der Geburt rund vier Kilo. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Professor Klaus Vetter, erinnert sich:

    " Als meine Kinder geboren wurden, das war vor etwa 30 Jahren, da rechnete man mit 50 cm Länge, heute gehen wir gut auf die 52 zu. Das ist aber nur der Mittelwert. Worum es hier aber geht, dass es so einen richtigen Cluster gibt, eine Gruppe, die wirklich groß sind. Und um die geht es, dass die Probleme darstellen. "

    Wie groß und wie schwer das Ungeborene ist, hängt wesentlich davon ab, wie viel Zucker die Mutter aufnimmt. Vor allem als raffinierter Zucker, wie er zum Süßen benutzt wird. Aber auch andere Formen wie Fruchtzucker und Kohlenhydrate zählen bei der Zuckerbilanz mit. Wenn die Mutter zu wenig Zucker bekommt, schadet das dem werdenden Kind kaum. Es holt sich die benötigte Menge immer noch, auch wenn die Mutter unterernährt ist. Selbst wenn sie hungert, ist das Baby kaum kleiner. Anders reagiert das Ungeborene jedoch auf ein Überangebot. Es kann sich dagegen nicht wehren und lagert die überschüssige Menge Zucker ein. Zunächst in der Leber, und dann, umgewandelt, in den Fettdepots des Körpers. Das Baby wird dicker. Es passiert jedoch noch mehr:

    "Der Stoff, der dafür sorgt, dass die Glukose oder der Zucker aufgenommen wird, ist das Insulin. Das Hormon der Bauchspeicheldrüse, dieses Insulin, sorgt dafür, dass der Zucker aus der Blutbahn in die Zellen kommt. Andererseits hat dieses Insulin eine andere Funktion. Es ist eigentlich das stärkste Wachstumshormon, das wir haben. Wir können das in der Gebärmutter recht gut beobachten, die Kinder sind dann nicht nur dick, sondern übermaßig. Wir nennen das makrosom, also übermäßig groß gewachsen."

    Bei der Geburt sind dann vor allem die zu breiten Schultern problematisch. Schon ein Zentimeter mehr kann dazu führen, dass das Kind im Geburtskanal stecken bleibt. Außerdem kommt es wegen der Übermaße oft zu Geweberissen im Unterleib der Gebärenden oder zu Überdehnungen mit dauerhaften Schäden, wie zum Beispiel späterer Inkontinenz. Wenn die Gynäkologen sich heute für einen Kaiserschnitt entscheiden, dann meist wegen der Übermaße des Nachwuchses.

    Sollte schon die Mutter zuviel wiegen, riskiert sie außerdem einen Schwangerschaftsdiabetes. Das Ungeborene ist dann besonders starken Zuckerschüben ausgesetzt:

    " Das Problem bei den diabetischen Kindern ist, dass sie eine andere Körperkomposition haben und damit auch weiniger Beweglichkeit zwischen Kopf und Körper, und damit eher in das Risiko laufen, dass die Anpassungsmechanismen, die im Geburtskanal normalerweise stattfinden, nicht optimiert sind. Wir wissen, dass das sogar bei Kindern mit normalem Gewicht ist, wenn sie die diabetische Körperkomposition haben. Deshalb macht man bei diesen Kindern, wo man dass weiß, extra noch mal Abklärungen und Gespräche, damit man sich dort von mögliche Problemen nicht überraschen lässt."

    Doch nicht nur die Geburt ist bei zu vielen Zentimetern, Kilos und einem ungünstigen Körperbau des Babys problematisch. Professor Vetter warnt: Auch für die spätere Zukunft des Kindes werden die Weichen durch ein Überangebot an Zucker falsch gestellt:

    " Wie wissen, dass in der Gruppe der Kinder, die jetzt übermaßig sind, zum Beispiel mehr Fettzellen angelegt werden und diese Kinder dann mehr Mühe haben als andere, ihr Gewicht zu halten. Sie laufen also vermehrt in ein Problem hinein, das wir heute im Endeffekt als so genanntes metabolisches Syndrom begreifen, das dann eben Fettsucht und Diabetes wieder zur Folge hat und damit auch eine verkürzte Lebensdauer. "

    Schwangere können die Gefahr zu dicker und zu großer Babys minimieren. Indem sie konsequent darauf achten, energiearme Nahrung ohne viel Zucker zu sich zu nehmen. Die alte Regel, nach der Schwangere für zwei essen sollten, ist von der Wissenschaft widerlegt. Aber der Energieüberschuss lässt sich noch weiter abbauen:

    " Wir haben ein Sportprogramm für Schwangere entwickelt, dass sich sehr bewährt, weil man da mit einfachen Mitteln nicht nur an der Ernährung dreht, sondern eben auch am Verbrauch. Und wir haben den Eindruck und auch durch einige Studien nachgewiesen, dass das besser raus kommt, als wenn man das nicht tut."

    Bei Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes macht die zusätzliche Bewegung oft sogar das Spritzen von Insulin überflüssig.