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Bachelor und Baby

Studieren mit Kind das bedeutet: Zwei anspruchsvolle Aufgaben auf einmal meistern. Etwa 123.000 Studierende bundesweit sind davon betroffen. Im Frühjahr 2008 hat das deutsche Studentenwerk den Sonderbericht "Studieren mit Kind” herausgebracht. Ergebnis: Studierende Eltern brechen überdurchschnittlich häufig ihr Studium ab oder brauchen zumindest lange dafür.

Von Conny Raupold | 23.12.2009
    Die Kinder im Kindergarten in der Nähe unterzubringen, am besten direkt auf dem Campus, das bedeutet eine große Entlastung für studierende Eltern. Und es gibt immer mehr dieser Campus-Kitas: Die 58 Studentenwerke in Deutschland bieten inzwischen 6200 Plätze in 194 Kindertagesstätten. Tina Schulz, Studentin aus Wuppertal, hat für ihren fünfjährigen Sohn auch einen Platz im Uni-Kindergarten bekommen. Ohne die Möglichkeit wäre mein Studium eine Katastrophe, sagt sie

    ""Mit ner geregelten Betreuung da hat man was, wo man sein Kind hingeben kann und man hat was, womit man seine Vorlesungszeit planen kann. Betreuung ist das Wichtigste, würd ich sagen.” "

    Die Campus-Kita hat im Vergleich zu anderen, also kommunalen oder konfessionellen Einrichtungen, noch den Vorteil, dass die 25-jährige Studentin hier Kommilitonen trifft, die sich in einer ganz ähnlichen Situation befinden, berichtet Tina Schulz

    ""In ner öffentlichen Kindertagesstätte, da kommen die Eltern halt überall her und der Kontakt fehlt einfach. Wenn man über den Campus läuft, erkennt man ja auch nicht 'Ach, das ist auch ein studierendes Elternteil' und durch den Kindergarten hat man viele Kontakte und kann sich dann auch gegenseitig helfen.” "

    Im vergangenen Jahr hat das deutsche Studentenwerk sechs neue Kitas an deutschen Hochschulen eröffnet. Es tut sich etwas für Studierende mit Kind. Die Nachfrage nach Betreuungsplätzen ist groß, die Warteliste entsprechend lang, erzählt zum Beispiel Gaby Jungnickel von der Beratungsstelle des Kölner Studentenwerks:

    ""Es ist in der Tat so, dass Studierende ihr Kind schon anmelden nach der Geburt, weil sie wissen: ich muss mindestens 1,2 Semester warten, bis ich eine Chance habe, einen Platz zu ergattern.” "

    Bei anderen Uni-Kindergärten sieht es ähnlich aus. Die Nachfrage ist bundesweit mindestens doppelt so groß wie das Angebot - vor allem bei den Plätzen für unter Dreijährige.

    Die flexible, campusnahe Kinderbetreuung ist die zentrale Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Studium und Familie - aber nicht die einzige. Um die Abbrecherquote bei studierenden Eltern zu senken, bieten Studentenwerke inzwischen immer mehr Beratungen zum Thema an. Auch die Ausstattung vieler Hochschulen kommt den Bedürfnissen von Studierenden mit Kindern immer mehr entgegen. Und so fühlt sich Tina Schulz zum Beispiel mittlerweile mit ihrem Nachwuchs auf dem Wuppertaler Uni-Gelände gut aufgehoben

    ""Kinder sind einfach deutlich präsenter auf dem Campus, man sieht sehr viele mit Kinderwagen hier rumlaufen. In der Mensa gibt es Hochstühle, es sind Wickel- und Stillräume ausgeschildert. Klar wird man angeguckt, wenn man mit einem Kind hier rumlauft, aber es ist einfach nicht mehr so wie früher, dass man so vollkommen alleine ist, die Atmospäre ist einfach ganz anders.” "

    Das bestätigen viele studierende Eltern im Gespräch: Die Atmosphäre an den deutschen Hochschulen ist familienfreundlicher geworden. Und genau das habe man sich vielerorts zum Ziel gemacht, sagt der Rektor der Bergischen Uni Wuppertal, Lambert Koch

    ""Es ist sicherlich ein Reputationsmerkmal für eine Hochschule, wenn sie sich da gut darstellen kann, insofern hab ich schon den Eindruck auch im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen der Hochschulleitung, dass die meisten Hochschulen hier schon einiges getan haben” "

    Zum Beispiel haben viele am "Audit familiengerechte Hochschule” teilgenommen. Ziel dieser vom Bundesfamilienministerium geförderten Aktion ist es, aktiv daran zu arbeiten, die Rahmenbedingungen für ein Studium mit Kind zu verbessern (Organisation: "Beruf und Familie GmbH"). 93 Hochschulen beteiligen sich aktuell bundesweit. Sie arbeiten zum Beispiel daran, die Prüfungsregeln für studierende Mütter und Väter zu lockern. Eine flexiblere Studienorganisation ist etwas, das auch Tina Schulz entlasten würde:

    ""Was ein Problem ist ist, dass man in einem Seminar nur zwei Mal fehlen darf. Und wenn man zwei Kinder hat mit Windpocken oder Fieber, da kommt man im Semester locker auf vierFehlstunden..” "

    Deshalb wünscht sich die junge Mutter weniger strenge und verschulte Studienbedingungen. Ob sich diesbezüglich aber tatsächlich etwas ändern wird, ist fraglich. Von Seiten der Hochschulrektorenkonferenz heißt es, das Thema sei der HRK und den Hochschulen bewusst. Man müsste zum Beispiel Seminare in kürzeren Abständen oder parallel anbieten, um für die betroffenen Studierenden maßgeschneiderte Lösungen zu finden. Eine flexiblere Studiengestaltung scheitert aber an zu wenig Lehrpersonal. So bleibt der Wunsch studierender Eltern nach einem weniger streng geregelten Studium vermutlich vorerst unerfüllt.

    Festzuhalten ist: die Rahmenbedingungen für ein Studium mit Kind in Deutschland haben sich in den letzten Jahren verbessert - sie sind aber noch lange nicht zufriedenstellend für studierende Eltern. Wer sich zum Thema beraten lassen will, findet Hilfe bei den Studentenwerken über www.studentenwerke.de