Freitag, 19. April 2024

Archiv

Baden-Württemberg
Elternabend mit der Kultusministerin

Bei „Elternabenden“ können Eltern mit der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann über das Thema Schule sprechen. Die einen beklagen, dass die Kinder zu früh eingeschult werden, andere bemängeln den Schwimmunterricht. Die Erwartungen an die Schule sind ziemlich hoch.

Von Thomas Wagner | 11.04.2019
Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin von Baden-Württemberg, Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Ob Sozialarbeit an Gymnasien, die Abschaffung von Hauptschulen oder Beratung - die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann geht ins Gespräch mit Eltern (dpa / Bernd Weißbrod)
"Mein Sohn war auf dem Gymnasium: Sprachprobleme – und hat den besonderen Förderbedarf festgestellt bekommen. Er hätte eine Stunde Förderunterricht bekommen. Mehr war nicht drin – und das auch nur auf Realschulniveau."
"In den letzten Jahren sind die Stunden für die Inklusionslehrer sukzessive gekürzt worden."
Andere Eltern wollen, dass ihre Töchter und Söhne später eingeschult werden – oder dass im Englischunterricht mehr Konversation und weniger Shakespeare-Interpretation geübt wird. Auf der Bühne: Die baden-württembergische CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann, die zu diesem "Elternabend", ihrem neuen Gesprächsformat, eingeladen hat.
Eher selten widerspricht sie den Eltern, nickt häufig zustimmend – besonders in jenem Moment, als eine Mutter, Mitte 30, vors Mikrofon tritt: "Was in meinen Augen sehr schlecht war: Ihr habt die Hauptschule abgeschafft. Wir haben Kinder, die nicht geeignet sind, auf der Realschule. Meine Tochter geht auf die Realschule. Und da haben sie dann so Hampele, die den Unterricht stören."
Kaum ein anderes Thema bringt die rund 500 Eltern im Saal an diesem Abend so in Fahrt: "Ich will Euch was sagen: Ich war auch eine Hauptschule. Man muss das nicht schlecht schwätze. Jeder muss aufs Gymnasium? Warum?"
Ja, warum eigentlich: Gute Frage, kontert Kultusministerin Susanne Eisenmann: "Also ich teile diese Einschätzung. Es war ein ganz zentraler Fehler vor zehn, zwölf Jahren, der Haupt- und Werkrealschule den Bepper ‚Restschule‘ anzubappen. Das hat die Schule nicht verdient, die Lehrerinnen und Lehrer nicht verdient. Und wir kämpfen um jeden Haupt- und Werkrealschulstandort. Aber viele sind verlorengegangen, weil die Eltern nicht mehr angemeldet haben."
Zu hohe Erwartungen an die Schule nicht erfüllbar
Die Eltern an sich: Sie hegen, das zeigt sich an diesem Abend, nach dem Geschmack der Kultusministerin manchmal hohe, manchmal zu hohe Erwartungen an das, was Schule leisten kann: "An unserer Schule ist tatsächlich Fahrrad ein Thema, weil die Fahrradprüfung findet jetzt nicht statt. Und an der Schule ist es verboten, mit dem Fahrrad zu fahren ohne Prüfung. Das zweite ist Schwimmen: Schwimmen findet auch nicht statt, weil angeblich zu wenig Lehrer da waren."
Jetzt nickt Susanne Eisenmann nicht mehr. Der Gesprächsbeitrag ist für sie ein Reizthema: "Ich habe mich darauf bezogen, dass sich viele wünschen, dass die Schule ein Fach wie ‚Lebenswelt‘ anbietet. Da soll man dann lernen, wie man Versicherungen abschließt, wie man Mietverträge macht. Und da weise ich immer darauf hin, dass ich glaube, dass das Aufgabe des Elternhauses ist, solche Dinge zu vermitteln und nicht Teil eines Bildungskanons sein kann, weil Schule damit irgendwann überfordert wäre."
"Bei uns am Gymnasium ist die Sozialarbeit mehr als ausgelastet. Die Frage ist die Frage der Ressourcen." Eine Frage, die an diesem Abend immer mal wieder gestellt wird. Die Kultusministerin verweist auf neue Lehrerstellen – und darauf, dass manchmal gar keine Bewerber zu bekommen seien.
Kultusministerin denke über Änderungen nach
Immer wieder notiert sie sich die zahlreichen Anregungen und Fragen. "Die Menschen waren froh, dass sie es ansprechen konnten. Es wurde deutlich, dass die Heterogenität in den Schulen die Eltern sehr umtreibt: Immer unterschiedliche Schüler – wie kann man damit umgehen? Und dass aber auch Lehrer deutlich gemacht haben: Es gibt Eltern, die sind sehr schwierig zu erreichen. Die kommen nicht. Die reagieren nicht auf Anrufe. Also es war eine ganze Breite von Themen."
Und ja: Einige Wortmeldungen werde sie durchaus zum Anlass nehmen, um über Änderungen im Schulalltag nachzudenken. "Es ging darum: Wie werden Eltern beraten? Wie geht man auf Eltern zu? Dann sind Themen? Das Thema Schulklassen mit schwieriger Zusammensetzung – und das werden wir natürlich beginnen zu bearbeiten."
Die Frage stellt sich für viele Eltern an diesem Elternabend nur: Wie lange wird das dauern? Andre Zimmermann, Elternbeiratsvorsitzender am Carlo-Schmid-Gymnasium Tübingen: "Die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zum Schluss. Natürlich hofft man definitiv, dass sich etwas ändert und man diese Anregung aufnimmt. Die Mühlen mahlen da langsam – das wissen wir. Meine Befürchtung ist: Manche Anregungen setzen sich vielleicht schneller um – größere Änderungen vielleicht erst nach einer Generation."