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Bäderschließungen
Auf dem Weg ins Nichtschwimmerland

Immer mehr Schwimmbäder müssen schließen, immer mehr Grundschüler sind keine sicheren Schwimmer. Mit den Bädern geht oft auch ein sozialer Treffpunkt verloren. Weil vielen Kommunen das Geld für den teuren Unterhalt fehlt, hat der Bund einen Plan gegen das Bädersterben angekündigt.

Von Vivien Leue | 02.09.2020
Ein verlassenes Schwimmbecken mit Laub zum Saisonende im Herbst
Klamme Kommunen, auch schon vor der Corona-Pandemie: In Deutschland sind mehr und mehr Schwimmbäder von Schließungen bedroht (imago stock&people)
Ein Montagnachmittag im Bürgerbad Hückeswagen im Bergischen Land. Das Schwimmbad ist trotz der coronabedingten Einlassbeschränkungen gut gefüllt. Im Spielbereich mit Rutsche und Spritz-Krokodil toben sich mehrere Kleinkinder aus, zwei Mütter halten ihre Babys ins warme Wasser. Daneben ziehen im 25-Meter-Becken Schwimmer ihre Runden. Auf dem Ein-Meter-Brett am Fuß des Beckens steht ein etwa sechsjähriger Junge in blauer Badehose.
"So, Nico…"
Schwimmlehrerin Marion Grutz winkt ihm vom Beckenrand zu.
"Spring mal, Nico!"
Der Junge nimmt all' seinen Mut zusammen, kneift die Augen zu und springt.
"Schwimmen, schwimmen."
Nico schwimmt an den Beckenrand - ganz ohne Hilfe. Andere Kinder springen hinterher, zum Teil mit einer Schwimmnudel, die ihnen noch etwas Auftrieb gibt.
"Die haben noch kein Seepferdchen, die sind ja auch noch jung."
Zwölf Kinder hat Marion Grutz durchschnittlich in ihren Schwimmkursen - und noch viele mehr warten darauf, aufgenommen zu werden.
"Das ist wirklich krass. Sobald auf der Homepage steht: Anmeldungen möglich - steht hier das Telefon nicht mehr still. Das ist echt unglaublich. Aber es wird halt super gut angenommen. Und die Kinder lernen erfolgreich schwimmen."
Sagt Thomas Nebgen, der das Hückeswagener Bad in einem Dreier-Team leitet. In vielen Städten und Gemeinden sieht es ähnlich aus: Die Nachfrage nach Schwimmkursen übersteigt bei weitem das Angebot. Zu Beginn des Jahres mahnte der Geschäftsführer des Berliner Schwimm-Verbandes, Manuel Kopitz, im Sportausschuss des Deutschen Bundestages:
"Dass in fast 75 Prozent unserer Vereine im Augenblick ein Aufnahmestopp besteht, weil nicht genügend Wasserfläche da ist und das betrifft insbesondere die Jüngeren."
Unterwasser-Aufnahme von einem Kind beim Tauchen in einem Schwimmbad
Zuwenig Wasserfläche für junge Lernschwimmer (http://www.imago-images.de/)
"Es gibt einen ganz klaren Flaschenhals, und das sind die Wasserzeiten, also die Flächen, die zur Verfügung stehen."
Erklärt auch Michael Grohe, Sprecher des Landesverbands Nordrhein der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, kurz DLRG. Diese Wasserflächen seien in den letzten 20 Jahren stetig weniger geworden, denn:
"Wir haben die Situation, dass zunehmend Schwimmbäder geschlossen werden."
Etwa alle vier Tage schließt in Deutschland ein Hallen- oder Freibad - und zwar für immer. 80 pro Jahr sind es, sagt die DLRG. Häufig trifft es die kleineren Bäder, die insbesondere fürs schwimmen lernen so wichtig sind. Dafür würden mancherorts andere, zum Teil größere Bäder eröffnen, sagt der Vizepräsident des Deutschen Schwimmverbands, Wolfgang Hein.
"Es ist zurzeit in der Bundesrepublik so, gerade in den großen Orten, es werden zwei dieser kleineren Bäder geschlossen oder drei, damit ein großes Spaß- oder Erlebnisbad eröffnen kann."
Bäder in Deutschland - Kommt ein Masterplan zur Rettung?Die Schwimmbäder in Deutschland werden weniger, die Nichtschwimmer mehr. Darauf verweist die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft seit Jahren. In einer Petition im Bundestag hatte sie einen Masterplan gefordert. Nun wird im Sportausschuss des Bundestags über die Bäderinfrastruktur gesprochen.

DLRG: Mehr als die Hälfte der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer
So kommt es zu einer bizarren Situation: Während offenbar viele Kinder schwimmen lernen wollen, wachsen die Zahlen der Nicht- oder "Gerade-mal-so"-Schwimmer im Grundschulalter an. Nach Informationen der DLRG sind 59 Prozent der Zehnjährigen in Deutschland keine sicheren Schwimmer. Sprecher Michael Grohe:
"Wenn man sich mal vor Augen führt, dass man jegliche andere Sportart mehr oder weniger überall ausüben kann, Fußballspielen kann ich auf der Wiese, auf dem Ascheplatz. Das Schwimmen kann ich aber eben nur in einem entsprechenden Schwimmbecken erlernen."
Das Problem: Der Unterhalt dieser Schwimmbecken ist teuer, viel teurer als ein Ascheplatz zum Beispiel.
"Die Preise, die wir als Bürger zahlen in dem Bad, sind immer subventioniert", erklärt Claus Hamacher, Beigeordneter beim Städte- und Gemeindebund NRW für Sport, Schule, Kultur und Finanzen.
"Es sind etwa pro Badbesuch zehn Euro, mit denen eine Kommune diesen Betrieb subventioniert. Und das bedeutet, dass auf einen städtischen Haushalt je nach Größe und Auslastung des Bades ein Zuschussbedarf zukommt in sechsstelliger Höhe."
In Zeiten klammer Haushaltskassen könnten sich das manche Kommunen kaum noch leisten, sagt Hamacher. Er befürchtet, dass sich das Problem im Zuge der aktuellen Corona-Krise weiter verschärft.
"Die Städte und Gemeinden sind seit vielen Jahren strukturell unterfinanziert und in dieser Situation kommt jetzt hinzu, dass Gewerbesteuereinnahmen in einem erheblichen Umfang wegbrechen und Ausgaben anwachsen, sodass wir im kommenden Jahr befürchten müssen, dass viele wirklich den Gürtel sehr eng schnallen müssen. Das ist dann natürlich für Einrichtungen, die sich eigentlich ständig im Rechtfertigungszwang befinden, wie die Bäder, besonders hart. Weil, dann gehen die Diskussionen wieder los, ob man sich diese Einrichtungen noch leisten kann oder nicht."
Bürgerinitiativen gegen das Bädersterben
Die Bürger in Hückeswagen haben diese Diskussionen schon erlebt. Ihr Schwimmbad stand 2007 auf der Kippe, erzählt Bad-Leiter Thomas Nebgen.
"Wie das halt üblicherweise so immer hochkocht das Thema: Brauchen wir ein Schwimmbad, können wir uns das leisten, kostet viel Geld… Ja, und da hat man halt nach kreativen Lösungen gesucht, um einen Weg zu finden, das Bad zu erhalten."
Die Lösung, die die Hückeswagener gefunden haben, sieht so aus: Das ehemalige Willi-Daume-Bad wird heute als Bürgerbad betrieben, von einer gemeinnützigen GmbH, die wiederum von zwei Vereinen und der Kommune getragen wird. Die Chefs dieser GmbH - Thomas Nebgen und seine zwei Mitstreiter - sind ehrenamtlich tätig, ihr Gehalt fällt also weg.
"Wir hatten einen Zuschussbedarf ursprünglich mal von rund sieben Euro pro Badegast, den haben wir jetzt reduziert auf rund 3,30 Euro."
Dabei hilft auch, dass die Bädergesellschaft als gemeinnützige GmbH Investitionen viel unbürokratischer und damit häufig kostengünstiger tätigen kann als eine Kommune.
"Bei den kommunalen Geschichten ist es halt ein bisschen schwieriger. Wenn die große Investitionsmaßnahmen planen, ist das ein langer Weg mit vielen Verfahrensorgien, die da abgespult werden müssen."
Das Bürgerbad hat in den vergangenen Jahren so einiges investiert und Schwimmbecken, Sauna, Umkleidekabinen sowie Außenbereich auf Vordermann gebracht:
"Dieses Kinderbecken da hinten, Projekt 110.000 Euro, die Rutsche, da waren die Pfosten durchgerostet, die sind komplett erneuert worden, jetzt hatten wir letztes Jahr diese Verkleidung von den Dachkuppeln, die mussten neu gemacht werden."
Nebgen ist froh, dass die Kommune zumindest das Dach alleine bezahlt hat, denn Hückeswagen ist weiterhin Eigentümerin der Immobilie. Die restlichen Investitionen, zum Beispiel in das Kinderbecken oder die 50 Meter lange Röhrenrutsche, werden von den Träger-Vereinen übernommen - und zum Teil durch Spenden mitfinanziert.
Bäder aus den Siebzigern, hohe Betriebskosten
Die Geschichte des Hückeswagener Bads, das Mitte der Siebzigerjahre eröffnete, ist exemplarisch für die Bäderlandschaft in Deutschland. Etliche Schwimmbäder entstammen aus dieser Zeit. Damals, in den Sechzigern und bis Mitte der Siebzigerjahre, gab es in der Bundesrepublik Deutschland einen "Goldenen Plan": Eine Art Konsens aller staatlichen Akteure, mehr Sportstätten zu bauen - damit alle Bürger gleichermaßen mit Sportangeboten versorgt sind. Mehr als 17 Milliarden D-Mark sollen in dieser Zeit investiert worden sein.
Allerdings: Dieser Goldene Plan sah zwar den Bau der Sportstätten vor - vernachlässigte aber deren Unterhalt, sagt Claudia Heckmann, Präsidentin des Schwimmverbands NRW und Chefin der Kölnbäder, einer GmbH des Stadtwerke-Konzern Kölns, die 12 öffentliche Bäder der Stadt betreibt.
"Man baut in den Sechzigerjahren ganz viele Bäder. Und dann wartet man mal 30 Jahre. Also, so ein Bad will auch gepflegt werden wie jedes andere Gebäude, wie jede andere Infrastruktur auch."
Nur gab es in den Kommunen häufig keinen Etat für diese Pflege.
"Die Gebäudestruktur ist oft ein Problem, die Dächer - früher wurde nicht so isoliert gebaut wie heute. Das heißt, sie müssen ja auch immer darüber nachdenken, dass sie energetisch was machen, dass sie möglichst auch versuchen, Betriebskosten im Griff zu behalten."
Neben den Sanierungs- und Instandhaltungskosten schlagen die hohen Betriebskosten zu Buche - für Personal, Wasser und Energie.
Klassische Eintrittskarte fürs Freibad mit Perforation und Abriss aus Pappe
Relikt aus den Siebzigerjahren - Eintrittskarte fürs Freibad (SULUPRESS.DE)
"Wenn sie jedem Bürger in einer Kommune einen Zutritt gewähren wollen, haben sie natürlich Eintrittspreise, die nie das abbilden werden, was sie eigentlich ausgeben für das Bad."
In Köln zum Beispiel kostet der Zweieinhalb-Stunden-Eintritt je nach Bad zwischen 4,60 Euro und 6,40 Euro. Kinder und Jugendliche zahlen etwas weniger. Es sei wichtig, die Preise bezahlbar zu halten, erklärt Heckmann, damit alle Menschen ins Schwimmbad gehen können. Denn Bäder seien viel mehr als nur ein Ort zum Schwimmen-Lernen oder Bahnen-Ziehen.
"Ein Schwimmbad ist ein ganz wichtiger Punkt im Rahmen der Daseinsvorsorge, weil es zum einen die Möglichkeit gibt, sich im Wasser zu bewegen, was generell gesund, gut und wichtig ist - und was man bis ins hohe Alter tun kann. Und es ist ein Punkt, wo man sich trifft, regelmäßig meistens und woraus sich auch viele gesellschaftliche Kontakte ergeben. Und das quer durch die gesamte Gesellschaft."
Sportwissenschaftler: "Bäder als Kristallisationspunkt von Gesellschaft"
"In der Badehose oder im Badeanzug ist jeder gleich."
Sagt Professor Lutz Thieme, Sportwissenschaftler an der Hochschule Koblenz. Er forscht zur Bäderlandschaft Deutschlands und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft.
"Bäder stehen ja in dem Ruf, dass sie quer durch die Gesellschaft Menschen vereinen können. Und wenn das tatsächlich so ist, dann sind Bäder so eine Art Kristallisationspunkt von Gesellschaft, von lokaler Community, von Gemeinschaft, von Verstehen."
Wissenschaftler Thieme formuliert bewusst vorsichtig, denn letztlich fehlen empirische Zahlen zum Thema. Es sei gar nicht klar, wie viele Schwimmbäder es in Deutschland eigentlich gebe. Bisher wird das nirgendwo statistisch erfasst und die letzte Zählung liegt Jahre zurück. Die DLRG und die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen sprechen von knapp 6.000 Bädern im Bundesgebiet, Professor Thieme und sein Team zählen weitaus mehr.
"Also wir steuern auf 9000 Bäder zu. Da muss man aber sagen, das sind nicht nur Freibäder und Hallenbäder, sondern eben auch Schulschwimmbäder, Lehrschwimmbecken, Hotelbäder, Bäder in Reha-Einrichtungen und Kliniken, also die gesamte Bandbreite von nutzbaren Bädern, einschließlich auch der Naturbäder und der Badestellen. Denken Sie da an die Nordsee, an die Ostsee, wo es eine ganze Menge davon gibt."
Die von Sportwissenschaftler Thieme erstellte Liste all dieser der Bade- und Schwimmmöglichkeiten in Deutschland soll bald online gestellt werden. Dann können Bürger, aber auch öffentliche Stellen, recherchieren - und entsprechende Schlüsse ziehen.
"Wenn eine empirische Basis fehlt, dann können wir auch wenig dazu sagen, wie wichtig Bäder denn jetzt tatsächlich für eine Stadtgesellschaft oder auch für eine Region außerhalb der Stadt sind und welchen Nutzen sie für das Zusammenleben, für die örtliche Gemeinschaft und für den sozialen Kitt auch wirklich erbringen."
Aber auch wenn diese wissenschaftlichen Erkenntnisse noch fehlen - die Vermutung, sagt Thieme, liegt nahe, dass ein Schwimmbad tatsächlich weit mehr ist als nur ein Ort zum Schwimmen.
"So, ich bin dann sozusagen weg…"
Besucher baden im Grugabad in Essen
Sommer im Essener Grugabad: Das Schwimmbad als sozialer Treffpunkt (Ina Fassbender / dpa)
"Ja, viel Freude im Beruf."
"Wir sehen uns morgen."
Das Elsebad in Schwerte bei Dortmund ist so ein besonderer Ort. Seit 25 Jahren wird das Freibad mit seinem 50-Meter-Becken, den großen Liegewiesen und dem obligatorischen Kiosk allein von Bürgern betrieben. Auch sie gründeten hierfür eine gemeinnützige GmbH. Das war 1995. Da war das Freibad schon zwei Jahre lang zu.
"Ohne so Leute, wie der gerade weggegangen ist, funktioniert dieses Bad nicht, ne? Der hat eigentlich ein Brillengeschäft in der Nachbargemeinde, ist aber Rettungsschwimmer, ausgebildeter und kommt in der Mittagspause, wenn er den Laden zu hat, praktisch täglich hier hin, um Wasseraufsicht zu machen."
Sagt Hartwig Carls-Kramp, der ehrenamtliche Geschäftsführer des Elsebads. Der 69-Jährige sitzt in Shorts und Sandalen auf einem Balkon des zweistöckigen Gebäudes, das sich entlang des 50-Meter-Beckens zieht.
"Wir haben damals über 2,1 Millionen Mark investiert und das Becken alleine hat 700.000 Mark gekostet. Das war vorher ein gefliestes Becken und es war völlig marode."
Jährlich bis zu 50.000 Euro für die Instandhaltung
Die Kommune habe damals knapp eine Million Mark dazu gegeben, auch eine Förderung vom Land gab es. Der Rest, rund 700.000 Mark, kam durch Spenden zusammen. So ist es seitdem geblieben: Die Kommune gibt etwas dazu und der Rest kommt vom Badbetrieb und Förderverein.
"Das meiste, was wir hier investieren, sieht man gar nicht, in einem Freibad ist viel verbuddelt, sehr viel verbuddelt. Zum Beispiel haben wir im letzten Winter hier unten im Filterkeller den Filtersand erneuert und wir haben einen Korrosionsschutz eingebaut, das alles zusammen hat 60.000 Euro gekostet. Und soviel investieren wir fast in jedem Winter in dieses Bad, immer zwischen 20.000 und 50.000. Im letzten Jahr war es etwas mehr. "
Im Hauptberuf war der Elsebad-Chef bis vor einigen Jahren Chirurg, "das ist aber nicht so schlimm", sagt er augenzwinkernd. Er habe auch bei schweren Arbeiten immer gerne mit angepackt, zum Beispiel als direkt zu Beginn das Schwimmbecken erneuert - und dafür ein wenig vergrößert werden musste.
"Wir haben da vorne aus der Beckenkrone, das war so 60 Zentimeter dicker Beton, ein Kinderarzt und ich, wir haben da mit zwei Presslufthämmern 20 Zentimeter aus diesem Ding abgetragen. Sehr schön, sehr sauber, sehr akkurat. Und dann passte eben dieses wunderbare Edelstahlbecken da rein."
Nur so funktioniere ein Bürgerbad, sagt Carls-Kramp, wenn jeder mit anpackt. Der 69-Jährige ist mittlerweile Vorsitzender des bundesweiten Netzwerks Bürgerbäder und berät Bürger, die überlegen, ein Bad zu betreiben.
"Damals hieß es, samstags ist Elsebad-Tag. Ich konnte natürlich auch nicht jeden Samstag, das ist ja klar. Aber es gab eben von Anfang an sehr viele Helfer - und das ist ganz wichtig - auch für andere Bürgerbäder, weil den Menschen was an dem Bad lag."
Sozialer Brennpunkt - im positiven Sinn
Hier in Schwerte, vor den Toren Dortmunds und am Fuße des Sauerlands, wohnen viele Menschen, die Geschichten aus dem Elsebad zu erzählen haben.
"Die Leute, die haben sich da kennengelernt, oder die haben das erste Mal geknutscht. All solche Dinge."
Auch heute bringt das Elsebad Menschen zusammen. Bei Turnieren auf dem Beachvolleyball-Platz, beim Boule-Spielen, beim Kicken auf dem kleinen Fußballfeld. Oder an den Open-Air-Kinoabenden. Nicht selten kommen dann Menschen zusammen, die noch nie im Elsebad schwimmen waren.
"Es gibt mittlerweile auch keine Kneipe mehr, es gibt keine Gaststätte mehr hier südlich der Ruhr, alle zu, die letzte vor einem Jahr. Wenn wir hier einen Cocktailabend anbieten, dann kommen ganz viele Leute hier hin, die gar nicht zum Schwimmen kommen, sondern die würden normalerweise in irgendeine Kneipe gehen."
Das Elsebad sei von Schwerte einfach nicht wegzudenken, sagt Carls-Kramp und wirkt stolz, Teil dieses Badbetriebs zu sein.
"Das ist ein, ich sage mal im positiven Sinne ein sozialer Brennpunkt geworden. Dieses Bad führt die Leute hier mit den unterschiedlichsten Aktivitäten zusammen."
Wenn Bäder, wie das Elsebad, das Bürgerbad Hückeswagen, aber auch all die anderen Bäder in Deutschland so viele Funktionen erfüllen, wenn sie - wie Sportwissenschaftler Thieme sagt - für den Kitt in der Gesellschaft sorgen, dann müssten sie doch im Rahmen der Daseinsvorsorge von öffentlicher Stelle finanziert werden, und dürften nicht immer wieder auf der Kippe stehen.
"Man muss feststellen, dass in den letzten zwei, drei Jahren auch die Landesregierung in NRW durchaus verstanden hat, dass es wichtig ist und dass dieser Trend umgekehrt werden muss, Bäder zu schließen, sondern dass man auch wieder in Bäder investiert", zeigt sich die Kölnbäder-Chefin und Präsidentin des Schwimmverbands NRW, Claudia Heckmann, hoffnungsvoll.
Politik entdeckt das Thema Bädersterben
Und tatsächlich scheint es dieses Umdenken nicht nur in NRW, sondern auch auf Bundesebene zu geben. Innen- und Sportminister Horst Seehofer hatte zum Jahreswechsel eine überraschende Ankündigung:
"Einen neuen goldenen Plan, wo ich bereit bin, als Bundesinnenministerium in sehr überschaubarer Zeit eine Konzeption zu entwickeln, auf deren Grundlage wir dann in der Regierung und mit dem Finanzminister reden können, über welchen Zeitraum ein solcher goldener Plan realisiert werden kann."
Hält Seehofer das Versprechen, dürften milliardenschwere Investitionen auf sein Ministerium zukommen. Der Beigeordnete des Städte- und Gemeindebunds NRW, Claus Hamacher:
"Insgesamt muss man festhalten, Investitionsbedarf im Schwimmbadbereich ist nach wie vor in großem Umfang gegeben. Bundesweit schätzen Experten, dass wir über eine Größenordnung von rund 4,5 Milliarden Euro reden. Und insofern wird auch jedes Programm sehr begrüßt, was zur Unterstützung der kommunalen Badbetreiber aufgelegt wird."
Kinder der Klasse 4b üben im Schwimmbad Düsselstrand in Düsseldorf Schwimmen
Viertklässler beim Schwimmunterricht in Düsseldorf im Rahmen des Aktionsprogramms der NRW-Landesregierung (dpa / Federico Gambarini)
Nordrhein-Westfalen hat, ähnlich wie Bayern oder Baden-Württemberg ein solches Programm aufgelegt - den "Aktionsplan Schwimmen lernen". Er soll Schulen und ihre kommunalen Träger dabei unterstützen, Grundschülern das Schwimmen beizubringen.
"Ich kann nur sagen, es wird bei diesem Thema Schwimmen lernen in Nordrhein-Westfalen nicht an der Finanzierung mangeln", verspricht Matthias Richter, Staatssekretär im Schulministerium in Düsseldorf.
Der Vizepräsident des Deutschen Schwimmverbandes, Wolfang Hein, hört solche Aussagen gern. Er mahnte zu Beginn des Jahres im Sportausschuss des Bundestages, es müsse generell in diesem Bereich viel mehr investiert werden.
"An jeder mehrzügigen Grundschule wäre ein solches Lehrschwimmbecken sinnvoll, und die kosten nur 20 bis 50.000 Euro an Unterhalt pro Jahr. Das sollte uns die Schwimmfähigkeit unserer Kinder wert sein."
Im Bürgerbad Hückeswagen im Bergischen Land sind die Kinder von Marion Grutz' Seepferdchen-Kurs mittlerweile alle ins Wasser gesprungen - und wieder zum Rand geschwommen.
"Wir gehen ins Kleine auf die Ecke, wo wir immer hingehen. Nico, lauf mal mit den Mädels mit."
Nico und fünf andere Kinder laufen ins Kinderbecken - Ausruhen nach den vielen Schwimmübungen. Für ihn macht der Schwimmbadbesuch einfach nur sichtlich - Spaß.