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BaFin zu Lebensversicherungen
"Kein Kunde darf schlechter gestellt werden"

Durch die Niedrigzinspolitik stehen Lebensversicherer erheblich unter Druck. Dennoch könnten die Unternehmen kurz- bis mittelfristig ihre Versprechen erfüllen, sagte Frank Grund von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Dlf. Und selbst bei einem Inhaberwechsel blieben die vertraglichen Garantien bestehen.

Frank Grund im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 11.01.2018
    Der Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Frank Grund
    Der Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Frank Grund (picture alliance / dpa / Ute Grabowsky / Photothek.Net)
    Jörg Münchenberg: Die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank ärgert nicht nur Sparkunden; sie belastet auch Banken und Versicherer. Letztere haben zunehmend Schwierigkeiten, die versprochene Verzinsung für Lebensversicherungen zu erwirtschaften. Das gilt in jedem Fall für die teuren Altverträge mit einer garantiert hohen Verzinsung. Manche würden deshalb die Altlast zu gerne los werden.
    Zugehört hat Frank Grund. Er ist Exekutivdirektor bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Oder vielleicht salopper formuliert: Er ist der oberste Versicherungsaufseher. Herr Grund, einen schönen guten Morgen.
    Frank Grund: Ja, guten Morgen, Herr Münchenberg.
    Münchenberg: Herr Grund, erst einmal ganz allgemein: Die Zinsen bleiben zumindest vorerst weiter auf Rekordtief. Das hat auch die Lebensversicherer doch erheblich unter Druck gebracht, die kaum noch Erträge erwirtschaften können. Wie groß, würden Sie sagen, ist mittlerweile der Druck, der auf der Branche angesichts der Niedrigzins-Politik der EZB lastet?
    Grund: Der Druck ist natürlich in den letzten Jahren sehr groß geworden. Sie haben es in Ihrem Vorspann gesagt. Die deutschen Lebensversicherer mussten sich schon erheblich anstrengen, um ihre Bilanzen wetterfest zu machen. Wir beobachten das sehr intensiv. Wir nennen das intensivierte Aufsicht. Und ein wichtiges Instrument ist für uns dabei eine regelmäßige Prognoserechnung, die wir von den Unternehmen verlangen, nach standardisierten Vorgaben. Im Moment ist zu sagen, dass die Unternehmen kurz- bis mittelfristig ihre Versprechen erfüllen können. Aktuell sehe ich keinen Grund zur Sorge.
    Münchenberg: Sie sagen, kurz- bis mittelfristig. Das heißt dann konkret?
    Grund: Das heißt konkret, dass man natürlich ganz in die Zukunft niemals schauen kann. Es bleibt abzuwarten, wie die Zinsen sich auf Dauer entwickeln, und es bleibt auch abzuwarten – und hier gibt es entsprechende Vorschläge -, wie im regulatorischen Umfeld noch einiges getan wird. Da gehe ich aber davon aus, dass das demnächst passiert.
    "Ein solcher Inhaberwechsel ist nur unter Mitwirkung der BaFin möglich"
    Münchenberg: Wir haben es ja eben im Beitrag gehört. Manche Gesellschaften denken inzwischen darüber nach, dass sie ihre Altverträge, die sie sehr hoch verzinsen müssen, weil sie die zu einer hohen Verzinsung abgeschlossen haben, an Finanzinvestoren verkaufen wollen. Erst einmal grundsätzlich: Sind das nur Einzelfälle, oder könnte sich daraus vielleicht doch ein Trend entwickeln?
    Grund: Im Moment einige Zahlen. Wir haben seit 2013 sechs Unternehmen bei sogenannten externen Run Off Plattformen. Das ist im Moment ein Marktanteil von zirka drei Prozent. Es handelt sich jeweils um ziemlich kleine Bestände. Neue Anträge sind bei uns weder im Haus, noch angekündigt. Im Moment würde ich von einem Trend nicht sprechen. Es ist aber richtig, dass einzelne Unternehmen – und das ist auch nachvollziehbar – darüber nachdenken, einen solchen Schritt zu gehen, den Markt sondieren, ob ein Inhaberwechsel, ob ein Verkauf der Lebensversicherungsgesellschaft aus einem Konzern heraus für sie in Frage kommt. Das wird derzeit, ist ja in der Öffentlichkeit auch bekannt, diskutiert. Ergebnisse sind bei einem Unternehmen schon kommuniziert, Sie haben es gesagt. Die haben diesen Gedanken nicht weiterverfolgt. Und es bleibt abzuwarten, wie andere Unternehmen damit umgehen.
    Münchenberg: Aber können denn Versicherer einfach die Bestände verkaufen, ohne ihre Kunden zu fragen? Denn die haben ja damals ihre Lebensversicherung abgeschlossen im guten Glauben, dass sie in guten Händen sind.
    Grund: Absolut! Und deshalb hat der Gesetzgeber ja auch sehr hohe Hürden für einen solchen Verkauf aufgestellt. In der Regel werden die Bestände nicht verkauft, sondern in der Regel wird – und das ist bei fünf von den sechs Fällen, die ich genannt habe, der Fall – das durch den Inhaberwechsel erfolgen. Das heißt, der Lebensversicherer aus einem Konzern heraus wird an einen anderen Investor, an einen anderen Aktionär verkauft. Der Rechtsträger, die Lebensversicherungsgesellschaft bleibt also Vertragspartner des Kunden. Aber trotzdem ist das natürlich ein Einschnitt. Lebensversicherungsverträge laufen ja zum Teil mehrere Jahrzehnte und sie sind ja auch Bestandteil der Altersversorgung, und wenn dann der Vertragspartner nach einem solchen Inhaberwechsel nicht mehr Teil derselben Versicherungsgruppe ist, die man sich seinerzeit ausgesucht hat, kann das für den einzelnen Kunden schon eine ungewollte Überraschung sein. Deshalb hat der Gesetzgeber sehr hohe Hürden aufgebaut. Ein solcher Inhaberwechsel ist nur unter Mitwirkung der BaFin möglich.
    "Kein Kunde darf schlechter gestellt werden"
    Münchenberg: Das heißt aber auch, um das mal festzumachen, weil das ja doch viele Kunden auch beunruhigt jetzt in diesen Tagen: Der Garantiezins und auch die erreichten Überschüsse, die bleiben in jedem Fall erhalten? Das ist etwas, worauf die BaFin dann auch genau schaut, dass der neue Eigentümer das garantiert?
    Grund: Unser Kriterium ist, dass die Belange der Versicherten auch in der neuen Situation langfristig gewahrt bleiben. Das kann man so übersetzen, dass kein Kunde schlechter gestellt werden darf durch diesen Inhaberwechsel. Vertragliche Garantien bleiben unverändert bestehen.
    Münchenberg: Trotzdem spricht der Bund der Versicherten, seitdem die Verkaufspläne auf dem Markt seien, von einem Beben, das die Altersvorsorge von Millionen gefährde. Das ist dann aus Ihrer Sicht alles nur Alarmismus, oder wie ist so eine Äußerung dann einzuschätzen?
    Grund: Ja, man muss das schon ernst nehmen, wenn sehr große Bestände hier auf den Markt kommen. Das war ja die damalige Situation. Und dass das viele Leute auch interessiert, ist völlig nachzuvollziehen. Uns ist es nur wichtig zu sagen, hier wird kein Inhaberwechsel stattfinden, ohne dass die BaFin sich davon überzeugt, dass das ordnungsgemäß, seriös und auch sicher erfolgt.
    "Ein Inhaberwechsel ist nicht per se gut oder schlecht"
    Münchenberg: Nun geht es ja, wenn ich das richtig verstanden habe, vor allen Dingen darum, dass der Garantiezins und auch die erreichten Überschüsse in jedem Fall garantiert sind, auch wenn der Eigentümer wechselt. Für zukünftige Überschussbeteiligungen ist das allerdings nicht garantiert. Ist denn nicht davon auszugehen, dass die neuen Investoren hier knapsen werden?
    Grund: Das kann man so pauschal nicht sagen. Ein Inhaberwechsel ist nicht per se gut oder schlecht. Es kommt sehr auf die Umstände des Einzelfalls an, auf das Geschäftsmodell, und dazu ist natürlich auch zu sagen, dass neue Plattformen mitunter mit besserer Technik, moderneren IT-Systemen auch Kostenvorteile generieren können, die dann auch nach den Regularien den Kunden zum Teil zugutekommen müssen. Insoweit kann es auch sein, dass das für den Kunden eine gute Entwicklung hat. Es ist nicht garantiert, dass bei dem Unternehmen, das den Bestand nicht verkauft, die Situation unverändert gut bleibt. Deshalb bedarf es in jedem Fall einer intensiven Prüfung, woher der Bestand kommt und wohin er geht. Deshalb dauern diese Verfahren mehrere Monate. Einzelne Verfahren haben anderthalb Jahre gedauert. Wir nehmen das sehr ernst, um die Belange der Versicherten nachhaltig zu wahren.
    Münchenberg: Diese Finanzinvestoren kommen ja teilweise aus China, teilweise aus den USA. Die wollen mit dem Investment natürlich Geld verdienen. Wie seriös ist das Ganze? Ich denke mal, auch viele Kunden werden erschrecken, wenn sie plötzlich erfahren, dass der Eigentümer in letzter Konsequenz am Ende der Reihe aus China kommt.
    Grund: Es handelt sich immer um ein deutsches Lebensversicherungsunternehmen, das wir beaufsichtigen. Das ist vorher und nachher so. Es bleibt immer ein deutsches Lebensversicherungsunternehmen, das wir beaufsichtigen. Darauf legen wir sehr großen Wert. Und die Seriosität, die Sie ansprechen, ergibt sich ja alleine schon aus den gesetzlichen Notwendigkeiten. Ein Unternehmen, das in Deutschland Lebensversicherungen betreibt, muss einen Zulassungsprozess durchlaufen, und die finanzielle Stabilität und Solidität ist hier ein Kriterium, ist das Unternehmen in der Lage, prozessual-administrativ diese großen Bestände zu händeln. Das ist ja nicht trivial. Und jede handelnde, jede verantwortliche Person muss die fachliche Eignung, die persönliche Zuverlässigkeit nachweisen. Auch das überprüfen wir und insoweit möchte ich sagen, dass die tätigen Unternehmen auch seriös sind.
    "Uns ist wichtig, dass wir die Investoren kennen"
    Münchenberg: Nun heißt es beim Bund der Versicherten, dass die Investoren oft wenig transparent seien im Vergleich zum Beispiel zur deutschen Gesellschaft. Ist das eine Erfahrung, die Sie bei der BaFin auch machen?
    Grund: Wir schauen uns natürlich die Investoren an und die Investoren führen mit uns auch Gespräche. Uns ist wichtig, dass wir die Investoren kennen, aber uns ist genauso wichtig, dass wir hinreichend Zugriff auf die Lebensversicherungsunternehmen in Deutschland und eingeschaltete Zwischenholdings auch in Deutschland haben, um auch den Zugriff auf zugesagte Sicherungsmaßnahmen, Stützungsmaßnahmen durch deutsche Gesellschaften hier gewährleisten und sicherstellen zu können.
    Münchenberg: Um das vielleicht noch mal zusammenzufassen. Lebensversicherungen sind ja der Deutschen liebstes Anlagekind. Sie würden schon so weit gehen und würden sagen, selbst wenn der Eigentümer wechselt, die Kunden brauchen sich unter dem Strich keine Sorgen machen?
    Grund: Das ist so und darum hat der Gesetzgeber uns mit dieser Aufgabe auch betraut, dafür zu sorgen, dass das so bleibt und dass das so ist. Das gibt es in anderen Wirtschaftszweigen nicht, aber gerade weil Lebensversicherungsprodukte und Versicherungsprodukte ein wichtiges Gut sind und Vertrauen auch sehr wichtig ist, gibt es ja diese rechtliche Möglichkeit und Voraussetzung der Inhaberkontrolle, und das macht die BaFin sehr genau.
    Münchenberg: Der oberste Versicherungsaufseher bei der BaFin, Frank Grund, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Grund, vielen Dank für das Gespräch.
    Grund: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.