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BAföG
Bund entlastet Länder um sechs Milliarden Euro

Der Bund wird künftig die Kosten des BAföG komplett übernehmen, eine Einigung, die der Bildungsökonom Dieter Dohmen grundsätzlich begrüßt. Er rechnet allerdings nicht damit, dass die Länder die frei werdenden Mittel tatsächlich für Bildungsausgaben verwenden werden. Faktisch hätten die Länderfinanzminister mit dem Geld freie Hand, konstatiert Dohmen im DLF.

Dieter Dohmen im Gespräch mit Christiane Kaess | 28.05.2014
    Ein Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
    Ein Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (dpa / Universität Jena / Jan-Peter Kasper)
    Tobias Armbrüster: Zwischen Bundesländern und der Bundesregierung in Berlin, da gibt es immer wieder Streit ums Geld. Es gibt jede Menge Felder, bei denen die Länder sagen, eigentlich sind das Bundesangelegenheiten, Berlin sollte bezahlen. Zumindest auf einem Feld kommt die Bundesregierung den Ländern jetzt entgegen: Sie will, das wurde gestern bekannt, künftig die Kosten für das BAföG komplett übernehmen, also für die Förderung von Studenten. Immerhin sind das mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. - Meine Kollegin Christiane Kaess hat darüber gestern Abend mit Dieter Dohmen gesprochen. Er ist der Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie. Frage an ihn: Diese Kostenübernahme durch den Bund, ist das eine gute Entscheidung?
    Dieter Dohmen: Nun ist sicherlich zu begrüßen, dass die Hängepartie beendet ist und nun klar ist, in welche Richtung der Zug fährt, sprich dass der Bund für das BAföG alleine zuständig ist und die Länder mehr Geld haben.
    "Ein Finanzminister, der nicht in der Lage ist, so zu tun, als ob, hätte in meinen Augen seinen Job verfehlt"
    Christiane Kaess: Dann schauen wir noch mal genau auf das BAföG, das künftig vom Bund bezahlt werden soll. Die Bundesländer sollen damit um 1,17 Milliarden Euro entlastet werden und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagt, diese frei werdenden Mittel sollen natürlich auch dann bei Schulen und Hochschulen eingesetzt werden. Sehen Sie die Gefahr, dass die Länder damit eventuell ihre Haushaltslöcher stopfen und das eben nicht in den Bildungsbereich fließen kann?
    Dohmen: Wenn man sich die Diskussionen auch heute in der Pressekonferenz angeguckt hat, dann ist das zu befürchten. Zwar steht in den Vereinbarungen, dass die Länder die frei werdenden Mittel zur Finanzierung von Bildungsausgaben im Bereich Schule und Hochschule verwenden werden. Hamburgs Regierender Bürgermeister Scholz hat das aber offenkundig schon in ein "können" übersetzt, und auch Herr Schäuble sagt, das sei sicherlich nicht justiziabel.
    In meinen Augen sind die Länderfinanzminister die großen Gewinner der Verabredung. Sie haben zwar theoretisch keine freie Hand, aber faktisch haben sie freie Hand. Das heißt, sie können so tun, als würden sie das Geld im Bildungsbereich einsetzen. Ob sie das dann tatsächlich tun, ist häufig schwer zu überprüfen. Und um es etwas zu pointieren: Ein Finanzminister, der nicht in der Lage ist, so zu tun, als ob, hätte in meinen Augen seinen Job verfehlt.
    Kaess: Sieht man in den Bundesländern nicht die finanzielle Not im Bildungsbereich?
    Dohmen: Die Not sieht man durchaus. Aber wenn man in die Länder geht, dann muss man auch feststellen, dass die Länderhaushalte mittlerweile so eng gestrickt sind, dass auch die Länder tatsächlich gezwungen sind, im Bildungsbereich einzusparen - siehe Baden-Württemberg, siehe Sachsen-Anhalt und, und, und. Die Liste lässt sich lange fortführen. Insofern, natürlich ist es so: Der Bildungsbereich ist wichtig, wird als solches anerkannt, aber die Finanznot von Bund und Ländern, wobei der Bund im Moment scheinbar etwas besser dasteht, führt dazu, dass alles das, was am Sonntag versprochen, am Montag schon vergessen ist.
    Kaess: Hätten Sie sich gewünscht, dass man da eventuell irgendwelche Schranken einzieht und das Ganze gesetzlich regelt, damit das Geld auch wirklich dahin fließt, wo es eigentlich hin soll?
    Dohmen: Selbst mit Gesetzen haben Sie nur begrenzte Möglichkeiten, das tatsächlich zu überprüfen, denn wie wollen Sie feststellen, ob der Rückgang an Schülerzahlen im Bildungssystem oder im Schulsystem ausreichend mit zusätzlichen oder mit weniger Mitteln gekürzt worden ist, als dies ohne der Fall wäre. De facto kann man das nicht überprüfen. Und die Erfahrungen im Hochschulpakt zeigen, dass die Länder durchaus kreativ sind, um die Mittel, die sie kofinanzieren müssen, also vom Bund erhalten und dann selbst aufstocken müssen, nicht immer in dem Umfang aufstocken, wie sie das eigentlich tun müssten.
    Investitionsstau im Schul- und Hochschulbereich
    Kaess: Jetzt kommt Kritik von den Grünen, die sagen, das sind Kleckerbeträge, die hier in die Bildung weiter fließen oder zusätzlich fließen. Für Renten ist dagegen ein Vielfaches ausgegeben worden.
    Dohmen: Unabhängig davon, ob es die Grünen sind, muss man feststellen: Tatsächlich hat der Bildungsbereich einen erheblichen Finanzbedarf. Wenn ich die Beträge zusammensetze, dann wird formuliert: neun Milliarden im Kita-Bereich. Wir haben errechnet 2,5 Milliarden im Hochschulbereich, alleine um die deutlich höheren Studienanfängerzahlen auch in den kommenden Jahren aufzufangen. Wir haben Investitionsstau im Schul- und Hochschulbereich, und wir haben im Schulbereich das Thema Inklusion und Ganztagsschulen. Auch da könnte ich noch mal fünf bis zehn Milliarden locker oben drauf tun. Das heißt, der Bildungsbereich braucht nach den Berechnungen alleine schon 20 Milliarden jedes Jahr, und das auf längere Sicht. Die GEW geht sogar von 40 Milliarden aus. Insofern ist das, was wir im Bildungsbereich derzeit tun, definitiv zu wenig, und wenn man sich die Renditen anguckt im Hochschulbereich, fiskalische Rendite 26 Prozent, im Kita-Bereich 20 Prozent, dann wären das lohnende Investitionen, die wir in die Zukunft der nachwachsenden Generation stecken können.
    Kaess: Aber das heißt, Sie sind der Meinung, auch mit diesen neuen Beschlüssen, die Unterfinanzierung im Bildungsbereich ist damit nicht beendet?
    Dohmen: Nein! Und sie wird auch auf Dauer nicht beendet werden, sofern es uns nicht gelingt, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen. Wir diskutieren beispielsweise einen sogenannten Education Investment Fund, der über private Quellen finanziert wird, da ich im Moment nicht sehe, wie die öffentliche Hand in der Lage sein soll, ohne Steuererhöhungen, ohne gigantische Umverteilungen in den verschiedenen Ausgabenbereichen mehr Geld zu generieren.
    Kaess: Schauen wir noch mal kurz auf das BAföG. Glauben Sie, dass mit einer Erhöhung, die angedacht ist, auch tatsächlich die Folge sein wird, dass noch mehr junge Menschen studieren?
    Dohmen: Ich glaube nicht, dass das BAföG wirklich große Auswirkungen dahingehend hat, dass noch mehr junge Menschen an die Hochschulen gehen. Selbst mit den bisherigen Mitteln platzen die Hochschulen aus allen Nähten. Selbst wenn 5.000 oder von mir aus auch 10.000 noch zusätzlich an die Hochschulen gehen würden, weil das BAföG jetzt besser ist oder besser werden soll, ist das nicht der große Gewinn im Hinblick auf mehr Studienanfängerzahlen, auch wenn natürlich jedem BAföG-Empfänger und jeder Empfängerin zu wünschen ist, dass es mehr Geld gibt, da die bisherigen Sätze und Freibeträge definitiv zu niedrig waren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.