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Bahá'i-Religion
Ayatollah im Iran plädiert für Verständigung

Die Bahà'ì erkennen den Propheten Mohammed zwar als Boten Gottes an, sehen aber in ihrem Religionsstifter Bahá'u'llah den letzten Propheten. Im Iran werden sie deshalb systematisch verfolgt. Doch allmählich setzt aufseiten der islamischen Geistlichkeit ein Umdenken ein.

Von Frank Aheimer | 11.06.2014
    Mit einer bislang einmalig mutigen Geste teilte der islamische Geistliche Ayatollah Masoumi-Tehrani seine Wertschätzung für die Bahá'í im Iran mit. Als Zeichen seiner Anerkennung fertigte der, auch als Kalligraf bekannte, Geistliche in monatelanger, sorgfältiger Handarbeit aus einem Vers aus den Schriften Bahá'u'lláhs, des Stifters der Bahá'í-Religion, eine farbenprächtige Kalligrafie. Das Ganze erfolgte unter großem persönlichem Risiko, da die iranische Regierung sich weigert, den Bahá'í als Religionsgemeinschaft anzuerkennen. Die Bahá'í werden seit der islamischen Revolution 1979 im Iran systematisch verfolgt.
    "Die Bahá'í fühlen sich sehr geehrt und sind zutiefst berührt. Das ist eine sehr wichtige Geste, vor allem, da sie von einem hochrangigen schiitischen Geistlichen kommt, der selbst im Iran lebt. Eine Geste, die zum Respekt für alle Religionen aufruft, insbesondere zu einer Zeit, da die Bahá'í in diesem Land verfolgt sind, und zwar durch eine Regierung, die sich dazu auf den Schiitischen Islam beruft",
    so Diane `Alá'í, Sprecherin der Internationalen Bahà'ì-Gemeinde. Die Kalligrafie, die inzwischen in Haifa am Bahá'í-Weltzentrum in Israel eingetroffen ist, zeigt in der Mitte ein Symbol der Bahá'í, das die Beziehung zwischen Gott, seinen Propheten und der Schöpfung darstellt. Zitiert wird Bahá'u'lláhs Vers: "Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht ... ". Das Kunstwerk misst rund 60 mal 70 Zentimeter und soll ein Geschenk an alle Bahá'í weltweit sein, besonders aber auch für Bahai im Iran. Ayatollah Tehrani schreibt dazu: "die Bahai im Iran, die auf so vielfältige Weise unter religiösen Vorurteilen gelitten haben!"
    Solidarität mit den Bahá'í nimmt zu
    "Es ist ein großes Zeichen der Hoffnung. Wir wussten schon immer, dass es überall auf der Welt, insbesondere im Iran, Menschen gibt, die das, was den Bahá'í angetan wird, als schlimme Ungerechtigkeit empfinden. In letzter Zeit haben sich mehr und mehr prominente Persönlichkeiten mutig dazu entschieden, sich öffentlich zu äußern und diese Verfolgung zu kritisieren."
    Diese symbolische Geste ist eine von einer wachsenden Anzahl muslimischer Geistlicher und anderer Vordenker im Iran, die sich für die Bahá'í einsetzen. So hatte im Juli vergangenen Jahres der regierungskritische Aktivist Mohammed Nourizad die Füße eines vierjährigen Bahá'í-Jungen geküsst, dessen Eltern zu Unrecht inhaftiert waren, und sich dafür entschuldigt, was dem Jungen im Namen des Islams angetan wurde. Damit brach er ein Tabu in der iranischen Gesellschaft, denn die Bahá'í gelten als unrein. Schon der 2009 verstorbene Groß-Ayatollah Montazeri hatte gefordert, den Bahá'í dieselben Rechte einzuräumen wie allen anderen Bürgern im Iran.
    "Die Bahá'í im Iran beanspruchen keine Sonderbehandlung, sie möchten nur wie jeder iranische Bürger leben und ihren Glauben ungehindert praktizieren können."
    Erst letztes Jahr hatte Ayatollah Khamenei erneut eine Fatwa gegen die Bahá'í ausgesprochen. In dieser religiösen Verhaltensanweisung drängt Irans oberster geistlicher Führer alle Iraner, keine Geschäfte mit Bahá'í zu tätigen und diese zu meiden. Seit Jahren läuft seitens der Regierung eine systematische Kampagne gegen die Bahá'í. Zurzeit sitzen 136 Bahá'í wegen ihres Glaubens im Gefängnis, darunter führende Vertreter. Nachdem diese sich in einem offenen Brief an den Leiter der Menschenrechtsabteilung der iranischen Justiz gewendet hatten, solidarisieren sich immer mehr einflussreiche Persönlichkeiten des Landes mit den Bahá'i.
    Bahá'í sollen studieren dürfen
    "Vor kurzem besuchte Mohammad Maleki, der erste Rektor der Universität Teheran, einen jungen Bahá'í, der vom Studium ausgeschlossen worden ist und entschuldigte sich bei ihm. Das alles sind positive Zeichen, die optimistisch stimmen, dass das Verhalten der Regierung sich ändern könnte",
    berichtet Sepehr Atefi, ein junger Bahá'i, der aus dem Iran geflohen ist und in Deutschland lebt. Er beobachtet die Entwicklung in seiner Heimat sehr genau.
    "Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass in meinem eigenen Bekanntenkreis im Vergleich zu früher die Bahá'í-Religion zunehmend positiver wahrgenommen wird. Die Menschen sind jetzt besser informiert. Sie stehen nicht mehr ausschließlich unter dem Einfluss der Regierungs-Propaganda. Inzwischen sind viele dafür, dass die Bahá'í das Recht haben sollten, an Universitäten zu studieren und sie verurteilen die Menschenrechtsverletzungen. Das alles berechtigt zur Hoffnung für die Bahá'í im Iran."