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Bahnstreik
Viel Lärm um fast nichts

Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit der Deutschen Bahn überraschend auf eine Schlichtung geeinigt und beendet ihren neunten Streik bei dem Konzern noch vor Pfingsten. Darauf verständigten sich beide Seiten heute Morgen. Wie reagiert die Wirtschaft darauf? Können die größten Schäden jetzt vermieden werden?

Von Felix Lincke | 21.05.2015
    Eine Reisende sitzt am 20.05.2015 im Hauptbahnhof in Stuttgart (Baden-Württemberg) auf einem Kofferkuli, da alle Sitzbänke belegt sind. Die Lokführer streiken erneut.
    Einen Tag braucht die Bahn AG in der Regel, um Störungen zu beseitigen. Für Reisende und Geschäftsleute, die den Zug nehmen wollten, ist das ärgerlich. (dpa / picture alliance / Klaus RoseWolfram Kastl)
    Viel Lärm um fast nichts wäre es, wenn die Schlichtung mit der Lokführergewerkschaft GDL zu einem schnellen Erfolg führt und wenn nicht auf der anderen Seite die konkurrierende Gewerkschaft EVG jetzt mit ihrem eigenen Streik anfängt. Darauf weist das Institut der deutschen Wirtschaft IW hin. Die Rivalität der beiden Bahngewerkschaften um den höchsten Tarifabschluss bleibe trotz Schlichtung bestehen, sagt IW-Tarifexperte Hagen Lesch. Er glaubt deshalb nicht, dass es mit der EVG zu einem schnellen Abschluss kommt, der weitere Warnstreiks verhindern würde.
    Ärgerlich für Bahnkunden
    Trotzdem bleibt festzuhalten: Was als längster Bahnstreik der Geschichte angekündigt war, endete nun schon nach wenigen Stunden. Einen Tag braucht die Bahn AG in der Regel, um Störungen zu beseitigen. Für Reisende und Geschäftsleute, die den Zug nehmen wollten, ist das ärgerlich. Für die gewerblichen Kunden der Güterbahn sei das meist kein Problem, sagt Karlheinz Schmidt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung BGL:
    "Normalerweise sind die Pufferlager in der Industrie groß genug, um das zu kompensieren."
    Folgen für die Deutsche Wirtschaft
    Viele Rechnungen wurden in den vergangenen Tagen aufgemacht, etwa dass ein Streiktag bei der Bahn die Deutsche Wirtschaft einhundert Millionen Euro kosten würde. Das stimmt nur bedingt; denn die ersten Tage eines Streiks können im Güterverkehr meist durch spätere Lieferungen ausgeglichen werden. Genauso wie man Termine auf die Zeit nach dem Streik verschiebt. Richtig teuer wird es erst bei einem hartnäckigen Arbeitskampf, sagt Schmidt vom Logistikverband BGL:
    "Etwas anderes wäre es, wenn ein Streik über Wochen ginge. Dann würden diese Massengutverkehre zum Teil auch Kraftwerke und andere Standorte, wo es um Massengut geht, also Eisen, Stahl - das wäre dann schon von gravierender Bedeutung, auch für die Mineralölversorgung. Hier sind Kesselwagen in großen Teilen auf der Schiene, sodass ein langer Streik auch zu Ausfällen führt, was die Versorgungssicherheit betrifft."
    Vor allem die chemische Industrie setzt nach wie vor stark auf die Bahn und muss es sogar: Einige gefährliche Chemikalien dürfen nur auf der Schiene transportiert werden. In der Automobilindustrie und im Maschinenbau ist der Verkehr überall dort, wo just in time, also zeitnah geliefert und produziert wird, ohnehin weitgehend auf der Straße. Der Individualverkehr wie mit Pendlern hat dagegen in den vergangenen Tagen stark zugenommen. So wurden rund um Frankfurt am gestrigen Streiktag noch Staus bis zu einer Gesamtlänge von einhundert Kilometern gemessen. Fernbusse dürften im Stau stecken geblieben sein, die zu Pfingsten einen neuen Buchungsrekord meldeten. Auch die Autovermieter wollten wie schon beim letzten langen Bahnstreik stark profitieren. Doch ähnlich wie bei den Taxifahrern dürfte sich dieser Sondereffekt diesmal in Grenzen halten.