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Bahrain
Drei Jahre nach dem Massenprotest

An der absoluten Macht von König Hamad entzündeten sich im Februar 2011 in Bahrain Unruhen. Zu einer Zeit, als viele Länder der arabischen Welt von Revolten erschüttert wurden. In Bahrain mussten viele für ihre Teilnahme an den Protesten bezahlen - mit Inhaftierung, Folter oder ihrem Leben.

Von Björn Blaschke | 10.04.2014
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    Trauernde am dritten Tag der Prozession für den getöteten 20jährigen Hussain Sharaf im Dorf Eker. (dpa / Mazen Mahdi)
    Schnellfeuergewehre und Pistolen, die dazugehörige Munition und Schalldämpfer, Steinschleudern und Handgranaten, selbstgebastelte Sprengsätze und Zünder, Stahlkugeln und Nägel, die bei einer Explosion herumfliegen, um möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen. Und: Feuerlöscher, die umgebaut wurden - zu Hochdruck-Harpunen. Aufgereiht liegen diese Mord-Werkzeuge auf zwei Tischen im stark gesicherten Innenministerium von Bahrain. Hochrangige Polizisten führen Gäste durch die Ausstellung und bieten Erklärungen zu den Exponaten.
    Video: "Im Geiste der Anti Terror-Kooperation"
    Ein Informationsvideo des Innenministeriums - das wie es im Vorspann heißt - "Im Geiste der Anti-Terror-Kooperation erstellt wurde". Der Clip beschreibt, wie die Sicherheitskräfte von Bahrain an diese und andere Waffen gekommen sind: Angeblich wurden sie bei Schmugglern entdeckt. Und bei schiitischen Terroristen, deren Ziel es ist - so die offizielle Lesart in Bahrain - das sunnitische Herrscherhaus zu stürzen und aus dem kleinen Inselstaat im persisch-arabischen Golf eine islamische Republik zu machen - nach iranischem Vorbild und mit Unterstützung aus Teheran.
    Als der Mann zu der Lieferung verhört wurde, sagte er, dass sie, er und seine Komplizen, in Iran ausgebildet wurden – von den Revolutionsgarden.
    König Hamad mit der absoluten Macht
    So wird der Verlauf eines Aufstandes in ein bestimmtes Licht gerückt. Schreiben die Herrschenden damit die Geschichte Bahrains um? Nachdem Hamad bin Isa al-Khalifa den Thron seines Vaters geerbt hatte, ließ er - im Februar 2001 - ein Referendum abhalten – unter anderem über die Frage, ob Bahrain künftig ein Königreich sein sollte. Die Mehrheit der Bahrainis - ob Schiiten oder Sunniten - stimmte mit "Ja". Und nur ein Jahr später ließ sich Hamad krönen. Zudem erließ er eine neue Verfassung und reaktivierte die seit 1975 nicht mehr einberufene Volksvertretung. Die Nationalversammlung. Aber: Auch wenn er auf dem Papier einer konstitutionellen Monarchie vorsteht, so behielt König Hamad doch die absolute Macht. Und auch daran entzündeten sich in Bahrain Unruhen - im Februar 2011, zu der Zeit, als viele Länder der arabischen Welt von Revolten erschüttert wurden.
    Demos Bahrain Frühjahr 2011
    Zwei maskierte Demonstranten sitzen auf großen Steinen und ruhen sich vom Kampf gegen die Polizei aus.
    Zwei maskierte Demonstranten ruhen sich vom Kampf gegen die Polizei aus (dpa / Mazen Mahdi)
    Tage lang campierten Demonstranten auf dem Perlen-Platz im Zentrum von Bahrains Hauptstadt Manama. Die erste Initiative zu einem Nationalen Dialog, angestoßen vom Kronprinz, scheiterte, und am 14. März kamen auf Bitten des Königs von Bahrain etwa zweitausend Sicherheitskräfte aus Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, um dem Bruder-Herrscher zu helfen. Die Ausländer "schützten" wichtige Gebäude, während die einheimische Polizei den Massenprotesten gewaltsam ein Ende setzte. Der Perlen-Platz wurde geräumt; das Denkmal darauf – so etwas wie ein riesiger Perlen-Ständer – ließen die Behörden abreißen. Jede Symbolik sollte verschwinden.
    DVD über Bahrain
    In den folgenden Monaten mehrten sich die Berichte darüber, wie brutal die Sicherheitskräfte während und nach den Protesten gegen Demonstranten und andere unliebsame Kritiker vorgingen. So schildert die Journalistin Nazeeha Saeed auf einer DVD, die die Menschenrechtsgesellschaft von Bahrain ausgibt, diese Ereignisse:
    "Die Folter begann mit einer Polizistin: Sie hat mir ins Gesicht geschlagen und mich getreten. Ich wurde auf den Boden gedrückt. Und dann haben auch andere Polizistinnen auf mich eingetreten. Ich wurde mit einem Schlauch geprügelt. Ich wurde mit Stromschlägen traktiert. Und mein Gesicht wurde in eine Toilette gedrückt. Sie beschuldigten mich, falsch berichtet zu haben; weil ich gesagt hatte, dass Menschen umgekommen sind bei den Protesten. Und dass die Armee scharf geschossen hat."
    Gefangene mit Elektroschocks gefoltert
    König Hamad selbst rief eine Untersuchungskommission ins Leben, um derlei Vorwürfe prüfen zu lassen. Kommissionschef Mahmud Cherif Bassiouni, ein ägyptisch-amerikanischer Professor für Internationales Strafrecht, legte Ende 2011 in Gegenwart des Königs einen 500-Seiten-starken Bericht vor. Er fiel für das Herrscherhaus vernichtend aus: Gefangene seien mit Elektroschocks, Schlafentzug, Metall- und Holzstäben gefoltert worden. Und Bassiouni machte Reformvorschläge, die vor allem auf eine Stärkung der Gewaltenteilung und die Einhaltung der Menschenrechte zielen. Der König versprach, diese Vorschläge aufzugreifen. Zudem kündigte er an, die Prozesse vor dem Militärtribunal zu beenden, das gegen Oppositionspolitiker und Aktivisten lebenslange Haftstrafen und sogar Todesurteile verhängt hatte. Aber: Die Proteste rissen nicht ab; wenngleich sie etwas nachgelassen haben. Seit kurzem mehren sich aber Attentate. Seit Frühjahr 2011 hat es in Bahrain mehr als hundert Tote gegeben und ungezählte Verletzte.
    Forderungen der Opposition seit 2011 bis heute nicht verändert
    Bis 2011 war der Perlen-Platz eine große Verkehrsinsel, um die herum ein Kreisverkehr floss. Heute, da das Monument abgerissen und der Platz bis auf Weiteres gesperrt wurde, ist er nur noch von einer vorbeiführenden Stadtautobahn aus zu sehen. Er wirkt wie eine unbedeutende Straßenkreuzung. Doch sind mit der Sperrung des Platzes auch die Gründe, die die Menschen 2011 massenhaft auf die Straße getrieben haben, aus der Welt? Hat der König mit seinen Reform-Versprechen Wort gehalten?
    Mehrheitlich sind die Bahrainis Schiiten
    Unlängst in einem der großen Hotels von Bahrain: Der gesperrte Perlen-Platz in Sichtweite; ebenso eine Bucht von Manama, in der einige traditionelle Dhaus neben modernen Schiffen liegen. Ein paar Oppositionelle haben sich bereit erklärt, über die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu sprechen, über ihren Konflikt mit den Herrschern. Einen Konflikt, von dem es häufig heißt, er sei religiös motiviert: Zwischen den Angehörigen der zwei islamischen Hauptströmungen - Sunniten und Schiiten. Und das liegt auch daran, dass das Herrscherhaus der Khalifa sunnitisch ist und damit zur Minderheit im Lande zählt. Mehrheitlich sind die Bahrainis Schiiten, die sich aber unterrepräsentiert fühlen – beruflich und politisch. Bisher hat das Königshaus viermal zu einem Nationalen Dialog eingeladen, um über die Spannungen im Land zu reden; doch herausgekommen ist dabei kaum etwas, weshalb sich der Oppositions-Katalog mit Kritik und Forderungen von 2011 bis heute nicht verändert hat. Nach wie vor wollen die Oppositionellen eine Demokratisierung des Landes. Pro forma leben die Bahrainis zwar in einer konstitutionellen Monarchie, aber de facto gibt es nach wie vor keine Gewaltenteilung, obwohl der Bassiouni-Bericht 2011 deren Stärkung eingefordert hat. Sagt Radi al-Moosawi, der amtierende Generalsekretär der Nationalen Demokratischen Aktionsfront:
    "Wir haben einen König, der nicht gewählt worden ist und nicht abgesetzt werden kann - obwohl die Mehrheit sich beim Referendum 2001 für eine konstitutionelle Monarchie ausgesprochen hat. Die wollten wir! Tatsächlich hält der König jedoch noch alle Macht in seinen Händen vereint. Er ernennt den Obersten Richter. Also hat er die Justizgewalt. Und die gesetzgebende Kraft hat er auch: Er ernennt immerhin die Hälfte der Nationalversammlung; die Mitglieder des Oberhauses. Womit er alle Gesetze blockieren kann. Tja, und die Minister und den Regierungschef ernennt er auch. Der Regierungschef ist jetzt seit mehr als vierzig Jahren im Amt und er ist nicht gewählt."
    Vetternwirtschaft und Korruption
    Ihm, dem Regierungschef, der seit mehr als vier Jahrzehnten ununterbrochen im Amt und ein Onkel des Königs ist, machen die Oppositionellen schwere Vorwürfe: Der Premier sei verantwortlich für Vetternwirtschaft und Korruption. Obendrein habe er dafür gesorgt, dass das Unterhaus, eine der zwei Kammern der Nationalversammlung, deren Mitglieder durch Wahlen bestimmt werden, daran nichts ändern kann: Der Premier habe die Wahlbezirke so zugeschnitten, dass es der schiitischen Bevölkerungsmehrheit nicht möglich ist, die Mehrheit der vierzig Plätze des Unterhauses zu erlangen. Die vierzig Mitglieder der zweiten Kammer der Nationalversammlung, das Oberhaus, werden ohnehin vom König berufen. Wie groß die Zahl der Schiiten tatsächlich in Bahrain ist, ist unklar; wohl weil das Herrscherhaus kein Interesse an konkreten Zahlen hat. International gilt als unstrittig, dass die Schiiten die Mehrheit der Staatsbürger von Bahrain stellen. Aber die Schiiten fühlen sich unterrepräsentiert, diskriminiert. So Mansoor al-Jamri, Chef-Redakteur von al-Wafd. Seine Zeitung gilt als die einzig unabhängige im Land. Jamri als neutraler, kritischer Beobachter unter den erklärten Oppositionellen:
    "Diskriminierung ist mittlerweile Teil jedes noch so kleinen Bereichs der Gesellschaft - sie wird nicht ausgesprochen, ist aber eindeutig: Jeder weiß, wer der andere ist, Bahrainis erkennen einander am Akzent oder wenn der Familien-Name fällt oder der des Geburtsortes. Man weiß sofort, wer Schiit ist oder Sunnit."
    Die schiitisch-muslimische Bevölkerungsmehrheit - so der Vorwurf der Bassiouni-Kommission wie auch der Opposition in Richtung der Herrschenden - habe es schwer, eine Anstellung und angemessenen, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Von staatlichen Jobs bei Ministerien, Polizei oder Armee seien die Schiiten weitgehend ausgeschlossen; immer weniger von ihnen bekleideten höhere staatliche Positionen. In den vergangenen zehn Jahren sei ihr Anteil von 30 Prozent auf zehn Prozent gesunken. In die Sicherheitskräfte schafften es sogar nur zwei Prozent Schiiten.
    Ombudsmann soll Gefängnisse überwachen
    Diskriminierung – auch etwas, das Menschenrechtsaktivisten beschäftigt. In Bahrain haben sie ein Zentrum: Die Geschäftsstelle der Bahrain Human Rights Society. Auf ihren Treffen legen die Mitglieder zunächst alle Handys in einen Korb, der aus dem Raum geschafft wird, in dem sie miteinander reden. Die Angst abgehört zu werden, ist groß. Auch unter den Menschenrechtsaktivisten ist man der Meinung, dass der Aufstand 2011 im Kern wenig mit einem religiösen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten zu tun hatte, dass vielmehr politische, soziale und wirtschaftliche Probleme den Ausschlag gaben. Und viele, übrigens auch Sunniten! - haben für ihre Teilnahme an den Protesten bezahlt - mit ihrem Leben oder mit Inhaftierung und Folter. Mittlerweile hat - der Anregung der Bassiouni-Kommission folgend - das Herrscherhaus mehrere Institutionen geschaffen, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren sollen. So ist nach britischem Vorbild ein Ombudsmann berufen worden, der Beschwerden gegen Mitarbeiter des Innenministeriums entgegennehmen und die Gefängnisse überwachen soll. Dazu gibt es eine Kommission, die direkt beim Generalstaatsanwalt angesiedelt ist. Sie soll Fehlverhalten von Regierungsbeamten untersuchen. Fehlverhalten in Zusammenhang mit Folter und Tod. Aber vielen Menschenrechtsvertretern fehlt das Vertrauen in diese von den Herrschern geschaffenen Institutionen. So sagt die Journalistin Nazeeha Saeed, die 2011 ebenfalls gefoltert worden ist:
    "Ich habe ein Verfahren angestrebt gegen die, die mich gefoltert haben, aber nach zwei Jahren vor Gericht wurden sie freigesprochen. Obwohl es all diese neuen Einrichtungen gibt. Und ich habe ihnen meinen Fall vorgestellt. Aber es führte zu nichts. Obwohl ich drei Gutachten - eines davon aus dem Ausland - vorgelegt habe, die alle besagen, dass ich gefoltert worden bin."
    Opposition möchte die "Macht teilen"
    Bei allen Problemen, die bis heute weiter bestehen, betont die Opposition, eines: Sie wolle keinen Sturz der Monarchie. Khalil Ebrahim Marzooq, Sprecher für internationale Fragen in der wichtigsten Oppositionsgruppe al-Wefaaq:
    "Wir wollen Leute, die vom Volk gewählt wurden, um die Macht mit der Herrscherfamilie zu teilen. Wir wollen die Herrscherfamilie nicht stürzen. Wir wollen die Macht teilen - in allen Gesellschaftsbereichen."
    Kein Sturz des Königshauses? - Eine, die derlei Äußerungen mit Argwohn hört, ist Sameera Ebrahim bin Rajab. Die modern wirkende Frau in Jeans und ohne Kopftuch, ist die Regierungssprecherin und Informationsministerin von Bahrain. Sie nimmt sich Zeit für ein langes Interview. Dabei vertritt Sameera Rajab eine harte Position. Pikanterweise ist sie die Cousine eines Mannes, der als Aktivist gegen das herrschende System berühmt geworden ist – und immer noch im Gefängnis sitzt:
    Er ist Nabeel Rajab. Sie kennen Nabeel Rajab. Er versucht ein neuer Held zu sein. Er hat gesagt - und er sagt -, dass er ein Menschenrechtsaktivist ist. Und ich habe ihn und seine Leute gefragt, warum er nicht diese Kinder schützt.
    Sameera Rajab holt aus der Handtasche ein Privat-Foto, das wirkt, als wäre es stets griffbereit. Das Bild zeigt eine lachende Kleinfamilie:
    Das ist Nabeel Rajab. Und das ist seine Tochter. Jünger als neun Jahre alt. Mit einem Kopftuch. Ich kann Menschenrechtsaktivisten nicht glauben, die einer solchen ‚Kultur' anhängen. Oder diesem Gedankengut. Diesem religiösen Denken.
    Mitgefühl für das kleine Mädchen - aber Härte gegen die Schiiten in ihrem Land, zu denen sie, Sameera, ebenfalls gehört. Die Regierungssprecherin und Informationsministerin von Bahrain behauptet, dass ihre Glaubensbrüder und -schwestern keinesfalls die Mehrheit der Bahrainis stellen:
    "Überhaupt nicht. Überhaupt nicht. Das ist das, was die Opposition behauptet. Wir können nicht sagen - niemals - dass es eine schiitische Mehrheit gibt. Es gibt dazu keine offiziellen Dokumente. Ich sage hundert Mal: Wir haben möglicherweise sogar eine sunnitische Mehrheit in Bahrain."
    Von einer Diskriminierung der Schiiten durch das Herrscherhaus oder andere Sunniten könne dabei keine Rede sein: Die meisten Ärzte und Ingenieure des Landes seien Schiiten. Wie man überhaupt darauf kommen könne, dass sie diskriminiert, marginalisiert würden? Als Regierungssprecherin und Informationsministerin ist es selbstverständlich Sameera Rajabs Aufgabe, die Politik der Herrscherfamilie zu rechtfertigen. Und deren Fortschritte darzustellen. Entsprechend weist sie darauf hin, dass der König eine Verfassungsänderung angeordnet hat und andere Reformen; dass es aber eben Zeit brauche, bis die alle greifen. Die Probleme des Landes könnten aber letztlich nur durch eines gelöst werden: Dialog.
    "Die, die wir Opposition nennen, sollten den Dialog durchlaufen um ihre Ziele zu erreichen. Die Gewalttätigen, die Terroristen, werden wir mit dem Gesetz verfolgen. Die anderen müssen durch den Dialog, und ins Parlament einziehen. Und ihre Forderungen durch das Parlament erfüllen. Das versuchen wir."
    Diese "Gewaltbereiten", die "Terroristen" seien in Bahrain unterwandert, so Sameera Rajab - von Iran:
    "Ist es nur in Bahrain so? Wer steckt in Wirklichkeit hinter der Hisbollah in Libanon? Iran! Was macht Iran in Syrien? Was macht Iran im Irak? Teheran verfolgt seine Interessen in diesen Konflikten. Iran hat eine Agenda; die Iraner wollen Probleme schaffen; sie haben ihre Agenda."
    Verhärtete Fronten
    Sameera Rajab wiederholt das, was seit 2011 gebetsmühlenartig verbreitet wird, obwohl der Bericht des unabhängigen Rechtsexperten Bassiouni ausdrücklich feststellt, dass für diese Behauptung die Beweise fehlen. Die iranische Agenda jedenfalls, sehe vor, dass Iran schiitische Hegemonialmacht wird und die sunnitischen Muslime dominiert. Aus Bahrain gar, so Regierungsvertreter in Manama, wollten die Iraner einen zweiten Gottesstaat machen. Bei einer derart rigorosen Haltung wirkt es wenig erstaunlich, dass Oppositionelle in Bahrain sagen, Kritiker würden recht schnell in die Ecke von "Unterstützern der Gewaltbereiten" gerückt, also als schiitische Terroristen abgetan. Eine Strategie, die auch andere nahöstliche Diktaturen anwenden. Die Folge sind verhärtete Fronten. Beide Seiten sagen, sie seien an einem "zielorientierten" Dialog interessiert und werfen dem jeweiligen Gegner vor, darauf nicht eingehen zu wollen. Womit sie nichts erreichen - nur Stillstand. Justin Gengler, ein US-amerikanischer Politologe, hat kurz vor Beginn des Aufstandes in Bahrain Feldstudien betrieben. Unter anderem zu den Bevölkerungszahlen - von Schiiten und Sunniten. Heute lehrt er an der Universität von Qatar. Gengler kommt zu dem Schluss, dass beide Seiten übertreiben. In Wirklichkeit seien es weniger Schiiten als die selber behaupten, aber immer noch so viele, dass die Sunniten tatsächlich in der Minderheit sind... aber knapp. Deshalb, so Gengler, arbeite das Herrscherhaus der Khalifa daran, dass die Sunniten mehr werden: Sie holen sich sunnitische Muslime ins Land und lassen die - statt der Schiiten - in den Sicherheitskräften und anderen Bereichen der Gesellschaft arbeiten.
    "Wenn - sagen wir in fünf Jahren - der Staat es wirklich schafft, genügend Sunniten nach Bahrain zu holen und sie auch mit einer bahrainischen Staatsbürgerschaft auszustatten, dann kann der Staat hingehen und wirklich Reformen einleiten. Mit freien Wahlen und einem richtigen Parlament, weil das Herrscherhaus dann weiß, dass die Schiiten gar nicht mehr die Mehrheit erlangen können, was die Oppositionspartei entmachtet. Heute ist es so, dass die internationale Gemeinschaft Sympathien für die Mehrheit hat, die politisch aber ohnmächtig ist. Dann aber wird die internationale Gemeinschaft sagen: 'Guckt, Ihr habt verloren. Die Wahlen waren frei und fair.' Die Schiiten haben davor wirklich Angst. Und in fünf bis zehn Jahren ist das eine echte Möglichkeit!"