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Bakteriendoping aus dem Höllenschlund

Klimaforschung. - Vulkanasche in der Atmosphäre reflektiert das Sonnenlicht und lässt Wolken entstehen und verringert so die Klimaerwärmung gleich doppelt. Doch wie britische Forscher jetzt entdeckten, beeinflussen Vulkane das Klima auch direkt am Boden - als Methanbremse.

13.06.2005
    Als sich 1991 am Pinatubo auf den Philippinen zum vorerst letzten Mal ein gewaltiger Vulkanausbruch ereignete, beeinflussten seine gewaltigen, bis in 30 Kilometer Höhe geschleuderten Ascheteilchen das Klima einschneidend. Über Jahre kühlte der Partikeleintrag das Weltklima ab, indem einerseits Sulfate das wärmende Sonnenlicht zurück in den Weltraum warfen. Andererseits wirkten Staubteilchen als Kristallisationskeime für die Bildung ebenfalls Strahlung reflektierender Wolken. Doch noch auf eine weitere Art könnten die Eruptionen die Erde abkühlen, meint Vincent Gauci von der Offenen Universität in Milton Keynes nördlich von London. Dreh- und Angelpunkt seiner Hypothese sind die weltweiten Feuchtgebiete wie etwa Moore, aus denen die bedeutendsten Einträge an klimawirksamem Methan in die Atmosphäre stammen.

    " In Mooren Schottlands simulierten wir sauren Vulkanregen und maßen dabei, wie viel Methan sie dabei freisetzten. Während wir das "vulkanische" Sulfat bereits vor Jahren nur für wenige Monate zusetzten, stellten wir die Methan-Messungen bis vor kurzem an."

    Das Ergebnis verblüffte Gauci und seine Kollegen: Noch Jahre nach dem nachgestellten Vulkanausbruch unterdrückten die Schwefelverbindungen die Methanproduktion in den Feuchtarealen. Demnach beeinflussen die Vulkane das globale Klima also offenbar nicht nur über ihre abschirmenden Aschewolken, sondern auch auf weniger offensichtliche Weise.

    "Auf diese indirekte Weise wirken die Vulkanpartikel viel länger auf das Klima ein - auch dann noch, wenn sie längst wieder aus der Atmosphäre verschwunden sind..."

    ...konstatiert Stephen Self, Professor für Vulkanologie an der Offenen Universität. Die Ursache des merkwürdigen Effektes: Der saure Vulkanregen mischt die Karten für die kleinsten Bewohner der Moore neu. Einerseits leben dort Bakterien, die sich von organischen Kohlenstoffverbindungen ernähren und dabei eben Methan bilden. Ihre Konkurrenten sind Mikroorganismen, die stattdessen Sulfate "verdauen" - und für sie ist der Vulkanausbruch geradezu ein Segen. Unter derart verbesserten Bedingungen drängen sie ihre Mitbewohner geradezu in die Bedeutungslosigkeit zurück, und damit auch die Methanproduktion.

    Im Gegensatz zum sauren Regen aus Menschenhand, der vor allem mehr oder minder in der Nähe von Kraftwerken, Industrieanlagen und Verkehrszentren niedergeht, gelangt der vulkanische Bakteriendünger quasi in hohem Bogen selbst an die entlegensten Flecken der Erde und beflügelt die Gegenspieler der Methanbildner im tiefsten Sibirien genauso wie in Alaska oder Kamtschatka. Ob aber Vulkane so den menschgemachten Treibhauseffekt wesentlich zurückdrängen konnten, bezweifelt Stephen Self:

    "Im 20. Jahrhundert gab es keine wirklich großen Ausbrüche. Deshalb ist fraglich, ob dieser Staub- und Methan-Effekt schon aufgetreten ist, seit sich die Erde neuerdings erwärmt."

    [Quelle: Volker Mrasek]