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Bakterienkur für Frösche

Zoologie.- Seit Jahren werden Amphibien auf der ganzen Welt von einem mysteriösen Killer bedroht: dem Chytrid-Pilz. Innerhalb kürzester Zeit zerstört er die empfindliche Haut von Fröschen und Kröten. Forscher aus Zürich wollen dem Pilz nun mit einer Bakterienkur zu Leibe rücken.

Von Marieke Degen | 19.09.2011
    Im Sommer kann man ihn manchmal hören, in Steinbrüchen oder Kiesgruben.

    Den Paarungsruf der Geburtshelferkröte, hell und zart wie kleine Glocken. Die Krötenmännchen locken damit die Weibchen an. Sie haben eine Menge zu bieten: Echte Vaterqualitäten, und die sind selten bei Amphibien.

    "Die Geburtshelferkröte ist wirklich einmalig. Die Männchen tragen die Eier wochenlang mit sich herum und bringen sie erst dann zum Wasser, wenn die Kaulquappen schlüpfen."

    Die Geburtshelferkröte ist in Europa weit verbreitet, sagt Doug Woodams von der Universität Zürich.

    "Aber sie werden immer seltener. Denn sie sind besonders anfällig für den Chytrid-Pilz."

    Der Chytrid-Pilz ist ein heimtückischer Amphibien-Killer. Der Pilz verbreitet seine Sporen im Wasser, er infiziert die Frösche in Tümpeln und Bächen und zerstört ihre empfindliche Haut. Chytrid wütet auf der ganzen Welt. In Europa und in den USA, am schlimmsten ist es aber in den Tropen, in Mittel- und Südamerika und in Australien. Dort hat der Pilz schon Hunderte Amphibienarten auf dem Gewissen. Deshalb haben Forscher schon vor ein paar Jahren eine große Rettungsaktion gestartet: Sie fangen bedrohte Frösche ein und bringen sie erstmal in Zoos in Sicherheit.

    "Irgendwann wollen wir die Frösche wieder in die Wildnis zurückbringen. Das ist die eigentliche Herausforderung: Wir müssen einen Weg finden, wie wir die Amphibien in der freien Wildbahn vor dem Pilz schützen können."

    Die Züricher Forscher arbeiten zurzeit an einer Bakterienkur, mit der sie die Tiere in der Wildnis gegen den Pilz wappnen wollen. Denn nicht alle Frösche sterben an Chytrid. Es gibt auch unter den empfindlichen Geburtshelferkröten immer wieder Überlebende. Und das liegt wahrscheinlich auch an ihrer Haut, genauer gesagt: an den Bakterien, die auf ihrer Haut leben. Einige davon können den Pilz bekämpfen.

    "Wir wollen jetzt herausfinden, welche Bakterien genau die Amphibien vor Chytrid schützen, und ob wir diese Bakterien dann auch auf andere gefährdete Froscharten übertragen können. Wir halten das für eine guten Ansatz. Denn lebendige Bakterien können hoffentlich lange auf der Amphibienhaut leben und die Tiere dauerhaft schützen, auch wenn wir die Frösche wieder in Gebieten aussetzen, wo Chytrid vorkommt."

    Die Züricher haben schon 200 verschiedene Bakterienarten von der Geburtshelferkröte gesammelt und im Labor gezüchtet. Eine ganze Reihe davon kann den Chytrid-Pilz vernichten – zumindest in der Petrischale. Im Moment laufen erste Studien mit Geburtshelferkröten – allerdings nur im Labor.

    "Im Labor setzen wir die Kröten in kleine Schälchen und baden sie mit so einer Bakterienlösung. Das Ganze dauert eine Stunde."

    Doug Woodams Kollegen aus Kalifornien sind schon einen Schritt weiter. Sie haben Gebirgsfrösche mit Purpurbakterien behandelt und danach wieder in die Wildnis entlassen, in die Sierra Nevada, wo der Pilz schwer wütet. Jetzt im Sommer wollen sie zählen, wie viele Frösche überlebt haben. Doch selbst wenn die Bakterienkur funktioniert: Sie hat ihre Tücken. Im Moment können die Forscher nur einzelne Tiere im Labor behandeln, und nicht in der Wildnis. Außerdem wirkt die Bakterienkur offenbar nicht bei allen Fröschen.

    "Die Purpurbakterien zum Beispiel funktionieren bei den Gebirgsfröschen in Kalifornien, aber nicht beim hochgefährdeten Stummelfußfrosch in Panama. Die Bakterien bleiben einfach nicht auf ihrer Haut haften."

    Deshalb sei es wichtig, verschiedene Strategien gegen den Pilz zu entwickeln. Bakterien sind nicht das einzige. Eine Gruppe aus Australien arbeitet zum Beispiel auch an einer Impfung. Doch ob die Forscher die Seuche tatsächlich irgendwann in den Griff bekommen, weiß keiner. Im Moment bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die gefährdeten Arten weiter einzusammeln und in Zoos zu bringen.