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Bald kulturlos?

Lückert: Frage an den Oberbürgermeister der Stadt Köln, an Fritz sehen Sie Schramma, ist das jetzt Hysterie, oder wird es schwere Einbußen im Kulturellen Leben der Stadt geben?

Fritz Schramma im Gespräch. | 16.01.2003
    Schramma: Es ist mit Sicherheit keine Hysterie, sondern es ist das, was vorher angekündigt war. Ich habe fairerweise im Vorfeld allen Ratsmitgliedern die Konsequenzen aufgezeigt, so dass das jetzt eigentlich keine Überraschung sein darf. Natürlich ist es für viele der Bürger eine Überraschung, die vielleicht nicht damit gerechnet haben, wie hoch die Verschuldung ist. Wir reden hier immerhin über eine halbe Milliarde Euro. Das ist nicht so ohne weiteres weg zu sparen, weil in der gleichen Größenordnung eigentlich nur die disponible Masse steht. Das sind die freiwilligen Leistungen.

    Lückert: Ist das ein wenig auch die Kölner Mentalität, dieses Himmelhochjauchzen zu Tode betrübt? Gestern wollte man sich noch als europäische Kulturhauptstadt bewerben und heute wird alles gestrichen.

    Schramma: Ja, zunächst einmal muss ich den Riegel davorschieben, weil ich aus der jetzigen Situation nicht anders kann. Dieses kurzfristige Umdenken hängt eben auch mit der Kurzfristigkeit eines Ratsbeschlusses zusammen. Wenn am letzten Montag nur einer anders gestimmt hätte, dann hätte ich 420 Millionen Euro im Haushalt und diese Probleme nicht. Die ganze Stadt hätte sie nicht. Aber leider ist es anders gekommen. Ich war davon ausgegangen, dass wir mit diesem Geld rechnen können. Nun muss ich umdenken. Ich muss zusammen mit der Kämmerei und den Politikern schauen, wie wir dieses riesige Haushaltsloch bewerkstelligen können.

    Lückert: Da denken Sie natürlich auch an Einschnitte in der Kultur. Was steht das denn auf der Liste?

    Schramma: Ja, das ist sicherlich nicht angenehm. Aber es müssen alle Punkte auf den Prüfstand kommen. Da ist natürlich der Bereich der Kultur auch einer. Sie müssen wissen, dass er mit einem 90-Millionenzuschuss einer der größten überhaupt ist. Natürlich wird auch er an bestimmter Stelle bluten müssen, aber das müssen alle Bereiche. Das fängt beim Oberbürgermeister selber an, und das geht durch die gesamte Verwaltung und durch alle freiwilligen Leistungen. Wir haben zunächst einmal die Aussage zu machen, dass es keinen Cent mehr gibt, außer bei den Dingen, zu denen wir gesetzlich verpflichtet sind. Da muss auch die Kultur ihren Beitrag leisten.

    Lückert: Werden Sie noch ein bisschen konkreter. Was wird genau gekürzt?

    Schramma: Ich kann Ihnen das jetzt noch nicht konkret sagen, weil ich diese Verhandlungen und Rechnereien bis zum Wochenende einschließlich erst fertig habe. Aber wenn ich sage, alles steht auf dem Prüfstand, dann ist letztlich auch alles im Bereich des Möglichen. Das ist das, was ich zunächst gesagt habe. Ich habe auch keine konkreten Maßnahmen angekündigt. Ich habe aber nicht gesagt, dass dieses oder jenes Museum nicht gebaut werden könne. Das hängt übrigens auch von den Zuschüssen des Landes ab. Aber wenn uns das Land im Stich lassen würde, die Zusage haben wir auch noch nicht schriftlich, dann kann hier niemand ein Museum bauen. Dann werden wir auch bei den Bühnen Abstriche machen müssen. Auf der anderen Seite werden natürlich parallel dazu alle Anstrengungen unternommen, doch noch vielleicht für die eine oder andere Maßnahme eine Lösung zu finden. Der Stadtvorstand, also die komplette Verwaltung wird sich am Dienstagmorgen mit den Sparvorschlägen beschäftigen müssen. Das heißt, wir müssen hier über das Wochenende noch eine Menge Hausaufgaben machen. Das kann man nicht alles von heute auf morgen auf den Tisch legen, weil wir jeden einzelnen Punkt durchrechnen müssen. Aber ich bin bereit und sehr willig, mit dem Kämmerer zusammen immerhin trotz alledem nach Lösungen zu suchen, mit denen es uns vielleicht doch gelingt, möglichst wenig wirklich auch wegstreichen zu müssen. Aber es wird gestrichen werden müssen. Das ist ganz klar.

    Lückert: Wenn Sie mit Ihren Kollegen aus anderen Städten sprechen, ist das eine besonders bedrohliche Situation in Köln oder geht es zur Zeit nicht vielen Städten ähnlich?

    Schramma: Es geht vielen Städten ähnlich, aber für Köln ist das besonders schmerzhaft, weil Köln nun auch eine Kunst- und Kulturstadt ist. Ich weiß, dass das uns allen sehr weh tut. Gerne macht das keiner. Aber ich werde mich in den nächsten Tagen auch mit dem Regierungspräsidenten zusammensetzen, weil wir uns für ein Haushaltssicherungskonzept anmelden müssen. Dann wird uns dieser sicherlich auch sagen, wo wir uns noch Dinge leisten können oder nicht. Wir müssen ja jetzt für die nächsten fünf Jahre Gelder zur Seite legen, ansparen oder überplanmäßig ausgeben, damit wir überhaupt überleben können. Die nächsten vier Jahre muss das wieder zurückgezahlt werden. Das ist ein langfristiger Prozess, der wird jetzt bis 2012 durchgerechnet. Da liegt nun einmal ausgerechnet diese Bewerbung für die Kulturhauptstadt 2010. Der erste Moment ist der, dass ich sage, dass wir das aus der jetzigen Situation heraus nicht finanzieren können.

    Lückert: Was erwarten Sie sich von den Koalitionsverhandlungen vom Sonntag?

    Schramma: Ich hoffe, das von dort viele Sparbeiträge kommen. Da ist ja letztendlich auch die Verantwortung im politischen Bereich. Die müssen mit mir zusammenarbeiten und müssen mit mir ans Werk gehen. Ansonsten ist die Koalition nicht mein Thema. Das ist nicht Thema des Oberbürgermeisters. Das macht die Politik. Das machen die Fraktionen. Ich muss sehen, dass ich hier von meiner Seite aus den Haushalt darstelle. Das wird wohl bis Montagmorgen geschehen.

    Lückert: Vielen Dank, Herr Schramma.

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