Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Ballonfahrt um die Venus

Raumfahrt.- Im französischen Alpenstädtchen Aussois beginnt heute eine internationale Venus-Konferenz. Eine Woche lang stellen Wissenschaftler aus Europa, Amerika und Asien das vor, was sie in den kommenden Jahren zum inneren Nachbarplaneten der Erde schicken wollen.

Von Guido Meyer | 21.06.2010
    Im Ballon unter den Sternen fahren – schöne Vorstellung. Und auch reizvoll. Denn aus diesem Blickwinkel habe man den Planeten Venus bislang überhaupt noch nicht gesehen, findet Kevin Baines vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa.

    "Es gibt überhaupt nur sehr wenige Fotos von der Oberfläche der Venus. Und Aufnahmen aus einer schrägen Perspektive, aus einem über die Oberfläche gleitenden Ballon, gibt es gar nicht."

    Die Venus entzieht sich der Beobachtung: Aus dem All können Satelliten ihre dicke Wolkendecke im optischen Bereich nicht durchdringen. Raumsonden auf ihrer Oberfläche stellen nach wenigen Minuten ihren Dienst ein, teils wegen der hohen Temperaturen, teils wegen des hohen Drucks. Irgendwas dazwischen wäre also ideal – zum Beispiel Ballons. Die müssten jedoch entsprechend hoch fliegen, gibt Jacques Blamont zu Bedenken, Berater des Präsidenten der französischen Weltraumagentur CNES.

    "Ein Ballon auf der Venus dürfte es schwer haben. Auf jeden Fall müsste es sich um einen geschlossenen Ballon handeln, da er von der Atmosphäre mitgerissen werden würde. Die dicke Wolkenschicht bewegt sich in nur vier Tagen einmal um den gesamten Planeten herum. Wir könnten uns also nur oberhalb dieser Bewegungen, in den höheren Schichten der Atmosphäre, in etwa 50 Kilometern Höhe aufhalten."

    Genau diese Höhe ist das Ziel des JPL, das derzeit mit der Mission "Polar Valor" einen Venus-Ballon entwickelt. Die Abkürzung steht für "Venus Atmospheric Long-duration Observatories for in-situ Research", also für Langzeitbeobachtungen der Venus-Atmosphäre vor Ort – und zwar überwiegend an deren Polen. Da ein Ballon dort zu wenig Sonnenlicht abbekäme, um eine permanente Energieversorgung sicherzustellen, soll er mit einem Nukleargenerator betrieben werden. Kevin Baines:

    "Wir wollen 'Polar Valor' in der Nähe des Venus-Äquators aussetzen. Von dort wird der Ballon mit den Nord-Süd-Winden rund um den Planeten getragen: zum Nordpol, dann hinunter zum Südpol und wieder zurück. Dabei soll er zunächst in 55 Kilometer Höhe fahren. Aus dieser Position wird er allmählich absinken und dabei die Chemie der Umgebung, den Druck und die Temperaturen messen."

    Bei seiner Ankunft an der Venus wird zunächst ein Bremsfallschirm die fast eine Tonne schwere Kapsel von der Erde stabilisieren. Die Verkleidung der Kapsel löst sich, ein mitgeführtes Helium-Stickstoff-Gemisch sorgt für die Entfaltung des Ballons, und er löst sich von Mutterschiff und Fallschirmen. Die Fahrt kann beginnen.

    "Aus der Gondel des Ballons ließen sich winzige Sonden von der Größe einer Coladose abwerfen, die rund zehn Kilogramm wögen. Auf ihrem Weg nach unten dürften sie etwa eine Stunde durchhalten und uns während ihres Abstieges ein vertikales Profil der Venus-Atmosphäre übermitteln."

    Nicht nur die Nasa, auch die japanische Weltraumagentur Jaxa entwickelt derzeit einen Venus-Ballon. Das noch namenlose Projekt soll aus einer Abstiegskapsel samt Ballon bestehen und einem Orbiter, der als Relaisstation zur Übertragung der Ballondaten in einer Venus-Umlaufbahn verbleibt. Tetsuya Yamadu vom Institut für Weltraum- und Astronautische Wissenschaften der Jaxa:

    "In der Abstiegskapsel ist der Ballon wie Toilettenpapier aufgerollt. Wenn sich der Bremsfallschirm entfaltet, öffnet sich mit ihm auch der Ballon. Er entrollt sich automatisch. Zwei Wochen lang soll er den Planeten umrunden. Wir setzen auf ein anders Gasgemisch als die Amerikaner und wollen unter anderem Wasserdampf verwenden. Weil das Gas aus seinem Innern jedoch stetig entweichen dürfte, wird er allmählich schwerer werden und immer tiefer sinken."

    Für Japans Mission gibt es noch keinen genauen Zeitplan; der amerikanische Ballon soll im Rahmen des Discovery-Programms der Nasa in frühestens zehn Jahren abheben.