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Balzzeit
Brandenburg siedelt das Auerhuhn an

Der Braunkohletagebau hatte das Auerhuhn aus Brandenburg vertrieben: Weil für den Tagebau riesige Mengen an Wasser abgepumpt werden mussten, wurden Moorlandschaften entwässert, der Lebensraum der Auerhühner. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt in den vergangenen drei Jahren geht Brandenburg nun an die Wiederansiedlung der Auerhühner.

Von Vanja Budde | 21.05.2015
    "Was macht denn dieser Hahn? Der ist ja wütig!"
    Vogelpfleger Jochen Pawlack "Der balzt."
    Er ist 80 Zentimeter hoch und rabenschwarz, der Kranz um die Augen flammend rot, das Brustgefieder schillert dunkelgrün. Er hat die Schwanzfedern aufgefächert und die Flügel mit einem knappen Meter Spannweite gespreizt. Aufgebracht umkreist uns der majestätische Großvogel und hackt immer wieder in die zur Abwehr vorgestreckte Schuhsohle: Beeindruckend, so ein balzender Auerhahn, das findet auch Pfleger Jochen Pawlack in der Vogelstation der Oberförsterei Hohenleipisch im Herzen des Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft.
    "Ja. Also beim Voliere-Sauber machen ging das meistens nur zu zweit, einer hat ihn in Schach gehalten und einer hat eben sauber gemacht."
    Lars Thielemann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Seit Jahren beschäftigt sich der Leiter der Naturparkverwaltung mit dem Projekt Wiederansiedlung der seltenen Raufußhühner.
    Kein leichtes Unterfangen: Die in freier Wildbahn sehr scheuen Bodenbrüter stellen hohe Anforderungen an ihren Lebensraum.
    "Also ad eins erst mal sehr große, zusammenhängende Wälder. Dann spielt vor allen Dingen das Vorkommen der Blaubeere eine zentrale Rolle. Das ist hier geologisch bedingt auf den eher armen Böden der Altmoränenlandschaft eine ganz typische Bodenvegetation in den Wäldern. Dann müssen sie relativ licht sein, also auch die Blaubeere braucht zum Wachsen und zum Fruktifizieren Licht. Und auch das Auerhuhn bevorzugt schon offenere, lichtere Wälder, wie sie gerade unsere Kiefern oder Kiefern-Traubeneichen-Mischwälder sind."
    Die fasanenartigen Auerhühner brauchen Gebüsch zum Verstecken und ernähren sich im Sommer und Herbst von Blaubeeren. Nur im Winter fressen sie genügsam harte Kiefernnadeln. Früher war die Niederlausitzer Heidelandschaft ganz im Süden Brandenburgs ein gutes Biotop für Tetrao urogallus. Doch heute prägen Nutzholz-Kiefernwälder die Landschaft. Die dünnen Stämme stehen so eng, dass die bis zu fünf Kilo schweren Vögel nicht auffliegen können.
    "Wir sehen das Auerhuhn als eine Art Leitart, dass wir sagen: "Wir wollen, dass Landschaft sich wieder dahin entwickelt, dass diese Tierart, die hier bis weit in die 90er-Jahre beheimatet war, hier wieder vorkommen kann". Weil das auch ein Ausdruck von Qualität von Wäldern ist, von Naturnähe, von einer Ausprägung von Wäldern, mit der dann ganz, ganz viele andere Arten auch bevorteilt werden würden."
    Auerhuhn kann wiederkommen
    Der Braunkohleabbau ist hier beendet, die Truppenübungsplätze in der Heide liegen still: Das Auerhuhn kann wiederkommen. Damit das gelingt, hat das Naturpark-Team im Projektgebiet den Umbau hin zu naturnahen Wäldern forciert: Das bedeutet Verzicht auf Kahlschläge, sodass der Anteil von Alt- und Totholz steigt. Moore wurden wieder bewässert. Die auch im Winter standorttreuen Auerhühner brauchen viel Platz: Hähne etwa 250 Hektar und die alleinerziehenden Hennen mit ihren Küken 150 Hektar. Brandenburg importiert für die Neuansiedlung der Population Wildfänge. Denn die Auswilderung von Zuchttieren gehe oft schief, erzählt Naturparkleiter Thielemann: Gezüchtet werde mit eher phlegmatischen Exemplaren, die bei Störungen nicht dauernd auffliegen. In freier Wildbahn bleiben die aber auch dann dösig hocken, wenn der Fuchs kommt.
    "Unsere Tiere kommen aus Schweden, in Schweden gibt's noch eine sehr, sehr große, stabile Population, die dort auch noch bejagt wird. Da werden viele Tausend Tiere jedes Jahr geschossen. Das, denken wir, rechtfertigt, dort auch Tiere für so ein Projekt zu entnehmen."
    In den kommenden zehn Jahren sollen 80 bis 100 Auerhühner angesiedelt werden. Klappt das Projekt, wäre es der erste wirklich durchschlagende Erfolg in Deutschland. Bis der Bestand überlebensfähig ist, werden vielleicht 20 Jahre vergehen. Doch der Aufwand und die Kosten von etwa 3.000 Euro pro Huhn lohnten sich, meint Thielemann:
    "Es ist einfach ein sehr beeindruckendes Tier. Wenn man mal in Schweden an einem Balzplatz dieses unglaubliche Ritual dieser Balz von mehreren Hähnen in dieser Landschaft hat erleben können, dann weiß man, dass das ganz großes Kino ist und dass man irgendwie die Hoffnung hat, dass das hier in unseren Wäldern auch wieder stattfinden kann. Und im Übrigen, die Tiere, die wir aus Schweden geholt haben, balzen jetzt gerade draußen, also es findet schon wieder statt. Und dass es das auch sicher, also mit einer ausreichend großen Population in Zukunft tut, das wäre schon so was, wofür es sich lohnt, sich einzusetzen."