Dienstag, 19. März 2024

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Band Isolation Berlin
Im Gleichgewicht von Melancholie und Wut

Isolation Berlin überzeugen auch mit ihrem zweiten Album: bittersüße Melancholie, befreiende Aggressivität und Songtexte, die wie feingeistige Literatur wirken. Eine Berliner Mischung voller Metaphern und brutaler Direktheit, die alles andere als isoliert.

Von Michael Frank | 12.08.2018
    Die Band Isolation Berlin
    Lieben die Theatralik: die Band Isolation Berlin (Noel Richter)
    Wie ein Mantra wird die Titelzeile von "Wenn ich eins hasse" wiederholt: Metaphern von ätzender Zerstörung:
    "Hass frisst sich durch die Gedärme und selbst das Lächeln der Person gegenüber ist negativ. Es frisst sich in die Netzhaut des Betrachters - schmerzvoll schmeichelnd. "
    Die Pointe: Es gibt dann doch etwas, das Trost bringt: der Regen.
    "Er tropft und klopft auf die Mütze und vereint sich mit den Tränen."
    Lange nicht mehr wurde solch ein Bekenntnis zu Tränen in einem deutschsprachigen Rocksong formuliert. Isolation Berlin umschiffen dabei souverän souverän die Kitsch-Klippe, sie klingen glaubhaft und übersetzen ihre Bilder von Verwirrung und Hass phantasievoll in Musik. Die Klavier-Akkorde im Intro sind verzerrt, und werden durch heftigen Einsatz des Kompressors-Effekts im Studio buchstäblich zerquetscht und jeder Dynamik beraubt. Die Akkorde der Gitarren lassen sich nie als Dur oder Moll identifizieren. Dazu wiederholt das Klavier im ganzen Song immer wieder einen Ton - am Ende wird er zum Klang der tröstenden Regentropfen.
    Musik: "Meine Damen und Herren"
    Die vierköpfige Band Isolation Berlin lebt tatsächlich in Berlin. Sie wurde 2012 von Tobias Bamborschke und Max Bauer gegründet. Ihre erste Platte, eine kurze EP, erschien 2014, und spätestens seit ihrem Debütalbum "Und aus den Wolken tropft die Zeit" im Jahr 2016 ist das Quartett kein Geheimtipp mehr. Auch mit ihrem zweiten Album, Anfang 2018 veröffentlicht, und während ihrer mitreißenden Konzerte schaffen sie eine ganz eigene Balance zwischen bittersüßer Melancholie und entfesselter, befreiender Aggressivität. Beim Kölner Konzert der Band im Frühling 2018 war das Publikum zu gleichen Teilen männlich und weiblich - keine Selbstverständlichkeit bei lauten jungen Männern mit elektrischen Gitarren um den Hals.
    Gesang, Gitarre und Literatur
    Tobias Bamborschke wurde 1988 in Köln geboren. Er sang schon immer gern, auch wenn er dazu nicht ermutigt wurde.
    "Als ich früher gesungen habe, hat mein Bruder immer gesagt, wenn ich nicht sofort aufhöre, dann haut er mir eine rein. Ich wurde von meinem Bruder immer aus seinem Zimmer geworfen, wenn ich gesungen habe. Es war einfach etwas, was ich selber wollte, was ich einfach die ganze Zeit gemacht habe. Und irgendwann habe ich dann auch eine Band gegründet oder meine ersten Songs geschrieben, meine ersten Bearbeitungen. Aber das war nichts, was ich getan habe, weil ich gedacht habe, das gefällt Leuten, sondern ich habe es einfach gemacht, weil es mir Spaß gemacht hat."
    Max Bauer wurde 1991 in Göttingen geboren. Hauptsächlich spielt er Gitarre, gelegentlich auch Keyboard.
    "Ich habe mit acht angefangen, Klavier zu spielen. Meine Tante hat meiner Schwester ein Klavier geschenkt. Also eigentlich sollte sie anfangen, Klavier zu spielen. Oder wollte sie. Aber ich habe es dann gemacht. Ich habe irgendwie zwischendurch ein oder zwei Jahre Cello gespielt, aber das war echt nicht mein Ding irgendwie. Ich war auch ziemlich schlecht. Und dann mit 14, 15 habe ich mit Gitarre angefangen.
    Tobias Bamborschke: "Ich habe tatsächlich Gitarre gelernt in Anführungsstrichen aber ich war immer mehr so der Sänger. Und hab auch so Songs umgeschrieben damals, und Songs geschrieben als ich klein war. Und Gedichte. Meine Eltern waren verzweifelt, mein Gitarrenlehrer auch. A, E und D konnte ich. Das war es. Und da habe ich dann halt darauf improvisiert, könnte man sagen, gesanglich."
    Bamborschke interessierte sich schon früh für Literatur und Texte. Und er hatte Glück: sein Vater liebte Gedichte: Tobias Bamborschke wuchs zwischen großen Bücherregalen auf, die er immer wieder durchforschte. Im September 2017 erschien sein erstes Buch mit Gedichten und Kurzgeschichten. Titel: "Mir platzt der Kotzkragen". Bamborschkes Weg als Songschreiber begann ebenfalls sehr früh - mit dem Umdichten von Vorlagen anderer.
    "Der erste Song, den ich umgeschrieben habe war, glaube ich, "Du liebst mich nicht" von Sabrina Setlur. Die Geschichte war, dass ich nie Obst essen wollte und meine Eltern meinten, ich müsste gesunde Sachen essen. Ich habe mich in die Position der Banane begeben, die ich essen sollte, und habe gesungen: "Du isst mich nicht, Du isst mich einfach nicht, obwohl ich doch so lecker schmecke."
    Musik: "Antimaterie"
    Zerbrechlichkeit und Härte finden sich in Musik und Texten von Isolation Berlin zu fast gleichen Anteilen. Und sie spielen oft Songs in mittlerem bis sehr langsamem Tempo. All das macht sie zu einer Ausnahmeerscheinung in der aktuellen deutschsprachigen Rock-Szene. Ab und zu gibt es auch bei Bands wie Die Nerven oder Messer ruhigere Songs, aber die haben ihre Wurzeln eher in der Düsternis von Joy Divison oder der Schrammel-Traurigkeit von The Cure. Bei Isolation Berlin gibt es dagegen Gesangsmelodien, die auch zu Chansons oder Folksongs passen würden.
    Max Bauer war in Schulchor und -orchester aktiv, und als er mit 14, 15 Jahren zusammen eine Schülerband gründete, fing der Gitarrist auch an, eigene Songs zu schreiben. Tobias Bamborschke und Max Bauer waren in den Nullerjahren dieses Jahrtausends Teenager. Sie hätten sich genausogut für Hip-Hop entscheiden können.
    Tobias Bamborschke: "Schwer zu sagen, warum man sich für Gitarrenmusik entschieden hat. Da wurde mehr gebrüllt so. Das hat mir gut gefallen. Und eine Gitarre kann man sich leicht nehmen und so, ich habe auch ein bisschen gerappt früher. Aber es war einfach praktischer irgendwie. Mit einer Gitarre konnte man viel mehr machen. Um zu rappen, da muss man sich irgendwie Beats bauen und so."
    Gemeinsame Vorlieben
    Die Geschichte von Isolation Berlin begann 2011. Sie hat mit gemeinsamen musikalischen Vorlieben zu tun.
    Tobais Bamborschke: "Ich glaube, wir haben beide ziemlich schnell bemerkt, dass wir Parallelen haben und nicht nur in diesem Indie-Ding festhängen. Richard Hell und Jesus And Mary Chain waren der Grundstein unserer Freundschaft.
    Max Bauer: "Wir hatten einfach so ein Gespräch zehn Minuten lang. Und dann haben wir einfach so ein paar Bands genannt. Und da wo ich herkam, kannte sowieso keiner diese Bands, und deswegen war ich echt froh, jemanden kennen zu lernen, der den gleichen Musikgeschmack hat wie ich. Und das war so der Grundstein davon.
    Tobias Bamborschke: "Das war halt wirklich ein wichtiger Moment für uns. Wir habe echt zehn Minuten geredet und dann war eigentlich klar: ja wir machen das, wir machen eine Band. Wir hatten davor beide Ewigkeiten irgendwie rumgedümpelt, in Bands gespielt, und diesen Aha-Moment hatten wir bis dahin nicht gehabt, und hatten eine lange Durststrecke beide davor. Das war dann sehr erleichternd für uns und schön."
    Jenseits der Schablonen
    Isolation Berlin machen Musik jenseits der Schablonen von Indie-Rock. Neben klaren Bezügen auf Velvet Underground-Minimalismus, Punk und New Wave gibt es Pop-Songs zum Mitsingen, verträumte Psychedelik oder die ur-romantische Ballade über ein Herz aus Stein wird nur von volksliedhaften Akkorden auf einem Harmonium begleitet. Den Bandgründern ging es von Anfang an nicht nur um Rockmusik.
    Tobias Bamborschke: "Wir haben auch ganz viel Klavierzeug gemacht. Wir haben Volkslieder gesungen und Chansons und Zarah Leander. Teilweise haben wir stundenlang auch so Filmklassiker gesungen. Dann haben wir Jesus and Mary Chain auf der Straße gespielt, was keiner hören wollte. Dann haben wir zusammen ganz lange Nina Hagen gehört und ich habe da zum Playback gesungen.
    Max Bauer: "Wir hatten sogar die Idee, dass wir in irgendwelchen Altersheimen auftreten, ich als Pianist, und Tobi als Sänger, und wir dann irgendwelche UFA-Klassiker spielen. Das hat nicht funktioniert.
    Musik: "Herz aus Stein"
    Musik: "Eis am Stil"
    Die beiden Bandgründer haben viel zusammen Musik gemacht - aber auch Musik gehört.
    Tobias Bamborschke: "Nach der Schule bin ich dann immer zu Max gegangen und da habe ich ein paar Bier mitgebracht und da wir haben uns halt in sein Zimmer gesetzt und haben eine Platte aufgelegt und dann saßen wir da und haben halt zugehört. Wir saßen echt stundenlang da und haben getrunken und geraucht und Platten gehört. The Stooges auch."
    Max Bauer: ""Wir haben auch oft, als wir dann zusammen gewohnt haben, in der Küche zusammen gesessen die ganze Nacht. Wir waren so "Eis am Stil"-Fans und haben uns diese ganzen alten Klassiker stundenlang hintereinander angehört.
    Tobias Bamborschke: "Wir haben so lange die "Eis am Stil"-Soundtracks gehört, bis wir angefangen haben, Pünktchenhemden mit steifen Kragen zu tragen, Anzugshosen, und uns Pomade ins Haar geschmiert haben und dann...
    Max Bauer: "...und Annabelle geschrieben haben.
    Tobias Bamborschke: "Ja, Annabelle und Swantje, die beiden Songs sind aus unserer "Eis am Stil"-Phase entstanden. Das war echt verboten, wir hatten da Schmalzlocken und immer einen Kamm in der Tasche. Wir haben uns da reingesteigert.
    Musik: "Annabelle"
    Isolation Berlin waren bereits im Ausland aktiv. In einem YouTube-Video des Goethe-Instituts sieht man Bamborschke zusammen mit spanischen Teenagern in Barcelona ausgelassenen den Schrei-Refrain von "Annabelle" üben, und am Ende haben die Schülerinnen und Schüler zusammen mit der Band dann sogar einen eigenen Song geschrieben - deutscher Sprache Schreien, und zwar sehr überzeugend, hört man den Sänger von Isolation Berlin nicht nur in dem eher humoristischen Song "Annabelle". Sein dreijähriges Studium an einer Schauspielschule hilft ihm.
    Die Kunst des Schreis
    Schreien, und zwar sehr überzeugend, hört man den Sänger von Isolation Berlin nicht nur in dem eher humoristischen Song "Annabelle". Sein dreijähriges Studium an einer Schauspielschule hat sich für ihn als sehr nützlich erwiesen.
    "Ich würde schon sagen, dass ich gelernt habe, einen gewissen Zugriff zu finden und auch einen gewissen Zugriff auf Emotionen hinzukriegen. Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist eigentlich, meine Stimme nicht kaputt zu machen. Wenn man auch brüllt, muss man die Stimme immer aus den Emotionen nehmen. Das heißt, wenn ich nicht wirklich gerade erlebe in dem Moment, dann bin ich danach heiser und völlig kaputt. Das heißt, ich muss es immer aus den Emotionen holen, und das hat mir sicherlich dabei geholfen, ja."
    Nicht jeder Mensch traut sich aber, überhaupt zu schreien.
    "Das war eigentlich ein ganz langer Prozess. Angefangen mit dem Schreien habe ich im Prinzip mit15, in Punkbands. Es war immer probieren, und scheitern, und wieder neu probieren. Gewisse Techniken habe ich natürlich auch gelernt, aber die ganzen Techniken sind auch völlig für den Arsch. Man merkt halt, sobald man nicht wirklich gerade aus einem Grund schreit, also aus einer Emotion heraus, dass einem der Grund des Schreis bewusst ist, dann geht das nicht.
    Musik: "Wahn"
    "Die Panik bricht sich ihre Bahn" heißt es in dem Song "Wahn" von Isolation Berlin. Er entgleist nach wilder Fahrt in einen staksigen Walzer und zersplittert dann endgültig. Live ist die Nummer einer der Höhepunkte des Abends. Wenn Tobias Bamborschke gegen Ende von Konzerten bei dem Song schreiend und im Delirium von der Bühne ins Publikum taumelt, ist das natürlich eine Inszenierung, aber eine sehr glaubhafte.
    Etwa zwei Jahre nach Gründung der Band, 2014, 2015, hat sich die heutige Stammbesetzung von Isolation Berlin etabliert. Neben Bamborschke und Bauer komplettieren David Specht und Simeon Cöster das Quartett. Specht ist eigentlich Gitarrist, spielt aber bei Isolation Berlin Bass. Er hat auch noch eine weitere Rolle in der Band – er macht die Tonaufnahmen und mischt sie – zusammen mit dem vierten Bandmitglied, Schlagzeuger Simeon Cöster. Cöster ist Jahrgang 1990. Im Alter von zehn Jahren nahm er Schlagzeugunterricht , und hat bei Größen wie Chester Thompson gelernt. Bevor er zu Isolation Berlin kam, spielte Funk, Drum'n' Bass und Trip Hop. Tatsächlich hatten Max Bauer, David Specht und Simeon Cöster schon vor Isolation Berlin in anderen Gruppen zusammengespielt, z.B. in der Band Schlechte Liebhaber. Laut Cöster "feinster Krawall-Indie-Rock’n’Roll".
    Die andere Hälfte der Band
    Etwa zwei Jahre nach Gründung der Band, 2014, 2015, hat sich die heutige Stammbesetzung von Isolation Berlin etabliert. Neben Bamborschke und Bauer komplettieren David Specht und Simeon Cöster das Quartett. Specht wurde 1988 geboren. Der 30jährige ist eigentlich Gitarrist, spielt aber bei Isolation Berlin Bass. Er hat auch noch eine weitere Rolle in der Band – er macht die Tonaufnahmen und mischt sie– zusammen mit dem vierten Bandmitglied, Schlagzeuger Simeon Cöster. Cöster ist Jahrgang 1990. Im Alter von zehn Jahren begann er Schlagzeugunterricht zu nehmen, er hat bei Größen wie Chester Thompson gelernt. Bevor er zu Isolation Berlin kam, spielte er verschiedenste Stile: Funk, Drum'n' Bass und Trip Hop. Tatsächlich hatten Max Bauer, David Specht und Simeon Cöster schon vor der gemeinsamen Zeit bei Isolation Berlin in anderen Gruppen zusammengespielt, z.B. in der Band Schlechte Liebhaber, laut Cöster "feinster Krawall-Indie-Rock’n’Roll".
    Musik: "Vergeben heißt nicht vergessen"
    "Vergeben heißt nicht vergessen": Max Bauer spielt hier auf einer akustischen Gitarre, deren Saiten nicht in Standard E gestimmt ist. Dadurch ergibt sich ein volleres Klangbild, und er kann Akkorde greifen, die sonst kaum spielbar wären. Gezupfte Gitarrenbegleitung ist eine weitere Farbe in der Klangpalette der Band. Beim Konzert im ausverkauften Kölner Luxor war der Song ein besonders berührender Schlusspunkt. Nach dem besonders heftigen "Wahn", kamen Tobias Bamborschke und Max Bauer noch einmal nur zu zweit für dieses leises Stück auf die Bühne.Der Sänger von Isolation Berlin schreibt feingeistige Texte voller Metaphern, oder brutal direkte.
    Die Bedeutung der Songs
    "Oft fragen die Leute halt, was willst Du damit sagen oder wie bist Du darauf gekommen, und gehen oft davon aus, dass man irgendwie eine Aussage hat, die man in einen Song packen will, und dann kommt man in die Verlegenheit, dass man probieren muss, seine eigenen Songs zu interpretieren oder zu erklären. Aber so funktioniert das halt nicht. Es entsteht irgendwo ein Satz, eine Idee, ein Gefühl, und dann arbeitet man damit, und dann warte ich, dass mehr kommt. Was mich auch interessiert bei Texten sind Dinge, die ich nicht verstehe. In den Songs geht es eigentlich immer um Dinge, die mich verwirren, die ich nicht verstehe. Und wenn mich dann Leute fragen, was meinst Du damit, sage ich eben, keine Ahnung. Darum geht es ja. Deshalb schreibe ich ja Songs, um Dinge zu verarbeiten, emotional auch, die ich nicht verstehe, die ich aber auch nicht verstehen muss, die ich vielleicht nie verstehen kann."
    Bamborschke sammelt unentwegt Ideen für seinen Texte. Er notiert sie auf einem Block, den er immer bei sich trägt, aber Songs entstehen daraus nur zuhause. Selbst wenn Text und Aufbau eines Songs schon skizziert sind, ist es oft noch ein langer Weg bis zu seiner endgültigen Gestalt. Das Ergebnis wächst in einem gruppendynamischen Prozess.
    "Wenn das Gerüst steht von einem Song, dann spielen wir den ganz oft, mal schreie ich mehr, und wenn ich mehr schreie, geht auch der Rest der Band mit, und wenn ich ruhiger werde, wird es ruhiger. Man probiert ganz viel aus, bis ein Song so klingt wie er klingt."
    Die Entstehungsgeschichte von"Vergifte Dich" geht bis in die Anfangszeit der Band zurück. Der Refrain wurde von Beobachtungen zum Rauschmittel-Konsum in einer Berliner WG inspiriert. Geschrieben auf einem Casio-Keyboard mit Rhythmusmaschine, und Bamborschke spielte auf seiner akustischen Gitarre noch einen Reggae-Groove dazu.
    "Das war in meinem Zimmer unserer WG und dann kam mein Bruder und hat noch mitgesungen. Da ist er entstanden. Es gibt viele Textzeilen, bei denen ich ganz genau sagen kann, das ist da auf der Brücke entstanden. Ich könnte im Prinzip Textzeilen-Sightseeing machen fast."
    Musik: "Vergifte Dich"
    "Vergifte Dich" hat eine ganze Reihe von Verwandlungen erlebt. Ein erstes Mal aufgenommen wurde er in einer Session für RadioEins 2016, die endgültige Version erschien dann Anfang 2018 auf dem gleichnamigen zweiten Album der Band. Dass der Song einmal so wichtig für diese Platte werden würde, war für Bauer und Bamborschke nicht absehbar.
    Max Bauer: "Wir haben den ja schon 2011 oder 2012 das erste Mal gemacht. Und da klang er nochmal ganz anders. Der Song war auch irgendwie immer da, weil wir haben immer gesagt, ok, wir wissen nicht, ob wir etwas damit machen. Und dann haben wir so ausprobiert bei der Session. Mit der Version, die dann drauf war auf dieser Schallplatte von RadioEins waren wir nicht zufrieden, und dann haben wir gesagt, ok, wir probieren es jetzt nochmal, ein Jahr später im Studio. Es war auch nicht geplant, dass das jetzt der Schlüsselsong zur neuen Platte würde. Das war eigentlich eher Zufall."
    Tobias Bamborschke: Bei der Session waren wir schon zufrieden mit dem Song, aber es war uns ein bisschen zu sehr so ein Mitgröhl-Song und wir wollten halt nicht aus "Vergifte Dich" so einen Saufen-Gröhl-Song machen. Irgendetwas, was uns mehr gefällt, nicht langweilt. Und da haben wir ziemlich lang daran gearbeitet.
    Musik: "Vergifte Dich"
    Die Aufforderung, sich mit legalen oder illegalen Mitteln im Freundeskreis gemeinsam abzuschießen ist doppelbödig, nicht nur textlich. Das Gitarrenriff der Strophe beginnt in Fis-Moll, die Melodie des Sängers steht dagegen in Fis-Dur. Die dadurch entstehende Reibung ist nur eine der Dissonanzen, die diesen Song vor leichter Konsumierbarkeit bewahrt. Solche Details sind aber selten bewusst geplant, sagt Bamborschke.
    "Ich habe irgendwie etwas gespielt und etwas darüber gesungen. Das sind selten bewusste Entscheidungen. Man macht irgendetwas und dann denkt man, oh, ok, krass ist das."
    Die Rolle von Musik und das Publikum
    Ganz bewusst ist Bamborschke aber, welche Rolle Musik in seinem Leben spielt.
    "Musik zu machen und zu singen und diese ganze Nummer ist für mich ein Weg, Dinge zu verarbeiten, ohne sie verstehen zu müssen, und Dinge zu verarbeiten, die man nur so verarbeiten kann, und auch ein Weg, Wut und negative Emotionen zu etwas Positivem zu machen, umzuwandeln, und nicht an irgendwelchen Menschen auszulassen, sie in etwas Positives umzuwandeln und sich dadurch freizumachen davon."
    Die Kommentare zu Youtube-Videos der Band zeigen, wieviel die Songs den Fans bedeuten.
    "Wir haben heute erst im Auto Hass-Kommentare vorgelesen, deshalb muss ich gerade lachen. Aber ich finde es oft nach Konzerten unglaublich faszinierend, wie glücklich man Menschen machen kann mit traurigen Liedern, oder auch mit Wut, Verzweiflung, also unangenehmen Themen, die man niemals im Alltag besprechen könnte. Wenn man die in den Raum werfen würde, darüber reden würde, das kann man nicht länger als zwei, drei Minuten aushalten. Das ist so unangenehm. Wenn man diese Themen in Musik, in Texten verarbeitet oder singt, wie glücklich man Menschen machen kann, mit Wut und Trauer in Texten und in Musik, das finde ich sehr faszinierend und auch sehr schön."
    Max Bauer: "Wir bekommen auch oft Rückmeldungen nach den Konzerten, wir bekommen auch Briefe, oder über Social Media Nachrichten. Ich bin wirklich froh, wenn es den Leuten so viel bedeutet, wie die Musik, die ich gehört habe, als ich 17 war. Wenn es irgendwie den gleichen Effekt hat auf die Leute."
    Musik: "Mir träumte"
    Gruppendynamik
    Abgesehen von den Texten werden die Songs von Isolation Berlin gemeinsam komponiert, alle Mitglieder erhalten dafür also gleiche Anteile der GEMA-Einnahmen. Doch das Medieninteresse konzentriert sich auf Tobias Bamborschke. Aber Isolation Berlin funktioniert nur als Band, die zusammenhält und offen und gleichberechtigt miteinander kommuniziert. Z.B. nach Konzerten, wenn jemand mit etwas unzufrieden ist.
    Tobias Bamborschke: "Wenn irgendetwas war, dann wird eigentlich sofort danach darüber geredet. Das hat mir nicht gefallen, das war irgendwie blöd. Was war heute los, was war da los ? Und dann redet man darüberund überlegt sich, woran lag es."
    Max Bauer: "Ja, man versucht herauszufinden, was einen gestört hat."
    Auch mit dem Jubel, der Liebe des Publikums und der Euphorie nach tollen Konzerten müssen Künstler und Künstlerinnen klarkommen - und mit dem Kontrast, später alleine im Hotelzimmer zu sitzen.
    Tobias Bamborschke: "Wir haben halt das Glück, dass wir keine Solo-Künstler sind sondern eine Band. Und deshalb geht man nicht "home alone" sondern als Gruppe. Ich habe oft gedacht, ich bin so dankbar, wenn man das als Gruppe erleben kann und nicht alleine. Ich glaube, man fällt in dieses Loch, wenn man alleine im Hotelzimmer sitzt. Aber wenn man zu viert da sitzt und dann darüber reden kann, und planen kann, was machen wir morgen, wie geht es weiter, dann gibt es dieses Loch eigentlich nicht. Auch wenn etwas schief lief, dann lacht man darüber, und wenn etwas total gut lief, dann kann man sich zusammen darüber freuen."
    Der Gitarrist und der Sänger sind inzwischen nicht mehr auf Nebenjobs angewiesen, sie können allein von ihrer Musik leben. Jungen Musiker und Musikerinnen, denen ähnliches vorschwebt, gibt Bauer denTipp….
    "Man sollte nicht an eine Karriere denken, wenn man anfängt, Musik zu machen. Man sollte sich eigentlich keine Business-Pläne machen. Und vor allen Dingen muss man sehr viel Durchhaltevermögen haben. Und auch viele Dinge machen, von denen man weiß, dass sie beschissen sind, aber die einfach dazugehören."
    Autor: "Zum Beispiel ?"
    "Zum Beispiel Konzerte spielen, wo keiner da ist. Mit dem Regionalzug 10 Stunden durch Deutschland fahren, um dann Konzerte zu spielen, zu denen keiner kommt. Aber es trotzdem mit dem Hintergedanken zu machen, dass es vielleicht doch irgendwen erreichen kann, und dass es doch irgendwohin führen kann. Ich glaube, das ist, was uns angetrieben hat."
    Für Tobias Bamborschke ist künstlerische Integrität unabdingbar, um in der Musikbranche zu überleben. Und er hat auch ganz klare Vorstellungen davon, wie die persönlichen Beziehungen der Mitglieder einer Band beschaffen sein müssen.
    "Man darf sich niemals bequatschen lassen, man darf niemals Songs schreiben oder Musik machen, um anzukommen, oder die, wo man denkt, das kommt vielleicht an. Ok, das kann vielleicht auch funktionieren, aber ich glaube nicht, dass es einen glücklich macht. Ich glaube das Allerwichtigste ist, dass man mit Leuten gemeinsam Musik macht, die denselben Weg gehen wollen, oder dieselbe Musik auch machen wollen. Man darf niemals ein Arbeitsverhältnis haben als Band. Das hält nicht. Ich glaube, man muss einfach mit Freunden Musik machen. Wenn man nicht in der Band befreundet ist, wenn man nur ein Arbeitsverhältnis hat, das wird nicht halten, das wird niemals gut gehen."
    Musik: "Marie "