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Band "Other Lives"
Klangteppich aus entspannter Melancholie

Indie-Folkrock mit elektronischen Einflüssen: Die US-Band "Other Lives" hat eine träumerische, etwas traurige Anmutung. Doch liebevoll-präzise Arrangements einerseits und komplexe Akkordschichtungen andererseits weben mit dem Gesang von Bandgründer Jessie Tabish einen Klangteppich entspannter Melancholie.

Von Paul Baskerville | 31.01.2016
    Ein DJ an einem Mischpult in einem Club.
    Ein DJ an einem Mischpult in einem Club. (picture alliance / dpa / Franco Bianco)
    Musik "New Fog"- Other Lives
    Ist Jessie Tabish sich darüber bewusst, dass die Musik von Other Lives, obwohl sie durchaus angenehm klingt, nicht im herkömmlichen Sinne leicht konsumierbar ist?
    "Ja, doch. Wir haben uns zwar nicht vorgenommen, was Anspruchsvolles zu machen, damit die Leute sich den Kopf zerbrechen. Ein Künstler hat aber der Verantwortung einer Idee nachzujagen, die in seinem Kopf steckt, und so idealistisch wie möglich dabei zu sein. Ich finde es ok, wenn unsere Kunst ein bisschen schwierig ist, wenn der Hörer sich nicht sofort in die Musik verliebt. Ich finde, dass die Leute im Allgemeinen mehr Geduld aufbringen sollten. Möchte ich, dass die Leute sich am Kopf kratzen und uns den Rücken kehren? Nein, aber ich glaube, wenn man etwas Geduld mitbringt, ist unsere Musik, nicht so schwierig wie sie scheinen mag."
    Musik "Pyramids"- Other Lives
    Other Lives spielen reichhaltig instrumentiert, dabei wurden sie nicht als Multiinstrumentalisten geboren.
    "Wir lernen immer neue Instrumente zu spielen, nachdem wir eine Platte aufgenommen haben. Wir haben oft Sessionmusiker engagiert, um nach Bedarf bestimmte Instrumentierung zu ermöglichen, sowie zum Beispiel die Trompete, das Waldhorn oder das Fagott. Dann aber sind wir mit dem Riesenproblem konfrontiert, wie wir das Ganze live umsetzen sollen. Ich bin der schlechteste Musiker in der Band. Die Bandkollegen müssen die ganzen Instrumente beherrschen, damit wir überhaupt live spielen können. Ich kann nur Gitarre und Klavier spielen und singen. Auch das kann ich nicht besonders."
    Musik "Ritual"- Other Lives
    Die Arrangements auf Rituals sind saftig und üppig aber dennoch auf seltsame Weise wirkt das Werk unaufdringlich, und erfreulicherweise nie verkitscht oder melodramatisch. Sie bleiben trotz allem bodenständig.
    "Über das Thema reden wir auch miteinander. Es fängt schon damit an, wie die Rahmenbedingen für die Aufnahmen sind, und wie die Mikrofone aufgestellt sind. Wenn ein Lied wie "Ritual" in einem teuren Studio für 100,000 Dollar aufgenommen worden wäre, hätte es bestimmt schmalzig und bombastisch geklungen. Stattdessen entstand es auf meinem kleinen Klavier zu Hause. Ein Freund kam vorbei um die Violine in meinem Keller zu spielen. Das verleiht dem Stück Charme. Wenn man große, ehrgeizige, episch-klingende Musik macht, besteht die Gefahr, dass sie rührselig und überemotional ‚rüberkommen könnte. Gerade weil wir uns selbst produzieren, und weil wir nicht SO genau wissen, was wir tun, weil wir keine Profiproduzenten sind, vermitteln wir ein charmantes, selbstgemachtes Feeling. Wir versuchen diese große, kraftvolle filmartige Musik zu schaffen, und wurschteln uns irgendwie durch."
    Leben in einer Studentenstadt
    Other Lives sind inzwischen Portland, Oregon, in einer Studentenstadt, sesshaft. Es muss ein krasser Kontrast zu ihrer Heimat Stillwater in Oklahoma sein, eine Stadt mit 45,000 Einwohnern.
    "In einer Studentenstadt zu leben, wenn man über 30 ist, ist schon ein bisschen seltsam. Die Leute sind alle circa 19 Jahre alt. Es war das erste Mal, dass wir irgendwo anders hingezogen sind. Es hatte schon mit dem kreativen Prozess der Platte zu tun. Ich verließ zum ersten Mal meine Familie und Freunde und war dabei mich selbst zu finden, um überhaupt herauszubekommen, welche Art von Mann ich in Wirklichkeit bin. Nicht im Machosinne aber einfach im Sinne von der Selbstsuche. Man muss von zu Hause weg, um zu prüfen, was überhaupt da draußen ist. Diese Platte reflektiert sehr, dieses Insichgehen. Ich habe zum ersten Mal eine Platte geschrieben, die nicht um das Thema Heimat ging. Ich wollte unbedingt wegziehen, damit es auch im übertragenen künstlerischen Sinne eine Bedeutung bekommt. nämlich die Vorstellung sich immer fortzubewegen und nicht zurückzublicken. Das ist unerlässlich, wenn man ein langes künstlerisches Leben genießen möchte."
    Als Band die Welt erobern
    Als Jugendliche haben Other Lives von einer anderen Welt geträumt, in der Postrock und Artrock- Bands wie God Speed you Black Empörer und Sigurd Ros die Welt erobern. Und sie wollten so sein wie sie.
    "Das war mit 18, 19 nach dem Gymnasium. Wenn man in einer Kleinstadt lebt, die in erster Linie nur Country Musik bietet, bedeuten solche Bands wie Godspeed you Black Emperor und Sigor Ros umso mehr. So empfanden die Bandkollegen es auch, mit denen ich schließlich Other Lives ins Leben rief. So haben wir uns zusammen gefunden, indem wir alle von denselben Bands so angetan waren. Als ich 15 war, war Nirwana die wichtigste Gruppe für mich. Nirwana hat mir wirklich aus der Seele gesprochen. So entdeckte ich Punk und fing an Gitarre zu spielen. Ich versuchte wie ein Punk zu singen, aber eher ohne Erfolg, meine ersten Songs gingen in die Richtung von Green Day. Kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, aber so ist halt der Entwicklungsprozess. Aber das änderte sich, als ich wieder anfing Klavier zu spielen, und ich verliebte mich in klassische Musik und habe dann ein ganz anderes Tempo und Feeling angestrebt. Der jugendliche Zorn verließ mich, und die Band wollte was Schönes anstreben, etwas, was die Menschen berührt."
    Musik "Dust Bowl"- Other Lives
    Jessie Tabish ist sanft und nett und er sagt schon, es sei die Absicht der Band, schöne Musik zu schaffen, dennoch gibt es stellenweise einen leicht unheimlichen Unterton in ihrer Musik.
    "Das ist ein hinterhältiger Aspekt unserer Musik. Ich mag Horrormusiksoundtracks gerne... vor allem Filme aus den 70er Jahren. Deshalb gefällt es mir, wenn unsere Musik mal ein bisschen unheimlich klingt, nach dem Motto, nicht alles ist so nett, wie es zu sein scheint. Mir gefällt die Vorstellung, dass auf subtile Weise ein bisschen mehr dahinter steckt."
    Musik "Easy Way"- Other Lives
    Inzwischen beherrschen Other Lives ihre Kunst, sie klingen wie eine Band, die sich wohl in ihrer Haut fühlt, und man könnte sich vorstellen, dass es viele Jahre so bleiben könnte. Der Sound wirkt stabil. Die Gruppe wirkt stabil. Es grenzt allerdings an ein Wunder, dass der Gesang bei der saftigen Instrumentierung nicht komplett übertönt wird.
    "Es ist eine Gratwanderung, den Gesang so hinzubekommen. Wir arbeiten manchmal mit 120 Spuren. Von vornherein wollten wir nicht den Sänger als Frontmann im Mittelpunkt haben. Die Stimme sollte auch wie ein Instrument sein und mit dem gesamten Sound verschlungen sein. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es wäre nicht manchmal ein Kampf mit dem Gesang gewesen. Die Songs, die auf dem Album erscheinen, sind halt die Titel bei denen es am Besten geklappt hat Die Lieder haben alle eine gewisse harmonische Qualität. Andere Ergebnisse empfanden wir als ungenügend. Man muss halt experimentieren. Die Songs, die es auf die Platte geschafft haben, sind unsere beste Auswahl an Popsongs mit üppiger Instrumentierung..... Und ich habe es vor bis zu meinem Lebensende Musik zu machen. Das wusste ich schon mit 15...ich kann sowieso nichts anderes. Musik ist der Sinn und Zweck für mich. Ich hoffe, es läuft gut mit der Karriere, aber wenn nicht, wird es mich nicht aufhalten."