Freitag, 19. April 2024

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Band The Dream Syndicate
Gut ausbalanciert zwischen Alt und Neu

Das Quartett The Dream Syndicate war in den 1980ern Teil des sogenannten Paisly Underground - einer Szene von kalifornischen Postpunk-Bands mit Sixties-Einflüssen: hip, aber für den Mainstream zu schwer verdaulich. Mit "These Times" hat die Band ein neues Album veröffentlicht und denkt längst nicht ans Aufhören.

Von Anke Behlert | 19.05.2019
    Vier Männer einer Band posieren, ihre Gesichter sind durch weißes Licht absichtlich unkenntlich
    Anfang der 1980er gegründet, seit 2012 wieder aktiv: die US-Band The Dream Syndicate (Linda Pitmon)
    Musik: The Dream Syndicate – "How did I find myself here"
    Anfang der 80er haben sie den amerikanischen Alternative Rock mitbegründet.
    Steve Wynn: "Wenn man heute in einer Band spielt, kann man sich anhören, was zum Beispiel Nirvana oder Dinosaur Jr. gemacht haben. Es gibt eine Geschichte des Indierock. Die gab es damals nicht. Man war entweder Aerosmith oder Journey oder etwas ganz anderes. Und wir waren etwas anderes."
    Im amerikanischen Underground gab es damals keine Rockstars.
    "Viele der englischen Counterculture- und auch Postpunk-Bands aus der Zeit hatten ein bestimmtes Image, eine distanzierte Haltung. Das gab es bei uns so gut wie nicht. Wir waren einfach Musikfans, die selber Musik gemacht haben."
    Heute wollen sie ihr Publikum auf eine Reise mitnehmen.
    "Ich habe früher als DJ beim Radio gearbeitet. Und ich habe keine Party- oder Tanzmusik gespielt, ich wollte die Hörer auf eine psychedelische Reise mitnehmen. Wenn wir heute Platten aufnehmen, habe ich das gleiche Gefühl: "Let's go on a trip."
    Musik: "Put some miles on"
    Dass Bands sich auflösen und ein paar Jahre später doch wieder gemeinsam auftreten, kann man in letzter Zeit häufiger beobachten. The Pixies, Sleater Kinney, Bikini Kill oder Guns n'Roses sind nur ein paar Beispiele.
    Steve Wynn, Sänger und Songwriter von The Dream Syndicate, hatte eigentlich nicht die Absicht, seine Band wiederzubeleben.
    "Über die Jahre wurde ich immer mal wieder gefragt, ob ich die Band wiedervereinige. Und es war nicht so, dass ich die anderen Leute oder unsere Musik nicht mochte. Aber ich hatte mit meinen eigenen Projekten zu tun und einfach keine Zeit dafür."
    Erstes Konzert nach 23 Jahren
    2012 war es dann aber doch soweit, bei einem Festival in Spanien spielten The Dream Syndicate fast in Original-Besetzung ihr erstes Konzert nach 23 Jahren.
    "Das Motto war: Wir spielen das Konzert und schauen mal, wie es läuft. Und es lief toll. Dann haben wir noch ein paar mehr Shows gespielt und nach einiger Zeit haben wir gedacht: Ok, wir haben Spaß daran, wir könnten ein Album aufnehmen. Und auch das hat funktioniert. Es waren alles kleine Schritte. Und mittlerweile gibt es uns schon länger als die erste Version der Band. Es fühlt sich jetzt auch nicht mehr wie eine Nostalgie-Geschichte an, sondern wie etwas Eigenes."
    Musik: "Filter me through you"
    Begonnen hat die Geschichte von The Dream Syndicate in den frühen 80er-Jahren. Es war die Zeit, als Synthiepop und Elektrowave die Charts eroberten und sich kaum jemand für Gitarrenmusik interessierte. In Los Angeles fanden sich eine Handvoll Bands zusammen, die eins gemeinsam hatten: Sie mochten 60s Garage- und Psychedelic-Rock. In ihren eigenen Songs kombinierten sie Vokalharmonien und klingelnde Gitarren mit der Energie des Punkrock. Neben The Dream Syndicate gab es da zum Beispiel The Long Ryders.
    Musik: The Long Ryders - "I had a dream"
    ...Rain Parade
    Musik: Rain Parade – "What's she done to your mind"
    ...und The Bangs, die später als The Bangles weltbekannt wurden.
    Musik: The Bangs – "Getting out of hand"
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Zur Hälfte neu besetzt: Die amerikanische Band The Dream Syndicate (Linda Pitmon)
    Sie alle waren Teil des sogenannten "Paisley Underground". Neben gemeinsamen Konzerten gab es zwischen den Paisley Underground-Bands auch immer wieder gemeinsame Projekte und natürlich Partys, erzählt Steve Wynn.
    "Die Leute von der Band Green On Red haben jeden Sonntag ein BBQ veranstaltet. Sie haben alle zusammen in einem Haus in East Hollywood gewohnt und Bier und Essen gekauft. Jeder konnte vorbeikommen. Die ganze Szene hat sich dort regelmäßig getroffen und wir haben bis zum nächsten Morgen gegessen, getrunken und Gitarre gespielt."
    Das ist eine meiner liebsten Erinnerungen an diese Zeit.
    Musik: That's what you always say"
    Gegründet hat Steve Wynn The Dream Syndicate zusammen mit Karl Precoda an der Gitarre, Dennis Duck am Schlagzeug und Kendra Smith, die Bass spielte und sang. Anfang 82 spielten sie ihr erstes Konzert und nahmen eine EP auf. Bald waren sie in der lokalen Szene bekannt für ihre langen, in Feedback getränkten Improvisationen. Inspiriert vom Sound von The Velvet Underground nahm das Quartett sein erstes Album "The Days of Wine and Roses" auf.
    "Wir haben das Album in nur drei Tagen aufgenommen. Aber diese paar Tage haben mein ganzes Leben geprägt. Wir haben von Mitternacht bis acht Uhr morgens am Album gearbeitet und sind dann zu unseren anderen Jobs gegangen. Das soll nicht arrogant klingen, aber wir wussten damals schon, dass es ein sehr gutes Album wird. Wir waren Fans der Stooges und von The Gun Club, The Only Ones usw. Und wir waren uns sicher, dass unser Album nun auch Teil dieser musikalischen Familie ist. Das hat sich super angefühlt."
    Vor Energie strotzdend, zeitlos klingend
    Dieses Gefühl war absolut richtig. "The Days Of Wine And Roses" strotzt vor Energie und klingt zeitlos - wie die Platten, von denen das Album inspiriert ist. Angetrieben werden die Songs von einem druckvollen Schlagzeug, während sich sägende Gitarrensoli durch die Drone-Feedback-Ausschweifungen schneiden. Psychedelischer Blues in Punkrockgeschwindigkeit, dazu die mal ironisch-nostalgischen, mal schnöselig-coolen Texte eines 22-jährigen Steve Wynn.
    Musik: "When you smile"
    Sie hören "Rock et cetera" mit einem Porträt der kalifornischen Band The Dream Syndicate. Für eine Weile sah es so aus, als könnte ihnen der Durchbruch zum Mainstream gelingen. Sie gingen mit REM und U2 auf Tour, ihr zweites Album "Medicine Show" erschien beim Majorlabel A&M Records. Fünf Monate verbrachten sie dafür mit Produzent Sandy Pearlman im Studio, der vorher bei Blue Öyster Cult an den Reglern saß. "Medicine Show" geht in eine völlig andere Richtung als ihr Debüt. Rootsrock à la Neil Young und Tom Petty klingt durch, zusätzliche Keyboards wirken eher wie ein Fremdkörper als eine Bereicherung. Fans der ersten Stunde warfen der Band Ausverkauf vor, aber tatsächlich blieb der erhoffte kommerzielle Erfolg aus und A&M ließ sie wieder fallen.
    Musik: "Burn"
    Ernüchtert von der Erfahrung mit einem Majorlabel pausierte die Band zeitweise. Nach einigen personellen Änderungen nahmen The Dream Syndicate zwei weitere Alben auf und tourten in Europa und den USA. Der straightere Rocksound verhalf ihnen aber auch nicht zum Durchbruch und 1989 löste sich die Band schließlich auf.
    "Wir hatten keinen Spaß mehr daran. Wir waren gerade zurück von einer fünfmonatigen Tour und ziemlich fertig. Es gab keinen Streit oder so, wir wollten einfach alle etwas Anderes machen. Ich war damals 28 und mein ganzes Erwachsenenleben in dieser Band. Es war Zeit für etwas Neues und ich bin sehr froh, dass wir das so entschieden haben. Sonst hätte ich meine Frau nicht kennengelernt und tolle Projekte wie Gutterball nicht machen können.
    Gutterball war eine Art Indie-Supergroup bestehend aus Mitgliedern von anderen Paisley-Bands wie The Long Ryders.
    Musik: Gutterball – "Trial Separation Blues"
    Seit 2012 spielt Steve Wynn wieder mit The Dream Syndicate. Wenn zwischen Auflösung und Wiedervereinigung so viele Jahre liegen, läuft man als Band leicht Gefahr, nur als Kopie von damals gesehen zu werden. Und natürlich kann so eine Neuauflage auch einfach nur oberpeinlich sein, man denke nur an einen bierbäuchigen und stimmlich eher schwach aufgestellten Axl Rose. The Dream Syndicate haben diese Fallstricke vermieden. Auf ihrem 2017er Album "How did I find myself here" schaffen sie es, den wilden Spirit ihres Debüts wiederzubeleben und finden die richtige Balance zwischen altem Sound und neuen Einflüssen.
    Musik: "Glide"
    Die neue Platte "These Times" ist maßgeblich von J-Dilla und seinem Album "Donuts" beeinflusst, erzählt Steve Wynn. The Dream Syndicate sind nicht zum Hiphop gewechselt, es ist eher die Herangehensweise.
    "Donuts" nimmt dich mit in die Welt von Dilla. Er hat Stücke, die er mochte, auseinandergenommen, gesamplet und zu einem Mixtape zusammengebaut, um damit seine Gefühle auszudrücken. Er war zu der Zeit ja schon sehr krank und ist bald darauf gestorben. Das Album ist wie ein langer Tagtraum. Das ist für mich psychedelische Musik, genau wie John Coltrane, Bob Dylan oder Spiritualized. "These Times" funktioniert für mich genau so, wir benutzen nur keine Samples, sondern unsere eigene Musik."
    Musik: "Still here now"
    Wenig tagträumerische Texte
    Psychedelische Country und West Coast Vibes verbreiten auf "These Times" eine entspannte Atmosphäre. Gitarrenschleifen durchziehen die Songs, die ausgedehnten Piano- und Synthieflächen von Chris Cacavas laden zum Tagträumen ein. Die Texte allerdings sind viel weniger träumerisch, Steve Wynn beschäftigt sich mit den Problemen unserer Zeit – Ängste, Hoffnungslosigkeit, Leugnung von Tatsachen, andauernde Ablenkung. Der Song "Black Light" ist dafür ein gutes Beispiel.
    "Wir leben in einer Welt, wo schwarz weiß ist und weiß schwarz. Ich male auch viel und benutze in letzter Zeit dazu Schwarzlicht. Wenn man sich ein Bild im normalen Licht anschaut sieht es völlig anders aus, als wenn man Schwarzlicht anschaltet. So ähnlich ist die Welt auch gerade, finde ich."
    Musik: "Black Light"
    Am Anfang haben The Dream Syndicate mit ihrem rauen Psychedelic Rock nur ein kleines Publikum erreicht. Aber ihr Einfluss auf Bands wie Wilco oder Yo La Tengo ist nicht zu überhören und die Zahl der Fans kontinuierlich gewachsen. Wie damals versuchen sie auch heute gar nicht erst, irgendwie zeitgenössisch zu klingen, tauchen lieber tiefer in ihr eigenes musikalisches Universum und tun das, was sie am besten können: Songs schreiben, die einen erst ein bisschen und dann immer stärker in ihren Bann ziehen.
    Musik: "Recovery Mode"