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Bangladesch
Regierung verwehrt Rohingya-Flüchtlingen Unterricht an Schulen

Vor zwei Jahren flohen die Rohingya aus Myanmar vor der Gewalt der Sicherheitskräfte nach Bangladesch. Eine Rückführung wurde mehrmals angekündigt. Die jungen Rohingya versuchen inzwischen, eine Ausbildung in den Flüchltingslagern zu bekommen. Die offiziellen Schulen dürfen sie nicht mehr besuchen.

Von Bernd Musch-Borowska | 02.04.2019
Rohingya-Kinder beobachten am 19.11.2017 im Flüchtlingslager Kutupalong Außenminister Gabriel bei dem Besuch einer Krankenstation.
Rohingya-Kinder im Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Schülerprotest im Rohingya-Flüchtlings-Camp in Cox Bazaar. Hunderte Mädchen und Jungen stehen in ihren weißen Schuluniformen auf der Zufahrtsstraße und blockieren den Verkehr. "Bildung für alle" – steht auf den Transparenten und "Verweigert uns nicht unsere Ausbildung".
Die Kinder und Jugendlichen aus den vielen Flüchtlingsfamilien, die seit Sommer 2017 in den Camps rund um Cox Bazar, im Süden von Bangladesch leben, dürfen nicht mehr die öffentlichen Schulen besuchen. Noch bis Anfang des Jahres, war das möglich. Dann hat die Regierung von Bangladesch angeordnet, dass die Rohingya nicht mehr außerhalb der Flüchtlingslager unterrichtet werden dürfen.
Der Schulleiter der Leda High School in Cox Bazar, Jamal Uddin, sagte einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, er habe keine andere Wahl, als sich an die Anordnung zu halten.
"In dem Brief der Regierung hieß es, wir dürften keine Rohingya mehr unterrichten. Auch nicht die, die hier schon angemeldet waren und am Unterricht teilgenommen haben."
Der 14-jährige Mohammed Ismali, der mal Arzt werden will, war am Boden zerstört, als er die Nachricht bekam:
"Ich habe laut geheult, als ich rausgeschmissen wurde. Auch meine Eltern waren entsetzt, als ich nachhause kam und erzählte, was passiert war."
16-Jähriger organisiert Bildungsprotest mit
Auch der 16-jährige Rohingya, Kafayet Ullah, darf nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Doch er will sich damit nicht abfinden und hat den Protest im Nayapara Camp mit organisiert:
"Ich will mal Journalist werden und ich will mich für die Rohingya einsetzen. Das muss man doch öffentlich machen. Wir haben so hart gelernt und nun war alles umsonst? Wenn die Regierung von Bangladesch uns nicht mehr zur Schule gehen lässt, dann müssen wir halt selbst unsere Ausbildung organisieren."
Im Nachbar-Flüchtlingslager, in Kutupalong, wurden bereits provisorische und nicht ganz legale Unterrichts-Zentren geschaffen. Der 17 Jahre alte Tawharn sagte einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, die Regierung von Bangladesch habe untersagt, dass nach dem offiziellen Lehrplan unterrichtet wird.
"Unser Lehrer hier macht das alles illegal, denn die Regierung hat keine Genehmigung für diese Schule erteilt. Das ist wirklich schlimm für uns. Der Lehrer ist sehr gut, in in allen Fächern, in denen er uns unterrichtet. Obwohl er gar kein Geld bekommt. Ihm geht es nur um unsere Ausbildung."
Mehr als 700.000 Rohingya leben seit Jahren in Flüchtlingscamps in Bangladesch. Ohne anständige Ausbildung gibt es für sie kaum eine menschenwürdige Zukunft - weder in Bangladesch noch in ihrer alten Heimat Myanmar. Die Vereinten Nationen sprechen schon von einer verlorenen Generation.
Erst vor kurzem machte sich der stellvertretende Leiter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge UNHCR, Volker Türk, selbst ein Bild von der Lage:
"Ich habe mit vielen Rohingya gesprochen. Sie wollen ein sinnvolles und produktives Leben. Sie wollen sich engagieren und sie wollen sich auch mit dem Gedanken einer Rückkehr befassen. Aber wir müssen sie unterstützen, dass sie erstmal hier ein normales und würdevolles Leben führen können."
Eine Rückkehr nach Myanmar scheint im Moment nicht möglich, obwohl die beiden Länder seit Monaten darüber verhandeln. Doch gerade jetzt sind in der alten Heimat der Rohingya-Flüchtlinge, im Bundesstaat Rahkine in Myanmar, wieder Kämpfe ausgebrochen. Tausende Menschen seien aktuell auf der Flucht, sagte die UN-Menschenrechtsbeauftragte für Myanmar, Yanghee Lee, erst vor kurzem bei einer Pressekonferenz am UN-Sitz in Genf:
"Der Konflikt im Rakhine-Staat ist weiter voll im Gange, zwischen der Rebellen-Armee der Arakan und den Streitkräften von Myanmar, den Tatmadaw. Seit Monaten gibt es auf beiden Seiten viele Opfer. Auch Zivilisten sind darunter, das bereitet uns besonders ganz Sorge. Bis zu 10.000 Zivilisten sind vor den Kämpfen geflohen und brauchen dringend humanitäre Hilfe."
Vor diesem Hintergrund sind alle Bemühungen für eine Lösung der Rohingya-Krise offenbar aussichtslos. In Myanmar gibt es keine Sicherheit und in Bangladesch werden die Rohingya zwar geduldet, doch sind sie auch dort nicht willkommen.
UN: Anzeichen für einen Völkermord
Seit einigen Monaten gibt es Pläne, einen Teil der Flüchtlinge auf eine unbewohnte Insel vor der Küste von Bangladesch umzusiedeln. Die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, Yanghee, hält das für keine Lösung:
"Ich bin sehr besorgt über Berichte, dass die Regierung von Bangladesch schon im April 23.000 Rohingya Flüchtlinge aus Cox Bazar nach Bhasan Char umsiedeln will, eine kleine Insel im Golf von Bengalen. Ich war dort bei meinem letzten Besuch und habe mir mit eigenen Augen die Vorbereitungen angesehen. Es gibt bis heute Zweifel, ob diese Insel überhaupt bewohnbar ist."
Im August 2017 waren innerhalb kurzer Zeit Hunderttausende Rohingya vor der brutalen Gewalt der Armee in Myanmar geflohen. Mindestens 10.000 Menschen waren ums Leben gekommen. Und seitdem hat sich die Lage dort offenbar keineswegs verbessert. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen gibt es bis heute Anzeichen für einen Völkermord.