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Bankenunion
Regeln zur Abwicklung von Pleitebanken "keine Revolution"

Die Deutschen könnten froh sein, dass die neue Regelung zur Schließung von Krisenbanken keine Revolution sei, sagt Thomas Heidorn, Professor für Bankbetriebslehre, im Deutschlandfunk. Denn die Sicherung für die Einleger hierzulande bleibe damit besser, als es geplant war. Deutschland müsse sich auch in Zukunft relativ wenig Sorgen um den Bankensektor machen.

Thomas Heidorn im Gespräch mit Mario Dobovisek | 19.12.2013
    Die Skyline von Frankfurt am Main (Hessen) mit ihren vielen Bankentürmen.
    Banken müssen künftig selbst für ihre Abwicklung aufkommen. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Mario Dobovisek: Groß sind die Aufgaben für den neuen alten deutschen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier - Stichwort Ukraine, Stichwort Afrika. Viele Dinge sind offen, auch wenn es um die Debatte zwischen den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union geht. Die befassen sich heute mit der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.
    Mitgehört hat Thomas Heidorn, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag, Herr Heidorn.
    Thomas Heidorn: Guten Tag!
    Dobovisek: Nach langem Streit stieg vergangene Nacht also weißer Rauch über dem Ratsgebäude in Brüssel auf, gerade noch rechtzeitig vor dem Gipfel. „Wir revolutionieren den Finanzsektor“, hieß es da gleich bei den Finanzministern. Ist es das, eine Revolution?
    Heidorn: Aus der Sicht der Deutschen, glaube ich, sind wir ganz froh, dass es keine Revolution ist, denn die Sicherung für die Einleger in Deutschland ist eigentlich besser, als das für Europa gilt und für Europa geplant war, und da ist aus meiner Sicht die beste Nachricht, dass es gelungen ist, diese bessere Sicherung in Deutschland beizubehalten, sodass wir uns auch in Zukunft relativ wenig Sorgen um unseren Bankensektor machen müssen.
    Dobovisek: Das andere ist die Frage, ob eine Bank abgewickelt wird und wer dann am Ende dafür zahlen muss. Da wird ein Fonds eingerichtet, wir haben es gerade gehört, 55 Milliarden Euro sollen drin sein. 1,6 Billionen Euro hat die EU bisher ausgeben müssen, um marode Banken zu retten oder abzuwickeln. Wie weit kommt man mit 55 Milliarden?
    Heidorn: Das ist immer schwierig zu sagen, weil wenn alle Banken Pleite gehen, reicht das ganze Geld der Welt wahrscheinlich nicht aus, um sie abzuwickeln. In dem Sinne, glaube ich, ist das eine gute Basis, denn man muss sich das ein bisschen anders vorstellen. Wenn eine Bank Pleite geht, dann kann man zukünftige Zahlungen aus dem Fonds durchaus schon mal in Betracht ziehen und kann sich dann Geld leihen. Als beispielsweise Lehman Pleite ging bei uns, da hat unser Fonds auch Geld aufgenommen, hat die Leute entschädigt und nach und nach wurden diese Garantien wieder aufgelöst. 55 ist nicht das Ende der Fahnenstange und zum Abwickeln der mittelgroßen Banken müsste es letztlich ausreichen.
    Etwas gefährlich, einer neuen Institution entscheidende Konsequenzen zu geben
    Dobovisek: Reicht also aus, um zukünftig Krisen zu vermeiden, wie wir sie jetzt erleben?
    Heidorn: Wir können sie reduzieren und, ich meine, das Entscheidende dabei ist, dass es gelingt, dass insbesondere große Institute kontrolliert in die Insolvenz geführt werden und einfach nicht gesamt Pleite gehen, sondern tatsächlich in Einzelteilen, die weiter gerettet werden, und dann ist so was durchaus möglich. Und die Sicherungen sind auch ein bisschen anders geworden, im Sinne von, geschützt in Europa ist in erster Linie der Kleinanleger. Was in Deutschland noch etwas besser ist, dass auch Mittelständler und etwas größere Formen geschützt sind, was, glaube ich, sehr, sehr wichtig ist für einen gut funktionierenden Bankenapparat.
    Dobovisek: Schauen wir uns doch noch mal diejenigen an, die dann letztlich entscheiden sollen, ob eine Bank abgewickelt oder möglicherweise doch noch gerettet wird. Wir haben einmal die Bankenaufsicht, die erste große Säule der Bankenunion, die schon verabschiedet ist. Dann wird jetzt ein zweites Gremium von nationalen Aufsehern etabliert und am Ende entscheidet dann doch die Politik, lernen wir heute. Kann das funktionieren?
    Heidorn: Das Problem ist gar nicht, wie viele Entscheider beteiligt sind, sondern ob es ein Krisenmanagement gibt, was dazu führt, dass man in sehr, sehr kurzer Zeit alle Entscheider zusammenbringt und die dann eine endgültige Entscheidung treffen. Grundsätzlich ist es etwas gefährlich, einer neuen Institution wie der EBA so entscheidende Konsequenzen zu geben, ohne jeglichen Kontrollmechanismus, und ich hoffe einfach, dass sich das einspielt, und das allerwichtigste ist nicht die Anzahl der Gremien, sondern dass sie tatsächlich in kurzer Zeit zusammenkommen und dann mehr oder minder gleichzeitig entscheiden.
    Dobovisek: Können Sie das Krisenmanagement, das Sie ansprechen, erkennen?
    Heidorn: Das werden wir sehen, wenn es zum ersten Mal passiert. Das heißt, in dem Sinne war ich bei der großen Krise relativ erstaunt, wie gut Sachen übers Wochenende abgewickelt wurden. In dem Sinne: auch da gab es viele Beteiligte und wir sind von den Strukturen deutlich besser geworden, haben ziemlich geübt in den letzten Jahren, und ich hoffe und gehe einfach mal davon aus, dass die Beteiligten diese Lehren ernst genommen haben und die Operational Risk reduzieren.
    "Eigentlich unsinnig zu glauben, dass es im Bankensektor keine Konkurse geben kann"
    Dobovisek: Sie sagen, wenn wir das das erste Mal erleben. Sehen Sie denn Banken, die konkret davor stünden, vor einem Zerfall?
    Heidorn: Sicherlich momentan nicht, aber wir haben das ja gegründet im Falle, dass es mal wieder passiert, und es ist eigentlich in einem kapitalistischen System völlig normal, dass ein Mitspieler Pleite geht, weil das ist die Reinigungskraft, die wir brauchen, damit diese Märkte funktionieren, und darum ist es eigentlich unsinnig zu glauben, dass es im Bankensektor keine Konkurse geben kann. Das Wichtige ist, dass diese Konkurse in einer Form abgewickelt werden, dass das den Sektor nicht betrifft und die Sparer nicht betrifft.
    Dobovisek: Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Georg Fahrenschon, forderte heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk Nachbesserungen. Für systemrelevante Großbanken müsse ein eigenes europäisches Netzwerk geschaffen werden. Sollten Klein- und Großbanken unterschiedlich behandelt werden?
    Heidorn: Ich glaube, das wichtige ist, dass man einen Unterschied macht, wie viel eingezahlt werden muss in den Fonds, und die zweite Fragestellung, die, ich glaube, hier in erster Linie von den Sparkassen geführt wird, dass es kleine Institute sind, wobei es relativ unproblematisch ist, auch aus dem eigenen Sektor heraus denen zu helfen, und dass die nicht einsehen, warum sie Systemrisiken tragen sollen, kann ich nachvollziehen. Daher ist diese Idee, dass systemrelevante Banken, die am Ende des Tages auch wirklich nur durch die Steuerkraft eines Landes geschützt werden können, in einen anderen Topf gehören als kleinere Banken.
    Dobovisek: Heißt das nicht im Umkehrschluss, Stichwort Trennbankensystem, dass man große Banken zerschlägt?
    Heidorn: Da glaube ich auch wiederum nicht so richtig dran, weil gerade die Universalbank hat den großen Vorteil, aufgrund der sehr unterschiedlichen Geschäftsfelder, in denen sie sich befinden, einfach stabiler zu sein als eine normale Bank. Und wenn Sie eine weltweit operierende Wirtschaft haben, sollten Sie auch ein paar weltweit operierende Banken in Ihrem Lande haben, und da haben wir zurzeit eher ein Problem. Ich würde sagen, wir brauchen eher zwei, drei mehr, die tatsächlich in der Lage sind, weltweit alles für unsere deutschen Kunden abzuwickeln.
    Dobovisek: Zweites Thema, das uns seit vergangener Nacht beschäftigt, ist die Entscheidung der Federal Reserve, der Fed, der US-Notenbank, sich allmählich wieder aus ihrem Programm von Anleihekäufen zu verabschieden.
    In den Wochen vor der Fed-Entscheidung fielen die Kurse deutlich an den Aktienmärkten, aus Angst vor dem Anhalten der Notenpresse. Direkt nach der Entscheidung schießen sie wieder in die Höhe: der Dow Jones um fast zwei Prozent. Wie kommt das zusammen?
    Heidorn: Das kommt durch die Verabschiedung der Notenbank von der Staatsfinanzierung, wo sie eigentlich sowieso nichts zu suchen hat, und in dem Sinne ist eher die Hoffnung, dass ein bisschen Normalität in die Finanzmärkte wieder einkehrt und auch der Staat das tut, was er eigentlich tun sollte, nämlich sich Geld leihen von den Investoren und nicht durch Drucken.
    Dobovisek: Aber bisher hatten doch alle Beteiligten, so schien es jedenfalls, an den Aktienmärkten große Angst davor, dass die Fed sich wieder rauszieht, und deshalb sind die Kurse ja auch gefallen.
    Heidorn: Ja die Angst konnte ich nie teilen, weil ich im Prinzip glaube, dass wir zurzeit mit Liquidität definitiv nicht unterversorgt sind. Wenn wir Probleme haben, sind die im Kreditrisiko von Kreditnehmern, aber nicht in der Liquiditätsversorgung. Wenn da Engpässe entstehen, dann eher dadurch, dass das Ausfallrisiko relativ hoch immer noch ist. Aber Geld grundsätzlich ist kein Engpassfaktor und darum sehe ich jetzt auch nicht, dass so was irgendwas verändert.
    Dobovisek: Wie schnell sollte sich die Fed jetzt nun ganz aus den Anleihekäufen zurückziehen?
    Heidorn: Es ist immer sinnvoll, Dinge langsam zu machen. Das Problem wird eher weniger sein, sich daraus zurückzuziehen, sondern tatsächlich die Sachen, die sie haben, auch wieder abzustoßen. Das ist eigentlich die spannende Entscheidung, wann sich die Notenbank komplett wieder aus dem Bereich zurückziehen kann.
    Dobovisek: Wie kann das funktionieren, ohne die Märkte durcheinanderzuwirbeln?
    Heidorn: Es muss eigentlich nur genug Investoren geben, die bereit sind, das Risiko amerikanischer Staat zu nehmen. Im Kern gibt es die und die meisten Investoren haben eher Geldüberschüsse zurzeit und suchen verzweifelt sinnvolle Anlagemöglichkeiten, und da der amerikanische Staat ja für die nächsten zwei Jahre anscheinend seinen Haushalt halbwegs im Griff hat, sieht es auch ganz gut aus für diese Anleiheklasse, und darum, glaube ich, wird es genug Investoren geben, die Dollar-Anleihen in der Treasury haben wollen.
    Dobovisek: Der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Heidorn über die Bankenunion in Europa und die Entscheidung der US-Notenbank. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Heidorn: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.