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Bares für Altpapier

Bisher zahlen die meisten Verbraucher dafür, dass sie Altpapier in der blauen Tonne sammeln. In Berlin, Brandenburg und Sachsen geht es anders. Dort bekommen sie Geld, wenn sie ihr Altpapier abgeben. Die Idee könnte Schule machen, auch wenn sie nicht neu ist: Schon in der DDR konnte man Sekundärrohstoffe bei über 1000 Annahmestellen abgeben.

Von Diana Engel | 22.02.2008
    "Ok, dann könnse abladen. Hinter der grauen Wand, bei der Einfahrt...da sehen Sie dann unsere Jungs stehen."

    Siegfried Bauer steigt in seinen Pkw, fährt die paar Meter zur Abladestelle und öffnet den Kofferraum. Der ist voll mit Altpapier:

    "In elf Monaten hab ich also Zeitungen, Prospekte, Kataloge und alles, was so im Haushalt anfällt, abgegeben."

    Statt monatlich Geld für seine Papiertonne zu bezahlen, bekommt Siegfried Bauer bei der Papierbank Geld dafür, wenn er sein Altpapier vorbei bringt.

    Viel ist es nicht: Drei Euro kriegt er für seine 60 Kilo. Für Zeitungen und Zeitschriften gibts gerade mal fünf Cent das Kilo. Für Kopierpapier zahlt die Papierbank einen Cent mehr. Hauptsache, das Papier wird getrennt vorbei gebracht. Dirk Bernhard hat die Papierbank vor vier Jahren gegründet:

    "Das war von Anfang an unsere Idee, dass wir praktisch den Kunden, die uns Arbeit abnehmen, indem sie ihr Papier zu Hause sammeln, zu Hause sortieren, dass wir den Kunden auch etwas dafür vergüten."

    Der Vorteil für das Unternehmen liegt auf der Hand. Trennen die Kunden selber, entfallen die teuren Sortierkosten für den Weiterverkauf an Fabriken, die das Papier recyceln. Das Unternehmen will weiter wachsen, und dafür braucht es mehr Kleinkunden. Denn die Konkurrenz unter den Altpapierhändlern in Berlin ist groß. So zahlt die Papierhandelsfirma Wiko in Berlin-Friedrichshain zwei Cent mehr das Kilo. Wolfgang Brommer fährt zwei-, dreimal im Jahr auf den Hof der Wiko am Markgrafendamm. Seine Nachbarn tun es ihm nach:

    "Ich bin so'n bisschen umweltbewusst, und ich will das nicht alles wegschmeißen und fand det gut, dass hier so'n Hof aufgemacht hat, wo man det eben loswerden kann."

    Wolfgang Brommer kennt das Altpapier-Sammeln noch aus DDR-Zeiten. Als Jung-Pionier hat er sich damit früher sein Taschengeld aufgebessert. Das DDR-System hieß Sero, abgekürzt für Sekundärrohstofferfassung. Für ein Kilo Altpapier gabs immerhin 30 Pfennig. Denn Rohstoffe waren knapp:

    "Da hat sich's ja immer noch ein bisschen mehr gelohnt. Jetzt sind die zwei, drei Euro... im Prinzip würd ich's auch abgeben, wenn ich keen Geld dafür kriegen würde."

    Die Wiko zahlt immer gleich bar auf die Hand. Unter den Kunden sind auch viele Berliner Schulen, Rentner und Hartz-IV-Empfänger, die sich etwas dazuverdienen. 1000 Tonnen kommen so Monat für Monat zusammen, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Wilfried Kopp:

    "Papier ist ein Rohstoff geworden, der sehr begehrt ist, und wir werden erleben, dass der Papierpreis gewaltig steigen wird, vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber er wird steigen, weil Papier immer wertvoller wird."

    Beide Firmen haben 2004 mit einer Handvoll Mitarbeiter angefangen und beide expandieren. Die Papierbank beschäftigt heute 30 Festangestellte, bei der Wiko sind es 14. In diesem Jahr sollen noch einmal drei bis vier Mitarbeiter dazukommen:

    "Wenn der Trend so weitergeht, schätz ich, dass wir im Jahr 2010 das Doppelte, wenn nicht das Dreifache an Tonnage bewegen werden hier. Wenn Sie die dreifache Menge bewegen an Papier, brauchen Sie auch die dreifache Menge an Leuten. Also diese Branche ist noch lang nicht so ausgereift, dass alles mit Mechanik geht. Hier muss viel Handarbeit gemacht werden."

    Weltweit steigt die Nachfrage nach recycelbarem Altpapier. Während die Firma Wiko ausschließlich an Fabriken in Ost- und Norddeutschland verkauft, liefert ihr Konkurrent aus Kreuzberg auch nach Indien und China. Für Pappen und Kartonage zahlt die chinesische Verpackungsindustrie der Papierbank bis zu 40 Prozent mehr als deutsche Firmen.