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Barsch mit Tomaten

Technik. - Aufgrund der Überfischung der Meere stammt jeder vierte Fisch inzwischen aus einer Aquafarm. Doch die stellen ein großes Umweltproblem dar, denn Fischexkremente und Futterreste verschmutzen die Gewässer. Eine Lösung könnten geschlossene Kreislaufanlagen an Land sein.

Von Maren Schibilsky | 17.02.2009
    Die Wintersonne scheint auf ein 180 Quadratmeter großes Gewächshaus am Ufer des Berliner Müggelsees. Im Innern wachsen auf der rechten Seite Tomaten. Auf der linken Seite afrikanische Buntbarsche. In riesigen grünen Wassertanks ziehen die Süßwasserfische ihre Kreise.

    "Die Idee besteht darin, dass bei der Fischzucht, speziell bei der Aquakultur Nährstoffe erzeugt werden, die im Normalfall in Oberflächengewässer abgeleitet werden, im günstigsten Fall in die Kanalisation gehen. Die Idee war, diese Nährstoffe noch anderweitig zu nutzen, zum Beispiel zur Kultivierung von Gemüsekulturen."

    Der Aquakulturforscher Bernhard Rennert hat diese Fischzuchtanlage entwickelt. Die Idee, Fischereiabwässer zur Gemüseproduktion zu nutzen, ist nicht neu. Bereits in den 80er Jahren gab es Versuche in den USA und in der DDR. Doch industrielle Anlagen sind daraus nie entstanden. Inzwischen aber sind die vielen Aquakulturen in Meeresbuchten und Seen eine große Belastung für die Umwelt geworden. Deshalb werden immer mehr geschlossene Anlagen an Land geplant und gebaut. Die Forschungsanlage der Berliner Wissenschaftler scheint zur rechten Zeit zu kommen. Christoph van Ballegooy.

    "Wir haben im August den Fischkreislauf mit dem Pflanzenkreislauf zusammengeschlossen. Wir mussten keinen künstlichen Dünger dazu geben. Die Tomaten sind tatsächlich von den Abfallprodukten, die die Fische produzieren, ernährt worden und gewachsen. Wir hatten 600 Kilo Tomaten 2008 geerntet und hatten einen Zuwachs bei den Fischen von 200 Kilo in dieser Zeit gehalten."

    Das so genannte Aquaponik-System funktioniert: Es leitet die Fischabwässer zu den Tomatenpflanzen. In einer Filteranlage werden vorher größere Partikel heraus gesiebt und das Wasser biologisch geklärt. Dabei spalten Mikroorganismen die Fischexkremente in Verbindungen auf, die für die Pflanzen verwertbar sind. Giftiges Ammoniak wird in Nitrat umgewandelt. Dann fließt das Wasser in die Pflanzrinnen. Die Wurzeln der Tomatenpflanzen schwimmen in einem Nährstofffilm – erklärt Fischereiingenieur Bernhard Rennert.

    "Die Nährstoffe für die Tomatenpflanzen liegen dann in gelöster Form vor. Das sind vor allem Nitrate, Phosphate, aber auch Kalium, Calcium, Magnesium, sämtliche Spurenelemente, die die Tomatenpflanzen benötigen. Über die Wurzeln nehmen sie das nährstoffhaltige Wasser auf, verarbeiten die Nährstoffe und geben das Wasser an die Atmosphäre wieder ab."

    Das Kondenswasser der Pflanzen wird aufgefangen und über Rohre der Fischzuchtanlage zu geleitet. Ein geschlossener Wasserkreislauf entsteht. Nur zwei bis drei Prozent Frischwasser muss in 24 Stunden zugegeben werden. Herkömmliche Anlagen brauchen 20 Prozent und mehr Wasser am Tag. Durch die Tomatenzucht entsteht eine zweite Wertschöpfungskette. Die macht den Betrieb der Gesamtanlage wirtschaftlich. Bis 2010 wollen die Berliner Wissenschaftler ihr ´Aquaponik-System´ zur Marktreife bringen – erzählt der Biologe Christoph van Ballegooy.

    "Das Potential der Anlage liegt darin, dass wir sie ausgerichtet haben für aride Gebiete, also Gebiete, wo wenig Wasser zur Verfügung steht. Im Nahen Osten oder auch im Fernen Osten, wo Interesse daran besteht, diese Anlagen zu bauen. Da wir sehr wenig Wasser verbrauchen bei dieser Anlage. Wir versuchen den Bedarf noch weiter herunterzuschrauben. Was dann vor Ort in diesen Anlagen gepflanzt wird oder welche Fischart genommen wird, hängt dann vom jeweiligen Markt der Region ab."

    Die Berliner Aquakulturforscher züchten afrikanische Buntbarsche. Ein edler Speisefisch, der sich bei 24 Grad im Wasser wohl fühlt. Diese hohe Wassertemperatur lasse sich gut mit der hohen Lufttemperatur für Tomaten in einem Gewächshaus kombinieren. Aber auch zum Beispiel Welse plus Gurken- oder Salatzucht sind möglich. Interessenten für diese Anlage gibt es bereits aus Deutschland, Norwegen und Südspanien.