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Barthel: Wir haben zu akzeptieren, dass Steinmeier nicht will

Klaus Barthel (SPD) sagt, dass die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) von Peer Steinbrück ein nach vorne weisendes Programm erwarte. Dennoch habe der AfA künftig sicher noch Diskussionsbedarf mit dem künftigen SPD-Kanzlerkandidaten.

Friedbert Meurer im Gespräch mit Klaus Barthel | 28.09.2012
    Friedbert Meurer: Ich begrüße nun Klaus Barthel, er ist SPD-Abgeordneter, Chef der AfA, der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, also der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels der Sozialdemokraten. Schönen guten Tag, Herr Barthel.

    Klaus Barthel: Schönen guten Tag, Herr Meurer!

    Meurer: War das richtig, heute diese Entscheidung jetzt so überraschend vorzuziehen, Steinbrück wird Kanzlerkandidat, soll Kanzlerkandidat der SPD werden?

    Barthel: Na ja, wenn im Grunde die Entscheidungen gefallen sind, dann macht es wenig Sinn, jetzt noch die Öffentlichkeit wochenlang hinzuhalten. Bisher sind wir ja davon ausgegangen, dass die Frage noch offen ist und offenbleibt. Aber wenn eigentlich klar ist, dass zwei von der Troika gar nicht wollen und dass es eh auf Steinbrück zuläuft, dann macht es natürlich auch Sinn, da nicht länger Versteck zu spielen.

    Meurer: Sind Sie etwas enttäuscht, dass Frank-Walter Steinmeier nicht will?

    Barthel: Ich bin überrascht, aber ich glaube, der Punkt, ob man jetzt da enttäuscht ist, das trifft nicht mich, und ich glaube, wir haben das zu akzeptieren, dass Frank-Walter Steinmeier nicht will.

    Meurer: Wieso hätten Sie ihn lieber gehabt? Ein bisschen klingt das so, als hätten Sie ihn lieber gehabt.

    Barthel: Nein, nein! Das versuchen Sie jetzt, da herauszuhören. Ich glaube, es war nicht so, dass aus unserer Sicht und aus Sicht von vielen anderen auch da zum Beispiel große inhaltliche Unterschiede erkennbar sind, und es kommt ja jetzt darauf an, dass eben alle sich da aufeinander zubewegen und dass jetzt endlich die Personalfrage nicht mehr im Hintergrund steht, sondern dass wir uns jetzt darauf konzentrieren können, unsere Inhalte festzulegen.

    Meurer: In der Tat stehen beide, Steinmeier und Steinbrück, für die Agenda-Politik, für die Hartz-Reform, mit denen die SPD-Linke sich ja sehr schwer getan hat. Trotzdem: vom Typ her und von seiner politischen Ausrichtung, Herr Barthel, ist Steinbrück jemand, der die verloren gegangenen SPD-Stammwähler zurückholen kann?

    Barthel: Ich glaube, das hängt natürlich davon ab, wie er sich in Zukunft da inhaltlich positioniert. Sie haben die Agenda-Politik und die Politik der vergangenen Jahre angesprochen. Ich glaube, hier ist ja deutlich geworden, dass es da Lernprozesse gibt. Wenn wir uns das Bankenpapier, das Finanzmarktpapier von Peer Steinbrück anschauen, dann hätte er das vor zwei, drei oder vor fünf Jahren so nicht geschrieben, sondern hier ist ja eine deutliche Abkehr auch von bisherigen Annahmen erkennbar, und daraus sieht man auch, dass Peer Steinbrück durchaus in der Lage ist, aktuelle Notwendigkeiten zu erkennen, auch aus Fehlern zu lernen und daraus programmatisch was nach vorne weisendes zu formulieren, und das erwarten wir natürlich in anderen Bereichen auch von ihm.

    Meurer: Muss es umgekehrt auch einen Lernprozess bei der SPD-Linken geben, zum Beispiel jetzt aktuell bei den Rentenfragen?

    Barthel: Ich weiß nicht, welchen Prozess Sie da meinen. Wir stellen ja fest, ...

    Meurer: Die demografische Entwicklung zu akzeptieren und die Konsequenzen daraus.

    Barthel: Ja. Die demografische Entwicklung, die haben wir schon lange akzeptiert. Die Frage ist ja, wie man damit umgeht und wer die Lasten dieser Entwicklung trägt und welche Konzepte geeigneter sind, um die demografische Entwicklung für alle sinnvoll zu gestalten, und da glaube ich schon, dass wir noch Diskussionsbedarf auch mit Peer Steinbrück haben, denn man kann ja zum Beispiel nicht jetzt sagen, wir wollen die Finanzmärkte und die Spekulation trockenlegen und in ihrer Bedeutung minimieren, und gleichzeitig zum Beispiel die Auffassung vertreten, dass das demografische Problem in der Rentenversicherung dadurch gelöst werden muss, dass die Menschen noch mehr jetzt mit sogenannten kapitalgedeckten Alterssicherungssystemen konfrontiert werden, die also genau wieder zusätzliches Stroh zum Verfeuern auf den Finanzmärkten sammeln, sondern dass wir genau in unserer umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung bleiben müssen, damit einerseits Gerechtigkeit hergestellt werden kann, Solidarität, aber eben auf der anderen Seite das Geld auch nicht wieder in falsche Kanäle fließt.

    Meurer: Wenn man mal ein bisschen Revue passieren lässt, woher die Kanzler und Kanzlerkandidaten der SPD stammen - das frage ich jetzt Sie als Bayern, Herr Barthel -, Helmut Schmidt aus Hamburg, Steinbrück aus Hamburg, Schröder aus Hannover, Willy Brandt aus Lübeck, haben Sie eine Erklärung für die Dominanz des Nordens?

    Barthel: Na wir hatten auch Hans-Jochen Vogel und Johannes Rau und ich glaube, dass das sich im Laufe der Zeit auch ändern wird und ändern kann. Aber für uns muss doch im Vordergrund stehen, mit wem können wir gewinnen und wer kann am besten die sozialdemokratischen Inhalte verkörpern, und das ist das geringste Problem, dass wir da im Moment viele aus dem norddeutschen Tiefland haben.

    Meurer: Klaus Barthel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD. Herr Barthel, danke schön für das Gespräch heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Auf Wiederhören!

    Barthel: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören!

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