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Barthle: Brauchen bessere Koordinierung der EU-Wirtschafts- und -Finanzpolitik

Um den europäischen Wirtschaftsraum zu stabilisieren, müsse man bereit sein, Kompetenzen abzugeben, sagt CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle nach der Sondersitzung der Unions-Fraktion. Das Budgetrecht solle aber "letztendlich nationales Recht bleiben".

Norbert Barthle im Gespräch mit Nadine Lindner | 24.08.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, forderte einen Sonderparteitag, Innenexperte Wolfgang Bosbach kündigte bereits sein Nein an, keine Frage: Die Euro-Rettungsaktionen der Bundesregierung sorgen für erheblichen Unmut an der Basis und damit für Ärger auch innerhalb der CDU. Wir bewegen uns mehr und mehr in Richtung Transferunion und der Bundestag, der wird dabei auch noch zeitlich unter Druck gesetzt, so lautet verkürzt die Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sind derzeit bemüht, die Wogen zu glätten, unter anderem in einer Sondersitzung der Unions-Fraktion gestern Abend in Berlin.
    Meine Kollegin Nadine Lindner, die hatte die Möglichkeit, mit einem der Teilnehmer zu sprechen, und zwar mit Norbert Barthle. Er ist haushaltspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion. Und sie hat ihn zunächst gefragt, wie er die Atmosphäre auf der Sitzung wahrgenommen hat, ob denn jetzt endlich Frieden einkehrt in der Fraktion und bei ihren internen Kritikern.

    Norbert Barthle: Selbstverständlich hat sich auch Wolfgang Bosbach zu Wort gemeldet, er hat noch mal ausführlich darauf hingewiesen, dass wir in diesen Fragen, wie es weitergeht mit der Rettung des Euro, in einer großen Verantwortung stehen, dass es um die Glaubwürdigkeit der Union geht und dass wir deshalb sehr genau beraten müssen, wie wir weiter vorgehen. Es haben sich auch alle anderen, bisher schon namentlich bekannten Skeptiker wieder zu Wort gemeldet, das war zu erwarten, aber es haben sich auch Befürworter zu Wort gemeldet. Insofern war das eine wirklich sehr ausgewogene Grundsatzdebatte, die auch wesentlich weniger aufgeregt geführt wurde, als das im Vorfeld eigentlich zu erwarten war aufgrund der Einlassungen auch in der Öffentlichkeit. Es war eine wirklich sehr besonnene Debatte und die Argumente, die vorgetragen wurden, waren alle sehr ernsthaft und auch sehr fundiert vorgetragen. Insofern hat das, denke ich, schon sehr auch zum gemeinsamen Sinn wieder in der Fraktion beigetragen.

    Nadine Lindner: Wie haben denn Fraktion und Kanzlerin auf die Kritiker reagiert? Wie groß ist denn deren Isolation innerhalb der Fraktion?

    Barthle: Ich würde da nicht von Isolation sprechen. Es hat ja zunächst mal die Kanzlerin eingeführt, dann gab es nach einer größeren Anzahl von Wortmeldungen eine Zwischenrunde durch den Finanzminister Wolfgang Schäuble und dann abschließend noch mal die Kanzlerin. Es war keinerlei Atmosphäre vorhanden, wo man den Eindruck hatte, die Kanzlerin oder der Finanzminister muss jetzt die Fraktion überreden, oder zu irgendetwas hinführen, sondern es gab eine sehr offene, sehr konstruktive Aussprache, in der einfach nochmals die Grundpositionen, nach denen wir unsere Europapolitik ausrichten, auch für alle verdeutlicht wurden. Und das lässt sich festmachen an einigen klaren Leitplanken, die nochmals klar zur Sprache kamen, und deshalb hat es auch sehr zu einem wirklich sich Wiederfinden in der Fraktion beigetragen. Wir haben auch eine im Vorfeld ja heftig geführte Debatte über die Euro-Bonds relativ schnell eigentlich überwunden gehabt. Es war vollkommen klar, und zwar für alle, auch für die Kritiker, dass unterschiedliche Zinssätze fundamental sind für das Zusammenleben innerhalb der europäischen Währungsunion, und schon aus diesem Grunde schließen sich Euro-Bonds aus. Unterschiedliche Zinssätze müssen auch unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abbilden können. Das Zinsrisiko für die Gemeinschaften wäre das völlig falsche Signal, genau an die Länder, die eben besonders überschuldet sind, und es war da der absolute Konsens vorhanden, dass das nicht der richtige Weg wäre.

    Lindner: Absoluter Konsens. – Gab es denn auch Abgeordnete, die bei ihrem Nein bleiben werden am 23. September in der Bundestagsabstimmung?

    Barthle: Davon gehe ich aus. Also die bekannten, die bisher schon mit Nein gestimmt haben, werden wohl dabei bleiben. Aber es gab auch Wortmeldungen wie zum Beispiel die vom Kollegen Vaatz, der ja auch immer schon als sehr kritisch eingestellter bekannt war, der klipp und klar gesagt hat, Arnold Vaatz für die neuen Bundesländer, dass er dennoch zustimmen werde, weil eben auch die Alternative die schlechtere ist. Es gibt immer Alternativen zu jedem Weg, den man beschreitet, aber ich glaube, in dieser Fraktionssitzung ist für alle nochmals klar geworden, dass eine Alternative, ein Herausdrängen eines Euro-Landes aus der gemeinsamen Währung, eine Rückkehr zu alter Währung bis hin zur Rückkehr zur D-Mark, alles mögliche hat man diskutiert, mit wesentlich größeren Risiken und letztendlich auch mit größerem ökonomischem Schaden verbunden wäre, und deshalb, denke ich, hat diese Fraktionssitzung für die in der nächsten Sitzungswoche stattfindende Beratung dann der konkreten gesetzlichen Vorlagen sehr, sehr gute Vorarbeit geleistet.

    Lindner: Die Gesetzesvorlagen zu den Beschlüssen der Europäischen Union von Ende Juli liegen ja immer noch nicht vor. Können Sie denn jetzt und können die anderen Abgeordneten eigentlich abschätzen, wie groß die Risiken für die deutschen Steuerzahler, für den deutschen Haushalt wirklich sind?

    Barthle: Man kann die Risiken abschätzen, wenn man die Worst-Case-Szenarien abbildet. Dann wissen wir, was wir im Höchstfall an Verbindlichkeiten eingehen würden. Das sind 211 Milliarden nach jetzigem Stand bei der Griechenland-Rettung und nach der Ertüchtigung des EFSF, aber das ist ein absoluter Höchststand. Dass dieser Fall eintritt, davon geht eigentlich niemand aus, denn da müsste alles schiefgehen, was nur schiefgehen kann. Und während der Bankenrettung haben wir ja schon die Erfahrung gemacht, dass die Rettungsmechanismen, die wir bereitgestellt haben, bei Weitem nicht ausgeschöpft wurden.

    Lindner: Welche Rolle spielt denn in diesen Debatten die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Euro-Rettungsschirm und die Griechenland-Hilfe?

    Barthle: Nun, das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich ja insbesondere mit der Frage der Parlamentsbeteiligung, und an der Stelle werden wir sicherlich noch Gelegenheit haben, auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in unsere Beratungen mit einzubeziehen, denn über die Ausgestaltung des ESM beraten wir ja nicht jetzt bis Ende September, sondern das wird erst bis Ende Oktober stattfinden. Insofern haben wir da noch genügend Zeit.

    Lindner: Sie sind ja Haushaltspolitiker, Herr Barthle, und ein Teil der Beschlüsse von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy besagt ja auch, dass es eine europäische Wirtschaftsregierung geben soll, die halt unter anderem auch auf einer stärkeren Koordinierung unter anderem natürlich auch der Haushaltspolitik basiert. Kann Ihnen das denn eigentlich gefallen als Haushaltspolitiker, dass Ihnen dann dort ins Handwerk gepfuscht wird?

    Barthle: Da sprechen Sie einen Punkt an, der sicherlich für alle ein bedenklicher ist. Wenn wir wollen, dass der europäische Wirtschaftsraum und die europäische Währungsunion stabiler gegen Einflüsse von außen wird, wenn wir wollen, dass solche Krisenszenarien sich nicht wiederholen, müssen wir bereit sein, auch ein Stück weit Kompetenzen abzugeben, gemeinsam uns besser abzustimmen, eine bessere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik vorzunehmen, wobei sicherlich das Haushaltsrecht, letztendlich das Budgetrecht letztendlich nationales Recht bleiben wird.

    Heckmann: Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Norbert Barthle war das im Gespräch mit meiner Kollegin Nadine Lindner.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.