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Basketball
Rassismus aus der ersten Reihe

Ein Miteigentümer des amtierenden NBA-Meisters Golden State Warriors legt sich am Spielfeldrand der Finalserie mit dem Kapitän der Toronto Raptors an. Die Liga reagiert mit einer harten Strafe. Doch die Debatte ist damit noch lange nicht beendet.

Von Jürgen Kalwa | 08.06.2019
Kyle Lowry von den Toronto Raptors, geriet während der Partie mit dem Mitbesitzer der Golden State Warriors in der ersten Reihe aneinander.
Kyle Lowry von den Toronto Raptors, geriet während der Partie mit dem Mitbesitzer der Golden State Warriors in der ersten Reihe aneinander. (dpa/picture alliance/Tony Avelar)
Die teuersten Plätze bei einem NBA-Spiel sind die Stühle entlang der Seitenlinie knapp zwei Meter vom Spielfeldrand entfernt. Sie kosten bei den Heimspielen der Golden State Warriors in der normalen Spielzeit etwa mehr als 1000 Dollar. Und in den Playoffs noch viel mehr. Wer sie sich leisten kann, zahlt gerne: Er will schließlich nicht nur sehen, sondern auch gesehen werden.
Doch oft genug wird man dort schlagartig ins Geschehen verwickelt. Zum Beispiel dann, wenn Spieler nach dem Ball jagen, nicht mehr rechtzeitig bremsen können und mit voller Wucht in die ersten Zuschauerreihen fliegen.
"…Ibaka. Lowry diving into the crests to save it."
Schubser und vulgäre Flüche vom Milliardär
Das passierte den auch am Mittwoch im dritten Spiel der Finalserie in Oakland, als Kyle Lowry von den Toronto Raptors in der entscheidenden Phase der Begegnung in die Menge segelte. Doch hier eskalierte die Situation. Einer der Zuschauer schubste den Kapitän der Raptors ärgerlich weg und belegte ihn mit vulgären Flüchen.
"Ich sehe das so: Jemand wie dieser Typ sollte nicht Teil unserer Liga sein. Wir hatten schon ähnliche Situationen. Und da hat die Liga genau das richtige getan und die Spieler in Schutz genommen und das Image der NBA geschützt."
Weshalb die Reaktion von ganz oben nicht lange auf sich warten ließ. Zumal sich schon bald herausstellte, dass es sich nicht um irgendeinen Fan handelte. Sondern um Mark Stevens, einen der Anteilseigner der Gastgeber, Milliardär und einer der reichsten Männern aus dem benachbarten Silicon Valley, der beim Besitzerwechsel des Klubs 2010 rund 40 Millionen Dollar zur Kaufsumme beigetragen hatte.
NBA-Geschäftsführer Adam Silver redete gar nicht lange herum: Stevens wurde für ein Jahr gesperrt, erhielt Arena-Verbot und muss einer Geldstrafe von 500.000 Dollar bezahlen. Das war noch vergleichsweise milde. Denn für ihn sprach, so der Commissioner, dass er bis dato nicht unangenehm aufgefallen war und sich mehrfach für den Zwischenfall entschuldigt hatte.
"Die Sperre und die Geldstrafe schienen angemessen."
Kyle Lowry, Spieler der Toronto Raptors, versucht den Basketball in den Korb befördern.
Kyle Lowry, Spieler der Toronto Raptors, versucht gegen die Golden State Warriors zu punkten (dpa / AP Photo / Tony Avelar / Pool)
Rassimus schwelt über der Debatte
Aber die Debatten über das Verhalten von Klubbesitzern gegenüber Spielern ebben nicht ab. Auch die Spielergewerkschaft meldete sich zu Wort. Und die derzeit überragende Spielerfigur, LeBron James. Der erklärte in einer Stellungnahme: "Stellt euch einfach mal vor, Kyle Lowry hätte reagiert und Hand an ihn gelegt. Dann wärt ihr doch alle durchgedreht und hättet verlangt, dass er ins Gefängnis geworfen wird."
Worauf James anspielte: Lowry ist Afro-Amerikaner. Stevens ist weiß. Was den Zwischenfall zu einem Lehrstück für die Konstellation im amerikanischen Mannschaftssport machte. Hier sind Besitzer und Entscheidungsträger mehrheitlich weiß. Die Gladiatoren in der Arena überwiegend schwarz.
Angesichts dessen wächst der öffentliche Druck, um Stevens zu zwingen, seinen Anteil zu verkaufen. Der würde andernfalls zum Ausstellungsstück schlechthin für etwaige Spannungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der NBA. Dazu zwingen kann ihn NBA-Commissioner Silver nicht. Das kann nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Klubeigentümer.
Falls Stevens es dennoch tun sollte, wäre es übrigens nicht zu seinem Schaden. Sein Anteil an den Warriors wird mittlerweile auf einen Marktwert von 180 Millionen Dollar geschätzt. Eine Profitmarge von 450 Prozent.