Freitag, 29. März 2024


Basketball und Bibelstunde

Die Fußball-WM 2014 ist im Gastgeberland nicht unumstritten. Der Vorwurf Vieler: Der Staat investiere zuviel in Stadien und zu wenig in Gesundheit und Bildung. Diese Sorge hat die Kirchen auf den Plan gebracht – mit Sportprojekten.

Von Jörg-Christian Schillmöller | 06.10.2013
    Es ist Nachmittag auf der Insel Boipeba im Nordosten Brasiliens, die Sonne brennt, und draußen ist es drückend heiß – aber hier drinnen in der Sporthalle ist es angenehm kühl: Die Wände sind aus Stein, der Boden ist rauer Estrich, bemalt mit Linien für Spielfelder, und über dem Ganzen ein geschwungenes Dach aus Wellblech. Fünf Jungs und eine junge Frau trainieren gerade Basketball. Die Leitung hat der deutsche Missionar Daniel Simon.

    "Hauptsächlich üben die jetzt einer gegen den anderen. Einer muss dribbeln, und das Ziel ist es, den Ball in den Korb zu schmeißen, während der andere die Defensive trainiert."

    Daniel Simon stammt aus Seeheim-Jugenheim in Hessen. Er ist selbst das Kind von evangelischen Missionaren und kam schon ganz jung nach Brasilien. Dort hat er später geheiratet und einige Jahre als Physiotherapeut an der Küste des Staates São Paulo gearbeitet. Dann ergab sich die Gelegenheit, als Sportlehrer nach Boipeba zu gehen und dort Basketball, Fußball, Handball, Volleyball und Judo zu unterrichten – im Auftrag der Organisation MEAP.

    Die MEAP kümmert sich um Fischerleute an den Küsten Brasiliens und bietet ihnen Hilfe in allen Lebenslagen. Das Ziel des Gründers Marcio Garcia ist einfach und pragmatisch: Es bringt den Menschen wenig, einfach nur zu predigen.

    "Du kannst ihnen nicht sagen: Jesus liebt Dich, und am nächsten Tag liegst Du tot auf der Straße, weil Du nichts gegessen hast."

    "Es gibt kaum privat finanzierte Turnhallen"
    Die MEAP erfüllt im Alltag der Insel Boipeba eine wichtige Funktion: Sie ist ganz bewusst in die Lücken gegangen, die der Staat lässt. Seit 15 Jahren betreibt sie eine Kindertagesstätte, sie arbeitet eng mit der baptistischen Gemeinde zusammen – und sie hat aus eigener Kraft die Sporthalle gebaut, ungewöhnlich für so eine Insel.

    "Sehr ungewöhnlich. Es ist die erste in der Region. Und private Turnhallen gibt es kaum in ärmeren Regionen."

    Dass der brasilianische Staat zu wenig tut für die Bürger, ist kein Geheimnis. Wir wollen eine zweite Meinung hören und fragen den Inselpolizisten Washington, der hier jeden Tag mit seinem Cross-Motorrad Streife fährt. Es sei schon viel besser geworden, sagt er. Denn es gebe jetzt eine neue Schule und ein neues Krankenhaus. Es fehle aber leider an Freizeitangeboten für Jugendliche. Das sei ein Problem, so Washington, auch für die Militärpolizei.

    "Einige Jugendliche geraten in das Drogenmilieu, weil sie nichts zu tun haben, und dann landen sie in der Kriminalität. Wir konnten einige durch viel Dialog zurückholen, aber andere haben leider den falschen Weg gewählt, und sie werden nicht mehr zurückkehren."

    Zurück in der kühlen Sporthalle von Boipeba. Das Training ist vorüber, Daniel Simon ruft die jungen Leute zusammen und setzt sich im Schneidersitz am Rande der Halle auf den Boden. Zeit für das Evangelium. Heute hat Daniel eine Passage aus dem Brief des Jakobus gewählt. Es geht um das Durchhalten im Glauben, um Standfestigkeit und Charakter. Daniel fordert einen der Jugendlichen auf, zu demonstrieren, wie gut er Körbe werfen kann.

    "Siehst Du, warum hast Du das gekonnt? Weil Du es geübt hast. Die Praxis zählt, und so ist das auch im Glauben."

    Die jungen Leute hören zu, ihre Gesichter sind unbeweglich, aber es ist keine Ablehnung darin zu lesen. Nach dem Spiel kommen wir mit Sayonara ins Gespräch. 24 Jahre alt sei sie, sagt Sayonara, und sie liebt den Sport. Die junge Frau ist Baptistin und auf die Frage, ob ihr die Verbindung von Basketball und Bibelstunde gefällt, antwortet sie nur mit einem Wort. "Si."

    Die Kirchen tun viel hier auf der Insel, sagt die junge Frau. Sie haben die Kita gebaut und bieten viele Angebote an. Und, ja, es gebe Probleme in der Bildung. Zuwenig Lehrer, zuwenig Klassenzimmer. Neben Sayonara steht Joao Viktor, der schon ganz gut Basketball spielt und viel Ballgefühl bewiesen hat.

    "Wir haben schon früher hier auf der Insel Basketball gespielt, aber damals noch mit selbstgebauten Körben."

    Joao Viktor ist katholisch – und auch für ihn ist es keine große Sache, dass er an einer evangelischen Bibelstunde mitmacht und dass hier verschiedene Konfessionen zusammenkommen. Nein, das macht keinen Unterschied, sagt er. Und auch dem deutschen Missionar Daniel Simon ist eines wichtig: Toleranz. Auch denen gegenüber, die sich nicht so brennend für das Evangelium interessieren.

    "Einige kommen nur für Sport und Spiele. Sie kommen, sie setzen sich hin und machen nicht besonders viel mit in den Bibelstunden, aber wir sind auch nicht hier, um jeden zu drängen, irgendwie evangelisch und zu unserer Nachricht Stellung zu beziehen. Nein, wir wollen, dass sie hören."

    Und dann sagt er noch zwei Sätze – und die bringen seine ganze Arbeit hier in Brasilien auf den Punkt.

    "Sport ist nicht der Grund, der Grund ist das Evangelium. Sport ist der Weg."

    Basketball und Bibelstunde auf Boipeba: Am Ende bleibt ein positiver Eindruck. Es ist nicht jedermanns Sache, nach 20 Minuten Training über Gott zu sprechen. Aber die Organisation MEAP hat eine Struktur geschaffen, die jungen Leuten Halt gibt – und Daniel Simon setzt darauf, dass der Funke schon überspringt.

    "Sport ist etwas, das herausfordernd ist, Kontakt fördernd, also Freundschaften aufbauen während eines Fußballspiels ist einfach."

    Und, bestätigt Daniel, wenn die Brasilianer eines können, dann ist es Fußball.

    "Ja, sie sind ziemlich gut, wirklich. Hier wird man quasi geboren schon mit einem Fußball vor den Füßen."


    Zu den weiteren Beiträgen des Blogs

    Der deutsche Baptist Daniel Simon missioniert auf Boipeba
    Der deutsche Baptist Daniel Simon missioniert auf Boipeba (Dirk Gebhardt)



    Boipeba Landkarte


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