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Batteriebetriebener Powermagnet

Physik. - Materialien, die sich wie ein Dauermagnet verhalten und die gleichzeitig dauerhaft elektrisch geladen sind, sind wahre Exoten. Für technische Anwendungen sind solche Stoffe höchst interessant, etwa für neuartige Computer-Speicherchips. Nur: Bislang waren die Materialien schlicht zu schwach, um etwas Brauchbares aus ihnen zu machen. Nun stellt ein internationales Forscherteam im Fachmagazin "Nature" eine neue Substanz vor, die wesentlich stärker als all ihre Vorgänger ist.

Von Frank Grotelüschen | 19.08.2010
    Was haben Kompassnadeln, Magnetschlösser und Lautsprecherboxen gemeinsam? Nun, ihr Herzstück ist ein Dauermagnet – ein Stoff, der immer magnetisch ist. Weniger bekannt sind Materialien, die ständig elektrisch geladen sind. Ferroelektrische Stoffe, so nennt sie der Physiker. Man nutzt sie zum Beispiel als präzise Motoren für die Nanotechnologie. Nun kennen Fachleute wie der US-Physiker Darrell Schlom von der Cornell University aber auch Materialien, die beide Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie sind sowohl dauerelektrisch als auch dauermagnetisch.

    "Solche Materialien sind extrem selten. Das erste wurde 1966 entdeckt. Seitdem hat man nicht mehr viele gefunden. Und diese Stoffe waren auch nur sehr schwach magnetisch und elektrisch. Doch das Material, das wir nun entwickelt haben, ist tausend Mal stärker als alles, was es zuvor gab."

    Europium-Titanat, so heißt der Stoff. Wie der Name schon sagt eine Verbindung der beiden Metalle Europium und Titan. Normalerweise eine Substanz, die haarscharf daran vorbeischrammt, dauermagnetisch und dauerelektrisch zu sein. Doch dann griffen Darrell Schlom und seine Leute zu einem raffinierten Trick.

    "Wir nutzten einen Kristall, dessen Kristallgitter ein wenig größer ist als das Gitter von Europium-Titanat. Diesen Kristall haben wir als Unterlage verwendet, auf dem die Europiumatome und die Titanatome zu einem Gitter wachsen konnten. In diesem Gitter waren die Atome dann ein wenig weiter voneinander entfernt als in einem normalen Europium-Titanat-Kristall."

    Das Ganze ist ein bisschen so, als würde man kleine Eier in einen Karton legen, der an sich für große Eier gedacht ist. In diesem Karton lagern die kleinen Eier dann logischerweise etwas weiter auseinander als sie eigentlich müssten. Mit diesem Eierkarton-Trick ist es den Forscher gelungen, den Europium-Titanat-Kristall ein bisschen auseinander zu ziehen, um etwa ein Prozent. Und das genügte, um das Material zum Doppelkönner zu machen – zu einem Stoff, der sowohl dauermagnetisch ist als auch dauerelektrisch. Schlom:

    "Ich muss allerdings sagen, dass das noch reine Grundlagenforschung ist. Denn unser Material funktioniert bislang nur bei extrem tiefen Temperaturen, bei minus 270 Grad Celsius. Deshalb suchen wir jetzt nach Wegen, wie man das auch bei normalen Temperaturen schaffen kann. Einen Kandidaten dafür haben wir bereits im Auge. Auf jeden Fall aber denke ich öffnet unsere Arbeit die Türe zu vielen neuen Anwendungen."

    Denkbar sind neuartige Speicherchips für Computer, die kaum Energie verbrauchen und ihr Gedächtnis bei einem Rechnerabsturz nicht verlieren würden. Oder simpel aufgebaute, aber zugleich hochempfindliche Magnetsensoren. Und dann wäre da noch eine weitere, höchst faszinierende Sache: ein Powermagnet mit Batteriebetrieb.

    "Dazu bräuchte man ein Material, das ganz knapp davor ist, dauermagnetisch und dauerelektrisch zu sein. Würde man an so ein Material von außen ein elektrisches Feld anlegen, würde dieses Material mit einem Schlag zu einem kräftigen Magneten werden. Man hätte also einen Magneten in der Hand, den man mit dem Strom einer kleinen Batterie ein- und ausschalten könnte."

    Auf Knopfdruck einschalten lässt sich zwar auch ein Elektromagnet. Aber um diesen magnetisch zu machen, braucht es einen starken elektrischen Strom und damit viel Energie. Beim Powermagneten von Darrell Schlom dagegen würde, um ihn zu aktivieren, bereits eine mickrige Batterie reichen – eine technologische Revolution. Doch ob alles so klappt wie sich die Forscher das in der Theorie vorstellen, müssen die nächsten Jahre erst mal zeigen.