Dienstag, 19. März 2024

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Batteriezellforschung in Deutschland
"Jetzt nochmal die richtige Zeit einzusteigen"

Die Produktion von Batteriezellen steigt in Deutschland zwar an, aber momentan diese wertvollste Komponenten der E-Mobilität noch hauptsächlich aus Asien importiert. Es sei aber nicht zu spät jetzt einzusteigen, meint Prof. Martin Winter vom Kompetenzzentrum an der Uni Münster.

Prof. Martin Winter im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 15.07.2019
Ein Autofahrer steckt einen Ladestecker einer E-Mobilität-Zapfsäule in ein batteriebetriebenes Fahrzeug.
Ein Autofahrer steckt einen Ladestecker einer E-Mobilität-Zapfsäule in ein batteriebetriebenes Fahrzeug. (dpa / Friso Gentsch)
Jessica Sturmberg: Der Standort Münster hatte den Zuschlag für die halbe Milliarde Euro Fördermittel aus dem Bundesforschungsministerium zur Batteriezellforschung erhalten. Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek hat heute in Ulm dem dortigen Forschungszentrum sowie auch den anderen unterlegenen Standorten beider Mittelvergabe weitere Fördergelder der Bundesregierung zugesagt.
Einer der Forscher der Uni Münster am dortigen Kompetenzzentrum zur Batteriezellforschung ist Professor Martin Winter. Mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen und ihn zunächst gefragt wie wichtig diese Mittel generell für den Standort Deutschland in diesem Forschungsbereich sind?
"Deutschland hat eine große Aufholjagd zurückgelegt"
Martin Winter: Deutschland hat ja eine große Aufholjagd zurückgelegt in der Batterieforschung. Wir haben also erst wieder Mitte der 2000er angefangen, das Thema intensiv aufzugreifen, die Lehrstühle besetzt, Kompetenzzentren gegründet und man hat dann relativ schnell festgestellt, dass wir eine sehr gute Grundlagen- aber auch angewandte Forschung haben, dass uns aber im Moment Elemente fehlen, diese Grundlagen und angewandte Forschung auch dann in Produkte umzusetzen. Es geht insbesondere auch um die Serienfertigung der Batteriezellen. Das ist das Herzstück jeder Batterie, also im Antrieb oder auch im Roboter oder auch in der stationären Batterie. Da ist es so, dass wir die Batterie als große Einheit haben, aber die besteht aus vielen kleinen Batteriezellen. Das sind also die Einheiten mit dem Plus- und Minuspol und die in Großserienfertigung, also dann sehr schnell mit großen Stückzahlen bis zu Millionen dann nachher pro Jahr und auch wirklich groß, dass wir dann nachher auch große Einheiten bilden können – die dann herzustellen, das ist das Ziel dieser Forschungsfertigung Batteriezelle, da eben nachher diese Fertigung und der Transfer der Forschung in die Fertigung auch stattfindet.
Sturmberg: Wenn wir uns die Im- und Exportzahlen momentan anschauen, dann ist es so, dass Deutschland momentan sehr viele Batteriezellen aus Asien importiert. Sie haben von dem Abstand gesprochen, wie groß ist der?
Winter: Man muss ganz klar festhalten, dass die Historie für den Standort Fernost, Asien spricht. Dort waren die Anwendungen wie Mobiltelefone, portable Computer, überhaupt die gesamte portable Elektronik, die wird dort hergestellt und natürlich brauchte man Kraftpakete um die dann nachher auch entsprechend mit Energie zu versorgen. Jetzt mit der Energiewende, die in irgendeiner Form dann auch mal umgesetzt werden muss bzw. auch der Frage der Elektromobilität, die ja nicht nur für die Batterie gilt, das reine Batteriefahrzeug, sondern auch für ein Brennstoffzellenfahrzeug, brauchen sie auch eine ordentlich dimensionierte Batterie – sonst ist die Brennstoffzelle gar nicht so stark – wenn Sie diese Mobilität angehen wollen und das Ganze mit unserer Industrie, die eigentlich in diesen Energiesektoren traditionell stark ist, eben dann auch mit Batterien das umsetzen wollen, dann brauchen Sie auch eine Batteriezellfertigung. Wir weit sind wir zurück? Natürlich hätte man sich gewünscht, dass wir das Thema schneller und intensiver angegangen wären als wir das in der Vergangenheit getan haben. Ich glaube aber seit 2015, als eben herausgekommen ist, dass die Abgaswerte, die in den Tabellen stehen, sich praktisch nicht so halten lassen, seitdem wird das mit größerer Intensität überall gesehen und mit den ganzen Vorläufen, die man so hat, so etwas durchzuführen ist jetzt eben 2019, wo wir jetzt die entsprechende Forschung dann auch aufsetzen. Diese große Lücke in dieser wichtigen Wertschöpfungskette dann auch zu schließen.
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Prof. Dr. Martin Winter leitet das MEET-Labor für Batterieforschung an der Universität Münster. (dpa/picture alliance/Maximilian Schönherr)
"Es ist jetzt nochmal die richtige Zeit einzusteigen"
Die Frage, ob das noch Sinn macht an dieser Stelle, wird mir oft gestellt, ich finde es eine typisch deutsche Frage. Andere Länder würden fragen, wo sind denn noch die Opportunitäten für Deutschland, was können wir denn noch erreichen bei diesem immens wachsenden Markt, wo wir gerade auch erst am Anfang stehen. Die Leute kaufen erst gerade die ersten Elektrofahrzeuge, es ist jetzt also nicht so, dass der Zug Anwendung schon abgefahren ist, sondern er geht gerade los und eigentlich ist es jetzt nochmal die richtige Zeit einzusteigen. Weil wir reden dort teilweise über Studien, die dann sagen, von den jetzt wenigen hundert Gigawattstunden, die wir im Moment haben, vielleicht 150, 160, werden wir dann in Zukunft 500, 1.000, 1.500 Gigawattstunden Produktionskapazität haben. Es wird mindestens eine Verzehnfachung dieses ohnehin schon nicht kleinen Marktes sein und wenn man sich daran anteilsweise beteiligen kann, hat sich das allemal gelohnt.
Sturmberg: Wenn wir generell darüber sprechen, dass wir Batteriezellen und Batterien brauchen, eben insbesondere für den Bereich Verkehr, für den Bereich Elektromobilität, dann wird auch geschaut auf die Klimabilanz und die Batterieproduktion ist sehr energieintensiv. Das ist oft ein Argument, dass man sagt, wir müssen auf die komplette Bilanz schauen. Nicht nur allein in der Anwendung eines Elektroautos, sondern eben auch in der Produktion des Elektroautos. Wenn die Produktion hier in Deutschland stattfindet, ist das eine Möglichkeit, diese Klimabilanz auch sehr viel stärker zu kontrollieren?
Winter: Also was ich generell wichtig finde, ist, diese Bilanzen muss man sehr fair diskutieren. Es bringt einem nichts, wenn man auf der einen Seite dann wirklich jeden einzelnen Prozessschritt reinrechnet und auf der anderen Seite sehr großzügig ist bei den Prozessschritten und dann einige auslässt. Das ist in vielen Studien passiert und dadurch kommen bestimmte Technologien nicht so gut weg wie andere. Jetzt haben wir die einmalige Chance, in Deutschland die Energiewende nachher auch zu leben. Und es wird auch immer wieder gesagt, dass wir mit dem deutschen Strommix dann nachher Probleme haben werden - nicht nur beim Laden der Batterien, sondern eben auch in der Herstellung. Das ist richtig, weil wenn wir die Batteriezellherstellung anschauen, ist das sehr stromintensiv. Aber letztendlich zum Beispiel unsere Forschungsfertigung hier in Münster, die werden wir mit lokal vor Ort erneuerbaren Energien, aber auch erneuerbaren Energien von den Stadtwerken machen. Und das kann eigentlich auch jeder, der das will, auch machen. Es ist ja nicht so, dass wir im Moment die Batterien daher bekommen, wo im Moment erneuerbarer Strom verwendet wird, sondern das sind alles Länder, wo die Stromentstehungskosten klein sind, da wird hauptsächlich Kohlestrom verwendet. China und Korea sind bekannt dafür, dass dort elektrischer Strom hauptsächlich mit Kohle generiert wird. Auch dort ändert sich das, aber diese Chance dann zu sagen, jetzt haben wir einmal die Chance das Energiesystem umzustellen. Wir können auch das Netz nachher ausbauen für die Erneuerbaren, damit das besser dann geregelt wird und mit dem Ausbau des Netzes können wir auch vergleichsweise kostengünstig eine Ladeinfrastruktur aufbauen. Wenn wir das angehen würden in einem konzertierten Plan, das würde sehr viel Sinn machen.
Sturmberg: Ist das denn in der Masse überhaupt möglich?
Winter: Wir reden darüber, dass wir Verbrennungsfahrzeuge noch bis 2040 bauen wollen, das wird überall diskutiert, dass wir aber einen schrittweisen Übergang zu mehr und mehr Nichtverbrennerfahrzeugen haben. Wir reden jetzt über reine Zeit, die über 20 Jahre geht. In diesen 20 Jahren müssten wir eigentlich einen Plan entwickeln, der es uns erlaubt, nachher dann Stück für Stück das Thema anzugehen. Sie haben absolut recht, wenn wir sagen, wir machen das in drei Monaten, dann sind wir überfordert, aber wir reden ja über eine gewisse Zeit, die wir es angehen müssen. Und ich glaube, dass, wenn wir das wirklich angehen wollen, wenn wir also die Pläne machen, auch langfristig, dann über eine bestimmte Zahl von Jahren gehen, dann ist das auch machbar. Natürlich – je länger wir warten, desto mehr wird das Zeitfenster kleiner, desto mehr müssen wir es dann ich sage jetzt mal salopp in einer Hauruck-Aktion machen.
Sturmberg: Wo steht Deutschland bei der Batteriezellforschung? Darüber habe ich mit Prof. Martin Winter, dem wissenschaftlichen Leiter des Batterieforschungszentrums der Uni Münster gesprochen.